Lyft übernimmt FreeNow für 175 Millionen Euro, expandiert nach Europa (Update)

Lyft, der zweitgrößte Fahrdienstvermittler in den USA, hat die Übernahme des europäischen Mobilitätsdienstes FreeNow für rund 175 Millionen Euro (197 Millionen US-Dollar) angekündigt. Die Transaktion, die voraussichtlich in der zweiten Hälfte von 2025 abgeschlossen wird, markiert Lyfts ersten signifikanten Schritt auf den europäischen Markt und stellt eine strategische Expansion jenseits des nordamerikanischen Kerngeschäfts dar.
In Europa heißen die beiden größten Konkurrenten von FreeNow einerseits Uber, andererseits Bolt. Letzteres Unicorn aus Estland hat sich in den letzten Jahren zu einem Ernst zu nehmenden Rivalen für Uber und andere Fahrtenvermittler gemausert.
Der Kaufpreis von 175 Millionen Euro klingt zwar viel, ist aber wenig. BMW und Mercedes, die zuletzt jeweils 50 Prozent an FreeNow hielten, haben deutlich mehr in den Aufbau der App gesteckt. FreeNow war Teil eines Mobilitäts-Joint-Ventures, das mit mehr als einer Milliarde Euro ausgestattet wurde. Neben der Taxi-App gehörten auch etwa ShareNow, also das Carsharing-Angebot dazu, welches zuletzt an Stellantis verkauft wurde. BMW und Mercedes wollten FreeNow schon länger abstoßen, unter anderem waren Berichten zufolge auch Uber oder Kakao Mobility aus Südkorea als mögliche Käufer im Spiel. Angepeilt wurde ursprünglich ein deutlich höherer Kaufpreis von 500 Mio. Euro.
Strategischer Schritt nach Jahren der Konsolidierung
Die Übernahme folgt auf Lyfts erstes profitables Geschäftsjahr 2024, das dem Unternehmen die finanzielle Stabilität für internationale Expansionspläne gibt. „Wir sind auf einem ambitionierten Weg, die beste Mobilitätsplattform der Welt aufzubauen, und der Eintritt in Europa ist ein wichtiger Schritt auf unserer Wachstumsreise“, so Lyft-CEO David Risher.
Für die bisherigen Eigentümer BMW und Mercedes-Benz Mobility bedeutet der Verkauf einen weiteren Rückzug aus dem Bereich der Mobilitätsdienste. Die deutschen Automobilhersteller hatten 2019 noch angekündigt, gemeinsam mehr als eine Milliarde Euro in verschiedene Mobilitäts-Apps zu investieren. In einer Erklärung teilten sie mit, sich nun wieder auf ihr Kerngeschäft und die Transformation hin zu Elektrifizierung, Digitalisierung und KI konzentrieren zu wollen.
Taxi-zentriertes Geschäftsmodell als Schlüssel
FreeNow, mit Hauptsitz in Hamburg, ist in 150 Städten in neun europäischen Ländern aktiv und erwirtschaftet etwa 90 Prozent seiner Buchungen über traditionelle Taxis. Diese Ausrichtung passt zu Lyfts aktueller Strategie, verstärkt mit dem klassischen Taxigewerbe zusammenzuarbeiten, anstatt es zu verdrängen. Risher bekräftigte: „Wir übernehmen das Taxi-fokussierte Geschäftsmodell von FreeNow.“
Diese Strategie folgt dem Beispiel von Konkurrent Uber, der in den letzten Jahren ebenfalls Taxis in Dutzenden von Märkten integriert hat. Thomas Zimmermann, CEO von FreeNow, wird mit seinem Team im Unternehmen bleiben: „Lyfts kundenorientierter Ansatz passt perfekt zu unseren tiefen Wurzeln in der Taxibranche.“
Wirtschaftliche Perspektiven
Die Akquisition steigert Lyfts adressierbaren Markt erheblich und erhöht die jährlichen Buchungen um etwa eine Milliarde Euro. Zusammen werden die Unternehmen mehr als 50 Millionen Fahrgäste pro Jahr bedienen. FreeNow ist laut eigenen Angaben seit Mitte 2023 profitabel und verzeichnet weiterhin Umsatzwachstum in seinen Märkten.
Trotz des Wachstumskurses steht Lyft an der Börse unter Druck: Die Aktie des 4,55-Milliarden-Dollar-Unternehmens ist seit Jahresbeginn um 20 Prozent gefallen, während der Marktwert von Uber bei 155 Milliarden Dollar liegt und dessen Aktien im gleichen Zeitraum um 17 Prozent gestiegen sind.
Mit der Übernahme von FreeNow verfolgt Lyft eine Strategie des disziplinierten Kapitalmanagements und investiert in Wachstumsmöglichkeiten, die das Kundenerlebnis verbessern sollen. Für die Zukunft plant das Unternehmen, neue Funktionen für Fahrer und Fahrgäste einzuführen und eine nahtlose Integration beider Apps für transatlantische Nutzer zu ermöglichen.