Meditation im Business: „Wir sind keine Roboter, die nur am Wochenende Mensch sein dürfen“
Es ist ein großzügiges, helles Loft mit einem Aufzug wie in einem Film über New York. Es riecht angenehm, der Pölster auf dem Holzboden laden dazu ein, sich gleich mal niederzulassen, und das vielleicht Beste an der ganzen Sache: Das Meditationsstudio kommt ohne Kitsch und Esoterik aus. Mittendrin sitzt Jürgen Liechtenecker (44), der jahrelang mit seiner Frau die Wiener Digitalagentur Liechtenecker mit angeschlossenem Innovations-Lab führte. Die Agentur ist immer noch Teil seines Arbeitslebens (sie ist nur einen Stock unter dem Studio), doch die neue Mission von Liechtenecker heißt Meditation.
“Wir sind Sklaven unserer Ego-Konstrukte. Mit Hilfe von Mediation kann man ein Beobachter werden, der nicht mehr vom eigenen Ego gesteuert ist”, sagt Liechtenecker heute. Er hat in den letzten Jahren viele Management-Trainings, Team-Buildings, System-Coachings, und Design-Thinking-Workshops gemacht und irgendeinmal bemerkt: “Bei der digitalen Transformation geht es auch um die menschliche Transformation.”
„Wir sind keine Roboter“
Deswegen hat er sich zum Meditations-Trainer ausbilden lassen und firmiert jetzt unter dem Namen Goldschwarz in dem geräumigen Studio. Es liegt im Innenhofgebäude des historischen Geschäftsbautes Bothe & Ehrmann im dritten Wiener Bezirk. Das Ziel: Liechtenecker will Meditation im Business-Umfeld anbieten, weil da gebe es „oft das größte Spannungsfeld“. Sowohl in One-to-One-Sessions als auch in Gruppen will er seine Gäste zu innerer Ruhe, Fokus und Bewusstsein führen und bei der Stressbewältigung helfen.
“Wir sind keine Roboter, die unter der Woche zu funktionieren haben und nur am Wochenende Menschen sein dürfen. Meditation und Achtsamkeit sind super Tools, um zu den Emotionen zu kommen, auch in Teams”, sagt Liechtenenecker.
Der Trend zur „Mindfulness“
Er schlägt damit in eine Kerbe, die gerade in der Digitalbranche immer gefragter ist. Der Trend heißt „Mindfulness“ (Achtsamkeit) und gilt etwa unter Managern als Weg, besser mit dem stressigen Arbeitsalltag umzugehen.
Die App Headspace (Trending Topics berichtete) etwa ist populär und kann in manchen Ländern in Kombination mit einem Spotify-Abo genutzt werden. Ihr Macher Andy Puddicombe will den Nutzern mit täglichen Audio-Einheiten das Meditieren beibringen. Das ist mittlerweile ein gutes Geschäft: Im Sommer diesen Jahres erhielt Headspace satte 37 Millionen Dollar Investment.
„Das Ganze darf nicht zu spirituell sein“
Ums Geschäft geht es Liechtenecker weniger, er sieht sich eher auf einer Mission, anderen seine neue Leidenschaft näherzubringen. Bedarf und erhöhtes Interesse an dem Thema sieht er jedenfalls. “Ich glaube, dass ein neues Zeitalter kommt, in dem unser Ego nicht mehr so laut ist wie in den letzten Jahrzehnten”, sagt Liechtenecker.
Genauso, wie er sich selbst keine Versprechungen machen will, will er auch seinen Kunden nichts versprechen. “Ich kann keine Versprechen geben, wie man sich verändert. Es kann genauso sein, dass sich ein Mensch gar nicht verändert”, sagt er. Was man sich jedenfalls nicht erwarten darf, ist, dass man bei Goldschwarz einfach nur mit geschlossenen Augen herum sitzt und versucht, die Gedanken zu vertreiben. “Ich finde einfaches Sitzen und Atmen oft nicht hilfreich, weil das viele überfordert, weil es eh schon so laut um uns herum ist. Ich bin ein Freund von sehr dynamischen Techniken, erst danach kommt die Ruhe.”
Ob Goldschwarz von Kunden angenommen wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Liechtenecker bleibt bescheiden. “Ich erwarte mir nichts davon. Wenn es nicht erfolgreich ist und hie und da ein paar Leute vorbei kommen, ist das auch ok.” Wichtig wäre ihm jedenfalls eines: “Man muss aufpassen, dass das Ganze nicht zu spirituell wird, weil das viele abschreckt.”