Matthias Strolz über seine neue „Fuck Up Show“ auf Puls 4
Die Fuckup Nights sind seit Jahren ein Erfolgsformat: In dutzenden Ländern, so auch in Österreich, stellen sich Menschen auf die Bühne, um anderen von ihren größten Fehlern und vom Scheitern zu berichten. Dieses bekannte Format holt jetzt der TV-Sender Puls 4 ins Fernsehen. Ab 5. Mai um 22:25 Uhr gibt es mit der „Fuck Up Show“ eine eigene Sendung, in der unter anderem auch bekannte Unternehmer von ihren Fehltritten berichten.
Moderiert wird die Show vom ehemaligen NEOS-Chef Matthias Strolz, der sich seit seinem Exit aus der Politik in der Organisationsentwicklung, als Speaker und als Startup-Investor verdingt (u.a. bei story.one). Im Interview spricht Strolz mit Trending Topics über das neue TV-Projekt, die Geschichten seiner Gäste und wie er die Corona-Krise übersteht.
Trending Topics: Worum geht es denn in deiner neuen „Fuck Up Show“? Was steckt dahinter?
Matthias Strolz: Es geht um Geschichten des Scheiterns. Das passt ja wunderbar in unsere Zeit jetzt, „wunderbar“ natürlich unter Anführungszeichen, weil natürlich Scheitern auch weh tut. Aber es geht darum, auch wieder aufzustehen. Wir haben eine Late Night Show, sechs Folgen haben wir jetzt einmal schon im Kasten. Wir laden jeweils drei Menschen ein, die ein kleineres oder größeres „Fuck Up“ in ihrem Leben hatten.
Das kann ein Business-Fuck Up genauso sein wie ein Startup-Unternehmen oder Großunternehmen, die irgendwie in die Insolvenz geschlittert sind. Das können Menschen sein, die Schmerzpatienten waren über Jahre, das können Leute sein, die ein Burnout hatten oder Menschen, die in den Alkoholismus geschlittert sind. Oder Menschen, die in eine Behinderung gestoßen wurden durch einen Schicksalsschlag. All denen ist gemeinsam, die sind wieder aufgestanden. Die haben wieder Schwung geholt und ihr Leben dann mit Frohmut fortgesetzt. Das ist sehr berührend für mich, was da in die Wohnzimmer kam.
Alles klar. Das heißt, es geht nicht nur ums Scheitern, sondern auch darum, wie man wieder auf die Beine kommt. Wie hast du diese Leute gefunden und wie hast du sie überzeugt, das Ganze auch vor der Kamera zu erzählen?
Wir sind ein ganzes Puls 4-Team natürlich, das hier engagiert ist. Wir haben das öffentlich beworben, wenn man so will. Wir haben öffentlich auf Social Media-Kanälen und über die Kanäle von Puls 4 verkündet, dass wir dieses Vorhaben geplant haben und wenn du ein „Fuck Up“ hast und du bereit bist, das auch zu teilen mit der Öffentlichkeit, dann melde dich. Dazu haben wir Castings gemacht. Das ist auch eine große Aufgabe: Wir haben uns auch lange darüber unterhalten, weil natürlich jeder sagt, wir zeigen ja nur Leute, die wieder aufgestanden sind. Ja, das stimmt, aber ich fände es auch falsch, zu sagen, so, und das ist jetzt der August und der ist Alkoholiker. Der ist mittendrin, schaut’s zu.
Wir wollen nicht den Voyeurismus befeuern, das können andere besser. Wir wollen Geschichten aus dem echten Leben erzählen, die aber auch sowas wie eine Zuversicht verkünden. Jeder von uns hat Fuck Ups, der eine ein größeres, der andere ein kleineres. Aber: Unser Leben ist in Brüchen unterwegs, und wir sagen, wir stiften Zuversicht. Das ist nicht immer einfach, aber es finden sich immer Wege.
Du hast viele unterschiedliche Personen und Storys kennengelernt. Was haben die am Ende trotzdem alle gemeinsam? Gibt es einen roten Faden?
Ja, es gibt den roten Faden, dass sie in die Scheiße hinein gewachsen sind, wenn man das so derb sagen darf. Ich glaube, dass es die meisten auch so empfunden haben. Was ist jetzt das hier? Ein Beispiel: Ein Songcontest-Star aus Österreich, der gedacht hat, er ist jetzt der große internationale Star – und dann kam der völlige Absturz. Selbstmord des Vaters, Karriere hin. Wilde Geschichten. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie wieder aufgestanden sind. Sie sind an irgendeinem Punkt ihres Desasters in eine neue Kraft gekommen, in eine Zuversicht. Ja, ich kann das schaffen. Viele haben auch Hilfe angenommen. Vor allem auch wieder den Glauben an sich selbst gefunden.
Und schlussendlich stehen sie jetzt wieder voll im Leben. Klar, da wird es Rückschläge geben, da wird es Schmerzen geben, da wird es Wunden geben, die auch wieder aufbrechen können. Aber: Ich habe bei allen das Gefühl, wir können was lernen, sie können uns Kraft vermitteln und dieses Mindset. Es ist nie zu spät, wieder aufzustehen.
Woher kommt die Inspiration zu dieser TV-Show? Bekannt sind ja nicht nur in Österreich die Fuck Up-Nights, bei der Gründer über ihr Scheitern sprechen.
Das [die Fuck Up Nights, Anm.] war eine Quelle der Inspiration. Diese weltweite Bewegung an Fuck Up Nights gibt es in ganz vielen Städten. Dort aber stark fokussiert auf dieses unternehmerische Thema. Wir haben bewusst gesagt, wir wollen nicht nur unternehmerische Geschichten. Ja, die sind ein wichtiger Ausschnitt in der Familie der Fuck Ups, jedenfalls ein prominentes Mitglied. Aber auch jeder von uns kann anknüpfen. Ein Beispiel: Ein Alkoholiker kommt auf Besuch. Und er ist immer noch Alkoholiker, das bleibst du ja ein Leben lang. Er ist aber halt trocken jetzt. Er war Polizist, Alkoholiker und dass wars dann aber auch mit dem Job. Dann ist die Ehe in die Brüche gegangen.
Heute ist er trockener Alkoholiker und wieder mit der Frau zusammen, die er damals verlassen musste. Und er ist Kabarettist. Also berührend, die Geschichte. Wir glauben einfach, dass es wichtig ist, sämtliche Lebensfelder hier auch vor dem Vorhang zu bitten – und nicht nur Unternehmer. Es ist die Rückseite dieser gehypten Startup-Kultur. Ich finde es gut, dass dieses Thema so gut in die österreichische Gesellschaft eingeführt worden ist. Aber alles kann man auch übertreiben, wir müssen auch die anderen Seiten zeigen. Scheitern ist Teil des Lebens. Wir wollten über das Leben reden – und das machen wir.
Du bist selbst bei einem Startup beteiligt, story.one. Wie geht es diesem Startup während der Coronakrise? Was tut sich da?
Das geht durch die Decke, das ist ganz lustig. Ich bin ja ein kleiner Tausendfüssler und es hat mir schon einige Beine rasiert jetzt, ja. Abgeschlagen durch die Coronakrise, wenn man so will. Wie viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer hab ich viel Umsatz verloren. Ich hab immer mit Leuten gearbeitet, Konferenzen, Kleingruppen – das ist alles weg, über Monate. Das ist hart und ich fühle damit allen Ein-Personen-Unternehmen, KMUs, auch großen Betrieben mit. Das ist brutal, was da vielen Unternehmen derzeit passiert. Natürlich auch die vielen Hunderttausend Arbeitslosen. Jeder einzelne Fall ist hier ein Fuck Up, wo ich hoffe, dass diese Menschen möglichst rasch wieder aufstehen können.
So hatte ich aber auch mehr Zeit für story.one. Dort geht es tatsächlich durch die Decke. Wir bauen hier eine Story-Plattform, Geschichten aus dem echten Leben, und jetzt haben wir echt Geschichten zu erzählen. Gleich am Anfang der Krise wollten wir wissen, was sind eure Geschichten. Und da kamen innerhalb von Tagen hunderte Geschichten, wir haben jetzt rund 800 Geschichten da, alleine in diesem Segment. Eine Geschichte ging durch die Decke und wurde 1,7 Millionen Mal gelesen – innerhalb von fünf Tagen. Wir haben da wahnsinnigen Zuspruch und arbeiten Tag und Nacht, damit unser System das auch aushalten kann. Wir nutzen die Chance auch, weil wir das Gefühl haben, wir können hier was Sinnvolles stiften, nämlich ein digitales Lagerfeuer. Geschichten erzählen macht die Menschen froh. Wir haben auch ein erstes Corona-Buch gemacht schon, das ist schon auf Platz 5 der Bestsellerliste in Österreich. Das ist natürlich großartig. also das ist herzerwärmend, was da passiert, diese ganzen Geschichten. Ich bin selbst auch an einem neuen Buch dran, kommt in zwei Wochen.
Coronakrise ist wahrscheinlich der Fuck Up des Jahrzehnts, wahrscheinlich des Jahrhunderts. Wie geht die Geschichte aus, was glaubst du? Kriegt Österreich die Kurve?
Es wird tausende Insolvenzen geben. Da muss man ehrlich sein. Jetzt kann man sagen, Insolvenzen gibt es immer, es wird aber natürlich viel mehr geben. Das wird uns schon noch allen viel abverlangen. Es wird hunderttausende zusätzliche Arbeitslose geben und es wird keine V-Shape-Rezession sein. Es wird nicht diesen 15. Juni oder 15. September geben, wo es heißt, jetzt geht es wieder voll los. Wir werden aus dieser Krise hinauswachsen und ja, die Zeit nach Corona, die wird schrittweise kommen. Sie wird eine Aufbruchszeit sein. Spring Time vielleicht hoffentlich schon im Herbst. Da wird ganz viel Neues aufblühen. Das ist eine riesige Chance natürlich auch für ganz viele.
Und natürlich werden wir auch Wunden lecken. Wir werden manches und auch manche verloren haben. Das wird ein tiefer Einschnitt in vielen Lebensläufen sein und gleichzeitig wird sehr viel Gutes wachsen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Und die Hoffnung ist, dass ganz viele von den Unternehmen, die jetzt in die Insolvenz schlittern oder die sich stilllegen müssen mit Kurzarbeit, dass die dann wieder in die Blüte kommen. Weil – und davon bin ich schon überzeugt – Wirtschaft sind wir alle. Das ist nicht nur ein Werbespruch. Wir brauchen eine funktionierende Wirtschaft. Hoffentlich hören sich aber manche Schwachsinnigkeiten auf. Casino-Kapitalismus brauchen wir nicht. Und die ganzen Kriegsgewinnler brauchen wir auch nicht, die versuchen, da Geschäft zu machen mit der Krise. Aber wir brauchen eine funktionierende Wirtschaft, weil sonst wird es auch keine funktionierenden Krankenhäuser geben.
Die Coronakrise, wenn sie dann irgendwann bewältigt ist, die würde ja dann auch die Möglichkeit geben, die „Fuck Up Show Teil 2“ zu machen – das würde sich dann ja anbieten.
Genau. Also im Moment ist ja Drehverbot, du darfst nur drehen, wenn du quasi eine krisenrelevante Geschichte bist. Das wären wir eigentlich eh fast. Aber eigentlich kannst du nur News drehen im Moment und alle anderen Geschichten sind auf Eis. Wenn wir viel Zuspruch haben, dann werden wir nach dieser Krise eine Fortsetzung machen. Schauen wir mal, schön wärs.