Interview

Finanzminister Brunner exklusiv: Digitalsteuer bringt Österreich 2022 etwa 100 Mio. Euro

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). © BMF
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Er gilt als einer der Hoffnungsträger seiner gebeutelten Partei, der ÖVP, und ist seit seinem Amtsantritt im Dezember 2021 als Blümel-Nachfolger mit vielen schweren Fragen konfrontiert. Digitalsteuer, Kryptosteuer, Übergewinnsteuer, Kapitalertragsteuer, CO2-Bepreisung, Energiepreisdeckel – alle wollen von ihm wissen, wer wann warum wie viel an den Staat zahlen muss, und was der Staat wiederum mit dem Geld vorhat.

So auch wir. Im großen Sommer-Interview mit Magnus Brunner spricht Trending Topics über die großen Themen der Inflation und den Maßnahmen dagegen, der Gefahr einer Rezession, den vielen neuen Steuern und den Ausblick auf einen ganz schwierigen Winter.

Trending Topics: Das Finanzministerium hat seit Kurzem auch die digitalen Agenden, die früher im Wirtschaftsministerium gelegen sind, übernommen. Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Magnus Brunner: Das passt sehr gut zusammen. Jetzt sind alle Kompetenzen, wenn es um Digitalisierung, Breitbandausbau und Telekommunikationsagenden geht, unter einem Dach versammelt. Es ist wichtig, hier die Kräfte zu bündeln. Und wir haben mit Staatssekretär Florian Tursky (Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation, Anm. d. Red.) eine Person, die sich ganz massiv mit diesen Themen beschäftigt, hier im Finanzministerium.

2020 wurde die Digitalsteuer in Österreich eingeführt. So sollen Facebook, Google, TikTok und andere internationale Tech-Riesen zur Kasse gebeten werden. Wie erfolgreich war das bisher? Wie viel bringt diese Steuer im Jahr 2022?

Ja, das war durchaus erfolgreich, was wir auch an den Zahlen sehen. Ursprünglich waren ja circa 20 Millionen Euro pro Jahr prognostiziert. Wir sehen jetzt bei den Prognosen für 2022, dass wir bei 100 Millionen Euro zum Liegen kommen werden. Das ist doch sehr beachtlich. Und natürlich ist das Ziel immer, die Steuer europaweit oder weltweit auch entsprechend einzuführen. Hier sind wir auch schon einige Schritte weitergekommen. Österreich hat sich auch massiv eingebracht auf Expertenebene. Dass wir hier eine eine weltweite Lösung schaffen, ist nicht ganz so einfach.

Es gibt auf OECD-Level Überlegungen beziehungsweise auch schon gewisse Richtlinien und Festlegungen. Allerdings sehen wir auf europäischer Ebene gerade, dass es einige Staaten gibt, die sich leider noch dagegen lehnen. Aber es würde durchaus Sinn machen. Wir haben das auf nationaler Ebene umgesetzt. Und wie gesagt, die 100 Millionen Euro, die prognostiziert werden, zeigen, dass es der richtige Weg war.

100 Millionen Euro, das ist natürlich eine ordentliche Summe. Österreich wurde für diesen Alleingang aber auch kritisiert. Würde das aber auch bedeuten, wenn es auf OECD-Ebene eine Einigung gibt, dass ein globales Pendant zu dieser Digitalsteuer kommen wird? Würde man dann in Österreich wieder die eigene Lösung abschaffen?

Ja, selbstverständlich. Das ist so ausgemacht, auch auf internationaler Ebene. Wir würden dann unsere nationale Vorgehensweise natürlich zurückfahren und würden die europa- und weltweite Lösung unterstützen.

Seit 1. Jänner 2020 gilt in Österreich eine Digitalsteuer auf Online-Werbeleistungen. Sie betrifft Unternehmen, die innerhalb eines Wirtschaftsjahres einen weltweiten Umsatz von zumindest 750 Mio. Euro und im Inland einen Umsatz von zumindest 25 Mio. Euro aus der Durchführung von Online-Werbeleistungen erzielen. Im Wesentlichen sind das also Tech-Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon, TikTok, Apple oder Microsoft, die unter diese Steuer fallen.

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Steuern betreffen in Österreich seit März 2021 auch andere digitale Angelegenheiten, dazu gehören natürlich Kryptowährungen. Wie viel Steuereinnahmen wird man sich da 2022 holen können? Immerhin ist gerade 2022 der Markt für Kryptowährungen stark eingebrochen, was vielen natürlich die Gewinne wegnimmt.

Eine genaue Abschätzung wäre hier nicht ganz seriös. Wir haben aber im Krypto-Bereich einiges gemacht und Klarheit geschaffen im nationalen Recht. Wir haben ausdrückliche Regelungen auch zur steuerlichen Behandlung vorgesehen. Das ist auch mit der Branche entsprechend abgestimmt worden, weil es auch wichtig ist, dass die Gleichbehandlung da ist. Deswegen haben wir die Kryptowährungen mit dem besonderen Steuersatz von 27,5 Prozent, also mit der mit der KESt gleichgesetzt. Und das ist, glaube ich, wichtig in Bezug auf auf Gleichstellung und Transparenz.

Kryptowährungen sind steuerlich den Wertpapieren gleichgestellt worden. Für Wertpapiere haben Sie eine Abschaffung der Behaltefrist bei der KESt angekündigt. Wann wird diese kommen?

Vielleicht muss man da ein bisschen ausholen: Die Kapitalertragsteuer mit Behaltefrist hätte den Vorteil, dass auch Alternativen zu bisherigen Anlageformen wie das Sparbuch beispielsweise, das einfach nicht mehr so interessant natürlich ist aufgrund der Zinsentwicklung, dass wir hier breiter aufgestellt wären und alternative Anlageformen auch attraktiver gestaltet werden würden. Die Behaltefrist würde bedeuten, dass man eben für einen bestimmten Zeitraum keine Kapitalertragsteuer bezahlt. Dadurch profitieren nicht nur Spekulanten davon, stattdessen bedeutet sie eine wirklich eine alternative Anlageform. Wir haben hier ein Konzept als Finanzministerium ausgearbeitet und dieses unserem Koalitionspartner übermittelt. Wir werden im Herbst an den Verhandlungen innerhalb der Koalition eintreten.

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Was ist da Ihr Vorschlag zur Behaltefrist? Wie lange kann die sein?

Die Vorschläge von den Expert:innen gehen von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Sie können sicher sein, dass ich eher bei einem Jahr zum Liegen kommen möchte.

Wenn jetzt die Kryptowährungen steuerlich den Wertpapieren gleichgestellt werden, kommt dann auch eine Haltefrist für die Kryptowährungen, die es ja schon einmal gab?

Das müssen wir uns auf jeden Fall anschauen. Ob die Kryptowährungen auch hier gleich behandelt werden können, ist ein bisschen schwieriger, da es sich um eine riskantere Anlageform handelt. Und deswegen müssen wir uns das Thema im Detail ansehen.

Auch die Tesla-Aktie ist eine riskante Anlageform, wenn man sich die Kursachterbahnfahrt ansieht.

Vollkommen richtig. Ja klar. Und viele andere Anlageformen und Aktien auch. Da muss man sich das Thema ganz genau anschauen.

Kommen wir vielleicht zur gesamtwirtschaftlichen Lage. Man kann ja durchaus sagen, die Stimmung war schon mal besser. Überall hört man derzeit von Ängsten vor einer Rezession, die Inflation ist da und der harte russischer Winter wurde schon mehrmals angekündigt. Wie schlimm wird es aus Ihrer Sicht?

Wir sind in letzter Zeit von einer Krise in die in die nächste gerutscht, und zwar in solche, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten nicht gehabt haben. Wir haben die erste Krise, die wirtschaftliche Folgen der Pandemie, gut überwunden, auch im internationalen Vergleich. Wir hatten Wachstumsprognosen von 5,3 Prozent nach der nach der Pandemie. Auch die Arbeitslosenzahlen und die Beschäftigungszahlen haben uns sehr optimistisch gestimmt. Und dann ist leider der Krieg nach Europa gekommen. Das hat Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit im Energiebereich und dadurch auch auf die Inflation. Die Teuerung ist das Hauptthema, mit dem wir uns derzeit beschäftigen, gemeinsam mit der Energieversorgung.

Und jetzt kann die Inflation selbst nur international von den Zentralbanken bekämpft werden. Die EZB in unserem Fall tut das jetzt mit den Zinserhöhungen, aber auch mit der Rücknahme von Anleihekäufen. Das ist das, was die EZB tun muss, nämlich die Preisstabilität garantieren.

Was wir tun können als Nationalstaaten, ist, diese Teuerungen abzufedern. Wir müssen natürlich zusehen, dass den Menschen die Kaufkraft auch bleibt. Dafür haben wir relativ schnell im Jänner und im März zwei großen Pakete in Höhe von insgesamt vier Milliarden Euro umgesetzt. Da waren wir vom Volumen her und auch von der Geschwindigkeit wesentlich schneller und größer als die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten. Über den Sommer kommen noch einmal unterschiedliche Maßnahmen, im Herbst gehen wir dann etwas mehr in die Breite. Besonders der untere Mittelstand ist stark betroffen von den steigenden Preisen. Dort wollen wir mit dem regionalen Klimabonus noch einmal helfen.

Ebenso kommen strukturelle Maßnahmen, Stichwort Abschaffung der kalten Progression. Diese wurde 40 Jahre diskutiert und im Herbst werden wir sie endlich abschaffen. Die Beschlüsse innerhalb der Regierung sind gefasst, jetzt brauchen wir noch das Parlament dazu.

Wo wir von Maßnahmen sprechen, die es noch nicht gibt: Wie ist Ihr Standpunkt zum Energiepreisdeckel?

Was jetzt im Gespräch ist, ist sozusagen ein Rechnungsdeckel, also dass man die Rechnung für einen gewissen Verbrauch deckelt oder dass diese vom Staat auch übernommen wird. Aber die Preissignale werden beibehalten. Das ist etwas anderes als ein klassischer Preisdeckel. Von dem halte ich auf nationaler Ebene nicht wahnsinnig viel. Auf europäischer Ebene kann man natürlich darüber diskutieren, aber national wäre das ein starker Eingriff in den Markt selbst. Auch wären die Signale hier nicht positiver Natur, beispielsweise, wenn sie in Richtung Einsparung von Energie geht. Was man schon diskutieren muss, sind weitere Entlastungen für die Menschen, eben beispielsweise durch den Rechnungsdeckel. Hier gibt es auch unterschiedliche Fragestellungen, beispielsweise über Strom aus Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern. Wir arbeiten hier mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut und den Energieexpert:innen zusammen.

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Wie soll man das gegenfinanzieren? Und in vielen europäischen Ländern sind die sogenannten Übergewinnsteuern in der Debatte. In Spanien und Belgien etwa soll es eine Sonderbesteuerung für Kriegsgewinnler geben. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Ich habe da eher einen liberaleren Zugang und halte von direkten Markteingriffen nicht sehr viel. Im Verbund ist man hier einen Schritt weitergegangen und hat zwei Dinge gemacht, die aus meiner Sicht sehr positiv sind. Nämlich haben sie für zwei Monate die Rechnung der Kund:innen auf Null gesetzt, für die, die besonders betroffen sind, sogar für vier Monate. Das sind immerhin über 500.000 Kund:innen in Österreich. Das ist aus meiner Sicht einfach der marktwirtschaftliche Weg.

Der Verbund ist ja die eine Geschichte, aber wenn man sich die Übergewinne von Unternehmen wie Shell ansieht, versteht man manchmal schon, dass die Leute so etwas fordern, oder?

Total. Da habe ich volles Verständnis. Die Frage ist, welche Maßnahme dann wirklich konkret die Beste ist. Wir müssen natürlich immer auf den Wirtschaftsstandort und den Kapitalmarkt schauen und hier nicht über Gebühr hohe Belastungen einführen, weil diese Unternehmen ja auch investieren müssen. Der Verbund investiert ja auch ganz gewaltig in die Energiewende und das wäre mit solchen Steuern eher schwierig.

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Die CO2-Bepreisung ist nach hinten verschoben worden. Wird sie noch kommen oder ist sie angesichts der Lage in den Energiemärkten keine Priorität mehr?

Die CO2-Bepreisung ist im Rahmen der ökosozialen Steuerreform ausgemacht worden, im Zusammenhang mit dem regionalen Klimabonus. Das war jetzt auch der Grund, warum wir die CO2-Bepreisung verschoben haben, weil der regionale Klimafonds erst im Oktober kommen wird. Deswegen ist es nur sinnvoll, auch die CO2-Bepreisung bis in den Oktober zu verschieben. Ich glaube, man muss sich die Situation im Oktober dann aber schon noch einmal anschauen, weil wir einfach momentan in anderen Zeiten leben. Jetzt stehe ich selbstverständlich zur ökosozialen Steuerreform. Aber es muss schon erlaubt sein, gewisse Maßnahmen in Zeiten wie diesen zu hinterfragen. Es kann aber auch sein, dass wir die CO2-Bepreisung einführen und uns eine andere Entlastungsmaßnahme überlegen.

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