Interview

Neuer Social Entrepreneurship Fonds investiert 5 Millionen Euro

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Die Finanzindustrie sitzt an einem mächtigen Hebel, wenn es darum geht, die Welt zu verändern. Markus Zeilinger hält diesen Hebel für mächtiger, als bei Konsumenten anzusetzen. Und er ist in Österreich einer der Vorreiter, wenn es darum geht, Geld so zu veranlagen, dass keine fragwürdigen Geschäftsmodelle oder schmutzige Industrien gefördert werden.

Im Interview mit spricht der Gründer der Vorsorgekasse Fair-Finance über die Herausforderungen nachhaltiger Geldanlage und verrät erste Details zu Österreichs erstem „Social Entrepreneurship Fonds“, der demnächst Millionen Euro in Startups investieren wird.

Wenn es um Nachhaltigkeit in der Finanzwelt geht, hört man recht schnell das Vorurteil: Nachhaltigkeit und Profit schließen einander aus. Woher kommt diese Annahme eigentlich?

Markus Zeilinger: Diese Annahme ist nicht grundsätzlich falsch. Wenn man zum Beispiel in den Bereich Private Equity schaut, wird man mit sozialen und sehr nachhaltigen Unternehmen vielleicht nicht jene Rendite erzielen wie mit Unternehmen aus anderen Branchen. Es gibt ja Dienstleistungen und Produkte mit sehr großer Nachhaltigkeit, mit sehr hohem Impact und solche mit einem moderaten Impact.

Wenn ich auf die Titel-Selektion von Emittenten schauen, kann ich auch sehr strenge Kriterien ansetzen und dann wahrscheinlich eine negative Wirkung auf Rendite und Risiko haben. Oder ich wähle einen moderateren Zugang und könnte dann sogar die gegenteilige Wirkung haben und eine bessere Rendite erzielen als mit konventionellen Investments.

Was bedeutet „moderat“ in dem Zusammenhang? Ist dann ein bisschen fossile Energie oder etwas Kinderarbeit in Ordnung?

Das hängt davon ab, wen sie fragen. Es gibt nachhaltige Fonds, die schon mit etwas weniger Kinderarbeit und etwas weniger fossilen Energieträgern zufrieden sind und sich auch als nachhaltig bezeichnen. Man muss die dringend erwartete Taxonomie der EU abwarten, da gibt es einfach heute noch keine objektiven Maßstäbe. Die Auszeichnungen und Labels, die es in der Finanzindustrie gibt, sind sehr unterschiedlich. Man muss sehr genau hinschauen, um zu erkennen, ob die Definition auch dem eigenen Zugang entspricht. Das ist noch etwas intransparent.

Es gibt also keine einheitlichen Kriterien – ist es absehbar, wann sich das ändert?

Ja, das ist absehbar. Dei EU wird den ersten Teil der Taxonomie als Verordnung im ersten Quartal 2021 auf den Weg bringen und den zweiten Teil im ersten Quartal 2022. Für einen Teil der Kriterien sollte es also demnächst eine Vereinheitlichung geben – in der ersten Verordnung wird zum Beispiel das ganze Klima-Thema abgedeckt. Ob diese Definition jedem einzelnen gefällt und den Erwartungen des einzelnen entspricht, wird man erst sehen müssen.

Was erwarten Sie von den Kriterien?

Ich bin da zwar am Rande in die Diskussion eingebunden in meiner Funktion im Forum nachhaltiger Geldanlagen, das als NGO in diesem Bereich eine Führungsrolle einnehmen will. Aber konkret weiß man da noch nichts. Meine persönliche Erwartung ist, dass man EU-weit den kleinsten gemeinsamen Nenner finden wird – ich erwarte also eher eine niederschwellige Definition, die für viele Produkte erfüllbar sein wird.

Man kann solche Kriterien ja auch immer übererfüllen. Wie funktioniert die Produktauswahl eigentlich bei Fair-Finance?

Das ist je Assetklasse etwas unterschiedlich. Bei den gängigen Produkten wie Aktien und Anleihen haben wir eine Richtlinie für nachhaltige Kapitalanlage, die man sich auf unserer Homepage jederzeit anschauen kann. Das ist ein sehr umfangreiches Werk mit aktuell 26 Ausschlusskriterien, die auch rationalisierbar formuliert sind. Darüber hinaus haben wir ein Best-in-Class-Modell, also Positivkriterien mit einem Fokus auf sozialen Kriterien, die wir mit 50 Prozent gewichten – 30 Prozent entfallen auf Ökologie-Kriterien und 20 Prozent auf Governance-Kriterien.

Seit ein, zwei Jahren sind wir auch nachvollziehbar mit den SDGs (Sustainable Development Goals der UN, Anm.) abgestimmt. Wir sind in der Lage, nicht nur bestehende Publikumsfonds zu kaufen, sondern können auch eigene Mandate beauftragen und unsere Manager im Aktien- und Anleihen-Bereich müssen unsere Kriterien exakt einhalten. Wir werden jedes Quartal durch eine externe Ratingagentur überprüft. In unserem ESG-Scoring werden wir jedes Quartal besser.

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Mit nachhaltiger Geldanlage lassen sich also durchaus Renditen erzielen, dennoch investieren die meisten Fonds nach wie vor z.B. in fossile Energie. Warum ist das ihrer Meinung nach so?

Im Finanzbereich halten sich getroffene Entscheidungen relativ lange. Wir machen das jetzt seit über zehn Jahren und sind jetzt in der 19. Version unserer nachhaltigen Veranlagungsrichtlinie und den kompletten Ausschluss von Kohle haben wir erst seit zwei oder drei Versionen. Das ist eine Entwicklung, die der eine schneller, der andere langsamer durchführt.

Im Mainstream sind wir da noch etwas langsam. Es wird aber von Jahr zu Jahr besser: Das Volumen an nachhaltig investierten Assets steigt deutlich schneller als das gesamte Asset-Volumen. Es könnte aber noch schneller gehen. Für das österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte sind Kohle und Erdöl erst mit dem 1.1.2021 ausgeschlossen.

Sie haben Fair-Finance 2010 gegründet – wie präsent war das Thema damals und was hat Sie dazu bewogen, eine nachhaltige Vorsorgekasse zu gründen?

Als wir Fair-Finance gegründet haben, gab es das Thema Nachhaltigkeit durchaus in der Kapitalanlage, es hatte aber nicht jene Prominenz, die es heute hat. Wir haben uns damals entschieden, unser gesamtes Geschäftsmodell auf nachhaltiger Wirkung aufzubauen. Unser Geschäftsmodell ist nun mal die Einsammlung von Kapital aus der Abfertigung neu und entsprechend unserer Vision ergab sich die Zielsetzung, Geld sinnstiftend zu investieren und Geld als Hebel für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen im ökologischen und sozialen Sinne einzusetzen.

Mit meinem Vorstandskollegen Johannes Puhr habe ich schon 1998 die erste nachhaltige Veranlagungsgemeinschaft der Winterthur Pensionskasse ins Leben gerufen. Damals haben wir nur einen Teil des Gesamtvermögens nachhaltig veranlagt – Fair-Finance war dann eine konsequente Weiterentwicklung.

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Zehn Jahre später unterstützen Sie auch andere Gründerinnen und Gründer und sind Partner bei einem Fonds, der in Social-Startups investieren will. Wann wird der starten und was sind die Ziele?

Der Social Entrepreneurship Fonds SEF wird demnächst starten, nach fast eineinhalb Jahren der Geburtsphase. Es ist rechtlich ein Alternative Investment Fonds unter einer speziellen Verordnung, der EuVECA-Verordnung (Europäischer Rahmen für Risikokapitalfonds, Anm.). Es ist kein registrierter, sondern ein konzessionierter Fonds, also ein qualitativ hochwertiges und sicheres Investmentvehikel – aber der erste seiner Art in Österreich.

Daher hat der Start etwas länger gedauert. Wir haben allerdings vorgearbeitet und schon die ersten Beteiligungen quasi vorvertraglich ausverhandelt. Die von uns zugesagten Mittel von 5 Millionen Euro werden also nach dem Start in wenigen Monaten investiert sein. Dann hoffen wir, dass die rechtliche Konstruktion als konzessionierter AIF Co-Investoren ermöglicht, zusätzliche Mittel einzubringen.

Verraten Sie schon, um welche Beteiligungen es sich handelt oder zumindest aus welchen Bereichen sie kommen?

Rechtlich darf ich das noch nicht. Es sind aber zum Teil Unternehmen, die in der Szene der Social Enterprises nicht unbekannt sind. Wir machen ja nicht Startup-Finanzierung, sondern Wachstums-Finanzierung. Alle Unternehmen, die Geld vom SEF bekommen, müssen den Proof of Concept schon erbracht haben. Sie müssen noch keinen Gewinn abwerfen, aber es muss zumindest schon einen Track Record geben. Deshalb kennt man die meisten schon – durchaus auch in der breiten Öffentlichkeit.

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Zum Abschluss noch zum ganz großen Bild: Die Finanzbranche sitzt an einem sehr starken Hebel, wenn es um Zukunftsfragen geht – wird sie die Welt retten können?

Ich glaube, der größte und effizienteste Hebel zur Beeinflussung der künftigen Entwicklung ist der Kapitalmarkt. Letztendlich kommt das Kapital immer vor der Produktion von Produkten und vor dem Angebot von Dienstleistungen. Man setzt sozusagen an der Wurzel an. Wenn Banken nur noch Projekte finanzieren, die gesellschaftlich Sinnvolles tun, wenn Eigenkapital für jene Unternehmen günstiger angeboten wird, die sinnstiftend tätig sind, dann kommen entsprechend bessere Produkte und Dienstleistungen dabei heraus.

Man hätte aber viel früher erkennen können, dass über den Kapitalmarkt viel besser gesteuert werden kann als über Konsumentenförderungen. Ich befürchte, dass das bei der Politik noch immer nicht  bei allen angekommen ist. Ich glaube, dass es der freiwilligen Übererfüllung des regulatorischen Rahmens bedarf, damit wir eine Chance haben, die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Die Rettung der Welt darf uns doch ein bisschen Rendite kosten. Erfreulicherweise tut es das bei uns aber gar nicht.

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