Magic: Der Überraschungsgegner von OpenAI kommt aus einer Wiener Schule
Aktuell gibt es nur ganz wenige Founder, die sich AGI auf die Roadmap schreiben. AGI steht für „Artificial General Intelligence“ und meint eine autonome Computer-Intelligenz, die jede intellektuelle Aufgabe, die ein Mensch kann, verstehen oder lernen kann. Während manche meinen, dass so etwas noch Jahrzehnte entfernt ist oder man besser gar nicht daran forschen sollte, haben sich zwei junge Wiener AGI auf die Roadmap geschrieben.
Während OpenAI-CEO Sam Altman durch die Welt reist, um Billionen Dollar für AGI-Entwicklung einzusammeln, arbeiten Eric Steinberger und Sebastian De Ro auch an AGI. „Codegenerierung ist sowohl ein Produkt als auch ein Weg zur AGI“, sagen sie über ihr in Wien gegründetes Startup Magic. Wer Magic nicht kennt, spätestens seit Donnerstag Abend kennt es die gesamte AI-Welt und darüber hinaus. Da gaben Steinberger und De Ro in für sie typisch bescheidener und knapper Weise bekannt, dass sie frische 117 Mio. Dollar aufgenommen haben. Mit dabei ist nicht nur der ehemalige GitHub-CEO, sondern auch der Growth Fund CapitalG von Alphabet.
Code Generation als Weg zu AGI. Magic will nicht bloß einen OpenAI-Klon bauen, der Developern beim Programmieren unterstützt und auf Anfrage Code ausspuckt. Dem Wiener Startup, das mittlerweile stark aus San Francisco heraus operiert, schwebt Folgendes vor: „Unser Ziel ist es, schrittweise verbesserte KI-Assistenten auf den Markt zu bringen, während wir weiter an dem arbeiten, was letztendlich zu AGI werden wird.“ Ein Code-Copilot, der es besser kann als ChatGPT oder Gemini – das ist nur Mittel zum Zweck.
Warum zwei junge Wiener nun von Investoren tatsächlich als OpenAI-Herausforderer wahrgenommen werden, ist nicht erst 2023 entstanden. Trending Topics hat die Karriere von Steinberger bereits seit 2018 mitverfolgt. Damals forschte der damals 19-Jährige an der TU Wien an der Schnittstelle AI, Robotik und Krypto-Assets. Er setzte sich 2018 mit der heute unbedeutenden Kryptowährung IOTA kritisch auseinander, um zu testen, wie Maschinen sich gegenseitig für Daten und Dienste bezahlen können, ohne Menschen dafür zu brauchen. Und sagte damals schon: „Für mich ist die Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz der Weg zu verstehen, wie der Mensch funktioniert – und eventuell auch, ihn zu verbessern.“ Bereits mit 15 hat das Ausnahmetalent begonnen, mit Hilfe von Online-Kursen des MIT (Massachusetts Institute of Technology) Mathematik und Physik zu studieren.
Mitgründer und CTO Sebastian De Ro machte derweil Stationen als Software-Entwickler bei Automic Software, ÖBB, Twinformatics und arbeitete sich schließlich bis zur CTO-Rolle beim österreichischen Scale-up Firestart hoch. Und aktuell daran, sich mit dem eigenen AI-Modell zu ersetzen. „Mein Kardinalsfehler“, wie er heute lachend sagt.
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Cambridge, MIT und Facebook als Zwischenstationen
Von der TU Wien wechselte er dann aufs renommierte Trinity College in Cambridge, wo schon lange vor dem ChatGPT-Hype Startups wie Five.AI oder Prowler.io an Künstlicher Intelligenz arbeiteten. Zusätzlich folgten Tätigkeiten am MIT und bei Facebook AI. In Cambridge startete Steinberger dann auch bald mit Climate Science mit anderen Jungforscher:innen ein Projekt, um Wissen über die Klimakrise Jugend-gerecht auf Instagram, Smartphone-App und Co zu verbreiten. Aber das Thema AI ließ ihn nicht los, was ihn schließlich dazu brachte, gemeinsam mit Sebastian De Ro Magic zu gründen. De Ro war auch schon beim Climate-Science-Projekt dabei.
Steinberger und De Ro kennen sich aber schon länger. Sie drückten gemeinsam die Schulbank der HTL Spengergasse, und zwar im Hochbegabtenprogramm von Lehrer Harald Zumpf. „Das ist eine geniale Schule, sie hat einen riesigen Industrie-Zugang und auch viele Kontakte. Das hat uns massiv beschleunigt. Wir haben mal alle Schulcomputer über die Sommerferien in einen Raum gepackt und KI-Modelle trainiert. Und die Schule hat uns das nicht nur erlaubt, sondern auch für die Elektrizität bezahlt“, erzählte uns Steinberger einmal. Lehrer Zumpf und Direktor Gerhard Hager äußerten ihren Stolz bereits online.
In diesem heißen Sommer, der die Türklinken zum Glühen brachte, dürfte der Grundstein für Magic gelegt worden sein. Nur geht es heute um Potenzen mehr an Rechen-Power, damit Magic sein eigenes LLM bauen kann, das selbst OpenAI herausfordern könnte. „Wenn du AGI in einem kleinen Team mit Tausenden von GPUs bauen willst“, dann sei man bei Magic richtig, kann man in einer Stellenausschreibung lesen. GPUs, das sind die meist von Chip-Riesen Nvidia stammenden Graphic Processing Units, die so wichtig für AI-Modelle sind. H100 GPUs von Nvidia können je Stück schon mal 120.000 Euro kosten – bei tausenden GPUs, die Magic betreiben will, kann man schon erahnen, wohin große Teile des Investments gehen. Eher nicht in Hundertschaften an neuen Mitarbeiter:innen.
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Vom Coding-Bot zu AGI
„Im Endeffekt bauen wir AGI, also Artificial General Intelligence. Dabei geht es darum, alle wichtigen Tätigkeiten, die man irgendwie an einem Computer durchführen kann, besser und schneller durchzuführen als ein Mensch“, sagte Steinberger im Interview. „Unser Assistant für Software Developer könnte sich irgendwann mit sehr wenig Modifikation auf ganz viele andere Domänen anwenden lassen. So könnte es möglich sein, eine Software zu erstellen, ohne zu programmieren, und wirklich darauf vertrauen zu können, dass es funktioniert. Es wird sein, als würdest du Sebastian als Consultant anheuern. Dieses Gefühl hat man heute mit KI noch nicht, und wir wollen das möglich machen.“
Mit einem Gesamtinvestment von etwa 145 Mio. Dollar spielt Magic nun in der Oberliga der neuen Riege an AI-Startups. Und gilt in einem ersten Schritt als größter Herausforderer der Microsoft-Tochter GitHub, die seinen Usern einen eigenen Code-Copiloten anbietet. „Sie versuchen wirklich, GitHub zu challengen, wollen hier einen Co-Pilot auf die Beine stellen, der im Software-Development proaktiv unterstützt. Laut Einschätzungen unsererseits, aber vor allem auch laut Einschätzungen der aktuellen Series-A-Investoren, sollte die Code-Basis 2024 das Potenzial haben, die grundlegende Code-Basis von OpenAI zu challengen“, sagt etwa Niklas Benesch vom Frühinvestor ROI Ventures.
Aber beim Programmieren soll es nicht aufhören. Deswegen kann man in Stellenausschreibungen von Magic auch lesen, dass man Leute suche, die wissen, wie man Bild-, Audio- und Videodaten im Petabyte-Bereich crawlen kann. Es geht also längst nicht mehr nur um Coding, sondern um ein umfassendes LLM der nächsten Generation. Steinberger und De Ro glauben dabei an eine Welt, die durch AI besser wird. Wenn AI die Arbeit erledigt, dann kann man sich ja den schönen Seiten widmen.
„Die Automatisierung hat die Menschheit von der Subsistenzlandwirtschaft zu einer global vernetzten Gesellschaft geführt. AGI ist das letzte Kapitel in der Geschichte der menschlichen Werkzeugherstellung und bietet das Potenzial, Produktivität und Erfindungsreichtum von der menschlichen Arbeit zu entkoppeln. Was wäre, wenn die letzten 50 Jahre technologischen Fortschritts in 2 Tagen stattfänden?“, schreiben sie über ihre großen Ziele. „Wir wollen dies möglich machen.“
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