Zusatzstoffe & Co

Manuel Zeller von NEOH: Kann gesunde Ernährung überhaupt noch funktionieren?

Das NEOH-Gründerteam, der Dritte von links ist Manuel Zeller. © NEOH
Das NEOH-Gründerteam, der Dritte von links ist Manuel Zeller. © NEOH
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Wie (un-)gesund ist unser Essen wirklich? Während über Bio, Preise und Tierwohl diskutiert ist, stehen auch die zahlreichen Zusatzstoffe, die vor allem bei „ultraverarbeiteten Lebensmitteln“ verwendet werden, in der Kritik. Nur: Welche Zusatzstoffe sind tatsächlich gefährlich? Und wie kann ich auf Zucker und Co verzichten? Wir sprechen über diese und weitere Fragen mit jemandem, der es wissen muss: NEOH-CEO Manuel Zeller.

Er sprach zuletzt im Rahmen eines TED-Talks über die größten Mythen und Missverständnisse, die den Konsum und die Auswirkungen von Zucker betreffen. Durch jahrelange Forschung und Entwicklung konnte Zeller eine Zuckerersatz-Formel entwickeln, die im Vergleich mit Zucker keine oder nur minimale Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel hat.

Trending Topics: Eingangs eine allgemeine Frage: Wie ungesund ist unser Essen wirklich? In letzter Zeit häufte sich gefühlt die Kritik an „hochverarbeiteten“ oder „ultraverarbeiteten“ Lebensmitteln. Ist gesunde Ernährung mehr Mythos als machbar?

Manuel Zeller: Am Markt gibt es unzählige Entwicklungen, verschiedene Gütesiegel wie „Bio“ oder „Vegan“ sowie auch der Trend zu „Clean Labels“ beherrschen die Regale. Die Produkte werden dahingehend modifiziert, aber die Resultate sind trotzdem ein zweischneidiges Schwert: Wenn ein Lebensmittel 100 % bio oder 100 % vegan ist, heißt das nicht automatisch, dass es gesund ist – auch wenn es die Konsument:innen oft so verstehen. So wäre Zuckerwatte laut diesen Labels auch „clean“, weil sie nur aus zwei Zutaten besteht, sie ist außerdem vegan und man könnte sie auch einfach aus biologisch erzeugten Zutaten herstellen. Aber dadurch wäre sie trotzdem nicht besser für unsere Gesundheit.

Man muss hier also wirklich aufpassen. Das ist auch für uns eine schöne Herausforderung: Man glaubt uns ja fast schon nicht mehr, dass wir tatsächlich eine großartige Lösung haben – wir hören immer wieder mal, dass das doch zu schön wäre um wahr zu sein.

Die großen Lebensmittelkonzerne sollen teils „gezielt abhängig“ machen. Wie funktioniert das? Welche Zusatzstoffe sind problematisch?

Vielleicht bin ich hier etwas naiv, aber ich glaube fest daran, dass fast alle Unternehmen eine Mission verfolgen. Dabei spielt Profit natürlich auch eine Rolle und um einen solchen zu erzielen, wird oft auch mal eine fragwürdige Strategie gewählt. Aber am Ende haben alle Unternehmen das Ziel, dass ihr Produkt funktioniert.

Was die Abhängigkeit angeht, steht Zucker oft in der Kritik. Generell ist hier die Studienlage schwierig, aber einige Studien deuten darauf hin, dass Zucker ähnliche Regionen im Hirn ansprechen kann wie Kokain. Bei NEOH arbeiten wir sehr hart daran, gut schmeckende Produkte ohne Zucker zu entwickeln – nicht nur im Süßwarenbereich, sondern auch darüber hinaus, denn auch in vielen Produkten, von denen man es nicht erwarten würde, ist jede Menge Zucker enthalten.

Gleichzeitig zeigt eine Studie, dass Menschen, die viele hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen, eher an Krebs erkranken. Profit über Gesundheit?

Was wirklich „gesund“ ist und was nicht, ist meiner Meinung nach unfassbar schwierig zu definieren. Jede Studie über einen längeren Zeitraum hat so viele Störfaktoren, die berücksichtigt werden müssen. Wenn man dann Korrelationen gefunden hat, heißt das noch lange nicht, dass automatisch auch eine Kausalität besteht. Mein Lieblingsbeispiel: Im Sommer ist das Sterberisiko niedriger als im Winter, im Sommer essen viel mehr Menschen Eis. Also eine eindeutige Korrelation, aber natürlich keine Kausalität.

Wie kann ich aus Sicht des Konsument:innen sicher sein, „gesund“ einzukaufen? Sind Kennzeichnungen wie der Nutri-Score ein verlässlicher Indikator?

Die Grundidee hinter dem Nutri-Score finde ich an sich genial. Als eine Art Richtlinie wäre die Kennzeichnung eine großartige Möglichkeit, einfacher aufzuzeigen, was eher gesund ist und was nicht. Meiner Meinung nach scheitert es jedoch an der Umsetzung. Denn beim Nutri-Score werden zwei relevante Faktoren – Trockenmasse und glykämischer Index – nicht mal im Ansatz berücksichtigt. Sprich je mehr Wasser ein Nahrungsmittel hat, desto besser ist der Nutri-Score. Das führt dazu, dass diverse Produkte aus dem Kühlregal mit den guten Nutri-Scores A oder B punkten, obwohl sie eigentlich ohne Wasser nur aus gesättigtem Fett und Zucker bestehen.

Aber nicht nur Zucker ist schlecht – reines Zucker-Blaming ist deshalb nicht genug. Weißbrot geht beispielsweise schneller ins Blut als reiner Zucker und dadurch schießt die Blutzuckerkurve genauso in die Höhe, was schlecht für unseren Körper ist. Und genau das muss bei diesen Kennzeichnungen auch berücksichtigt werden. Ich würde hier eine einfache Lösung vorschlagen: Eine natürliche Balance schaffen, also ein gesundes Verhältnis zwischen Kohlenhydraten und Ballaststoffen. So ist es ja in der Natur auch vorgesehen. Und das wäre für mich die wichtigste Kennzahl für einen sinnvollen Nutri-Score.

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Neoh arbeitet mit einer speziellen Zuckerersatz-Formel. Was unterscheidet diese von herkömmlichen Zucker?

Es bringt die gesündeste Formel nichts, wenn es die Menschen nicht essen. Unser Anspruch war immer, einen Rohstoff zu entwickeln, der geschmacklich nicht von Zucker zu unterscheiden ist oder sogar noch besser schmeckt – das ist uns auch gelungen. Zusätzlich wollen wir Zucker und alle negativen Effekte vermeiden. Erst kürzlich hat erstmals eine Studie der Medizinischen Universität Wien wissenschaftlich belegt, dass unser Rohstoff ENSO im Vergleich mit Zucker keine oder nur minimale Auswirkungen auf den Blutzucker, den Insulinspiegel oder das C-Peptid-Level hat.

Zudem bringen wir mit unserem Rohstoff auch die natürliche Balance an Ballaststoffen wieder zurück in unser Leben. Ein Beispiel: Die Reispflanze besteht hauptsächlich aus Ballaststoffen und Stärke, der Anteil mit Ballaststoffen schmeckt jedoch nicht so gut, weshalb dieser oft weggeworfen oder für die Tierfutterindustrie verwendet wird. Was übrig bleibt, ist 100 % Stärke. Diese Reisstärke geht jedoch schneller ins Blut als Zucker selbst, was alles andere als gut für unseren Körper ist. Und trotzdem wird eine Reiswaffel als gesund deklariert. Und das betrifft leider auch viele andere Produkte – unsere Kohlenhydrate werden im Normalfall von den Ballaststoffen befreit, die aber sehr wichtig für unseren Körper wären.

Bei NEOH haben wir durch die Weiterentwicklung direkt am Produkt immer den Geschmack der fertigen Snacks bewertet und entsprechend an der Formel gefeilt. So ist es uns gelungen, mit ENSO eine Zukunftslösung zu schaffen. Aber wir arbeiten natürlich kontinuierlich daran, unsere Formel und damit auch unsere bestehenden Produkte zu verbessern – zum einen natürlich geschmacklich, zum anderen wollen wir langfristig noch weniger Auswirkungen auf den Blutzucker erzielen und wieder mehr Ballaststoffe in unser Essverhalten integrieren.

Um Zucker flächendeckend zu „verbannen“, müsste die Formel auch flächendeckend verwendet werden. Was ist dahingehend angedacht? Und ist es überhaupt im Interesse der Konzerne, sämtliche Zusatzstoffe zu entfernen?

Das komplette Verbannen von Zucker ist nicht zwingend unser Ziel. Kohlenhydrate sind ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung, wir essen allerdings zu viel davon und das ohne die für uns relevanten Ballaststoffe. Das Resultat ist ein für unseren Körper ungewohntes, rasches Ansteigen des Blutzuckerspiegels. Das könnte kurzfristig zu Konzentrationsproblemen, Stimmungsschwankungen, schlechterem Schlaf sowie zu einem schwächeren Immunsystem führen. Eine langfristige Folgewirkung könnte eine Insulin-Resistenz – also Diabetes und Übergewicht – sein.

Der klare Anspruch müsste deshalb eine ausgewogene Ernährung sein, jedoch mit viel mehr Ballaststoffen als momentan. Dabei hilft natürlich NEOH als Alternative zu den herkömmlichen Süßigkeiten, aber genauso mehr Gemüse am Teller. Wie immer kommt es auf die Dosis an: Die Pommes sind für den Gusto schon okay, wenn man genug Gemüse dazu isst und bei der Nachspeise statt zu einer Tafel Schokolade vielleicht zu einem NEOH Snack greift. Deshalb erweitern wir laufend unsere Produktpalette und arbeiten daran, dass unser Portfolio in naher Zukunft auch über unsere bekannten süßen Snacks hinausgehen wird. Das große Ziel dabei: Dass NEOH immer besser wird und die Formel flächendeckend in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt wird.

Können Profit und eine gesunde Ernährung/gesunde Bevölkerung überhaupt Hand in Hand gehen?

Was wir sehen, ist, dass Konsument:innen definitiv nach einer Lösung suchen. Ein steigendes Körperbewusstsein, gesundes Altern sowie ein fitter Lebensstil sind mitten in unserer Gesellschaft angekommen. Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass Profit und ein gesundes Essverhalten jetzt und auch in Zukunft Hand in Hand gehen müssen.

Noch kurz zu NEOH: Die Raiffeisen-Holding-NÖ ist ja neuer strategischer Partner. Wovon konnte NEOH bereits profitieren? Wie ist die Zusammenarbeit geplant?

 Natürlich ist das meistens streng vertraulich, deshalb können wir nichts Konkretes nennen. Eins ist allerdings klar: Die Raiffeisen ist in ihrem Beteiligungsportfolio sehr breit aufgestellt, was für uns ein großes Argument für das Investment war. Diese Vermutung hat sich in den ersten Monaten mehr als bestätigt. Wir sind hier sehr zuversichtlich, stark davon profitieren zu können.

Was hat NEOH im B2B-Bereich vor? Bzw. welche Rolle spielt die Zuckerersatzformel dahingehend?

Zucker in Tee zu ersetzen ist einfach, aber Zucker in Schokolade zu eliminieren ist die Champions League des Zuckerersatzes. Unser Rohstoff ist dementsprechend auch in allen Bereichen, wo heute Zucker im Einsatz ist, als Ersatz perfekt geeignet. Dies ist uns erst im letzten Jahr richtig bewusst geworden. Wir wollen den Rohstoff und unsere Marke NEOH permanent weiterentwickeln und perfektionieren und damit das Naschregal erobern. Für alle anderen Bereiche wollen wir den Rohstoff als B2B-Produkt anbieten.

Neoh: Zucker auf gesund

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