Bernadette Frech: „Mental Health ist eine Superpower“

Dr. Bernadette Frech ist CEO von Instahelp, einer Digital-Plattform, die psychologische Beratung online anbietet. Im Interview verrät sie, wie Gründer:innen am besten auf ihre mentale Gesundheit achten können und welche Veränderungen sie sich in diesem Bereich wünscht.
Was sind die Top drei Dinge, die Gründer:innen niemals aus den Augen verlieren sollten, egal wie herausfordernd ihr Alltag auch sein mag?
Bernadette Frech: Als erstes, ganz klar: Die eigene mentale Gesundheit – Gründer:innen sind absolute High Performer, die unter Druck stehen und in einem unsicheren (finanziellen) Umfeld Unternehmen entwickeln. Mental Health ist dabei das Fundament für alles, was wir als Gründer:innen aufbauen. Ähnlich wie im Sport: Wenn wir uns dauerhaft überfordern, leidet nicht nur die eigene Leistung, sondern das gesamte Umfeld. Selbstreflexion, Pausen und Selbstfürsorge sind klare unternehmerische Stärken.
Die Vision und die Werte des Unternehmens sollte man auch nie aus den Augen verlieren. Inmitten des Chaos hilft die Vision, fokussiert zu bleiben und Entscheidungen authentisch zu treffen. Der eigene Reason Why hilft durchzuhalten. Und zuletzt ein starkes Netzwerk – Menschen, die hinter einem stehen. Ob Mentor:innen, Freund:innen oder andere Gründer:innen – sich gegenseitig zu unterstützen, gibt Kraft und hilft, durch Höhen und Tiefen zu gehen, ohne sich selbst zu verlieren.
Was sind die frühen Warnzeichen für Stress oder Burnout und wie geht man im besten Fall damit um, bevor sie sich verstärken?
Typische Anzeichen für zu viel Stress oder ein nahendes Burnout sind häufige Erschöpfung, Schlafprobleme und das Gefühl, ständig unter Strom zu stehen. Manche erleben auch Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme oder körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen und Verspannungen.
Hier heißt es, auf die Bremse zu treten, bevor die Belastung noch größer wird. Regelmäßige Pausen, achtsame Momente und Gespräche mit anderen können eine große Hilfe sein. Wenn sich die Situation nicht mehr allein bewältigen lässt, sollte man sich psychologische Unterstützung holen.
Eine globale Umfrage vom Startup Snapshot (Oktober 2023) zeigt: 72 % der Gründer:innen haben mit psychischen Problemen zu kämpfen, 37 % leiden unter Angstzuständen, Burnout-Symptomen (36 %) oder Panikattacken (10 %). Stimmen die Ergebnisse mit deinen Erfahrungen überein?
Diese Ergebnisse spiegeln das wider, was ich täglich in der Startup-Welt erlebe. Das Leben als Gründer:in ist fordernd, und viele kämpfen mit einem enormen Druck und der ständigen Erwartung, immer weiterzumachen. Angstzustände, Burnout und Panikattacken sind leider keine Seltenheit. Ich sehe immer wieder, wie es vielen schwerfällt, eine Balance zu finden, besonders in stressigen Phasen.
Was wären deine konkreten Ratschläge in diesen Fällen?
Baby-Steps nehmen. Der erste Schritt ist dabei ganz klar: reflektieren und sich dafür bewusst und regelmäßig im Kalender Zeit eintragen. Der nächste Schritt: darüber reden. Oft reicht es schon, die eigenen Belastungen auszusprechen, um erste Erleichterung zu spüren. Manchmal brauchen wir auch eine:n neutrale:n Sparringspartner:in, um Themen professionell aufzuarbeiten und Handlungsstrategien für den Alltag zu entwickeln.
Du bist selbst Gründerin und CEO eines erfolgreichen österreichischen Startups. Wie pflegst du deine mentale Gesundheit und auf welche Strategien setzt du?
Meine wöchentliche Session mit einer Instahelp-Psychologin ist für mich ein absoluter Anker im Alltag. Diese feste Zeit nur für mich hilft mir, meine Gedanken zu ordnen und gelassener zu bleiben. Außerdem setze ich bewusst auf regelmäßige Pausen und Zeit mit meinen Kindern – das erdet mich und hilft mir, die Welt manchmal auch durch ihre Augen zu sehen.
Gibt es aktuelle Trends im Bereich mentale Gesundheit, die dir entweder Sorgen bereiten oder die du als positiv erachtest?
Was mir Sorgen bereitet, ist die steigende mentale Belastung bei Kindern und Jugendlichen. Auch das Thema „Mental Load“ bei Eltern besorgt mich – die Verantwortung, alles gleichzeitig schaffen zu müssen – eine große Herausforderung. Sensibilität als Stärke zu sehen, fällt vielen schwer. Unser Investor Toto Wolff sagt es treffend: „Mental Health ist eine Superpower!“ Diese Einstellung brauchen wir noch viel mehr.
Positiv ist, dass immer mehr Menschen sich trauen, über ihre mentale Gesundheit zu sprechen und Unterstützung zu holen. Bei Instahelp erleben wir, wie das Stigma bröckelt. Gerade Männer, die sich traditionell weniger oft Hilfe suchen, finden durch unser Beratungsangebot leichter Zugang. Zudem ist Österreich gerade Vorreiter, denn seit Jänner gibt es einen Kostenzuschuss für die psychologische Behandlung online.
Welche Veränderungen würdest du dir wünschen, damit Gründer:innen in den kommenden Jahren besser mit ihrer mentalen Gesundheit umgehen?
Ich wünsche mir, dass Gründer:innen erkennen, wie wichtig es ist, auf ihre eigene Gesundheit zu achten – und dass der Mythos vom „unermüdlichen“ Gründer endlich aufhört. Die Realität ist, dass Gründer:innen oft alles andere als „cool und lässig“ sind. Es ist harte Arbeit, die viel abverlangt.
Wenn wir auf Dauer erfolgreich und gesund bleiben wollen, müssen wir lernen, auch mal den Druck rauszunehmen, Pausen zu machen und uns Unterstützung zu holen.
Dieser Artikel ist bereits im Trending Topics Founders Guide 2025 erschienen. Das komplette Magazin findest du hier.
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