Michael Altrichter: „Wir wollen den VC-Fonds in vier bis sechs Wochen operativ haben“
150 Millionen Euro – so viel Geld sollen die Maßnahmen des heute präsentierten Rettungsschirms der österreichischen Regierung Startups in der Krise bringen. 50 Millionen kommen über Zuschüsse vom Staat, und diese zusammen mit staatlichen Garantien sollen weitere 100 Millionen von Privatinvestoren hebeln (mehr dazu hier).
Einer, der dieses Paket wie auch viele weitere Initiativen maßgeblich vorantreibt, ist der Business Angel Michael Altrichter. Er ist der neue Startup-Beauftragte der Bundesregierung und arbeitet ehrenamtlich mit einem Komitee (u.a. Markus Raunig von Austrian Startups, Werner Wutscher von der aaia oder Lisa Fassl von aaia/Female Founders) an diesen wie künftigen Initiativen.
Im Interview gibt Altrichter Einblick in das neue Hilfspaket und seine Tätigkeit als Startup-Beauftragter:
Trending Topics: Wie funktioniert das Startup-Hilfspaket?
Michael Altrichter: Die Regierung hat in den letzten Wochen schon sehr viele Pakete für die Wirtschaft in einer richtigen Hauruck-Aktion auf den Weg gebracht. Wir haben das Feedback aus der Branche: Viele Dinge eignen sich nicht 1:1 für Startup. Deswegen war es wichtig, dass wir heute ein Paket verabschiedet haben, das tatsächlich zugeschnitten ist auf die Startups, die ja bis jetzt leider ein bisschen durch den Rost gefallen sind.
Im Wesentlichen gibt es zwei Maßnahmen: Das eine ist der COVID-Hilfsfond in der Höhe von 100 Millionen. Das ist ein Zuschuss. Wenn ein Startup Eigenmittel oder Eigenmittel-ähnliches Geld aufstellt, wird es vom Staat verdoppelt. Zwischen 10.000 und 800.000 Euro können verdoppelt werden. Dieser Zuschuss hat bestimmte Rückzahlungsbedingungen, die werden nächste Woche veröffentlicht. Ab Mitte nächster Woche kann man auf der Webseite der aws um diesen Zuschuss ansuchen.
Die zweite wesentliche Maßnahme: es wird ein eigener VC-Fonds aufgestellt, ich würde sagen in affenartiger Geschwindigkeit. Wir rechnen damit, dass wir diesen Fonds in den nächsten zwei bis vier Wochen aufstellen können, er wird nächste Woche ausgeschrieben. Der Fonds soll die Höhe von 50 Millionen Euro haben und private Gelder einsammeln. Das Besondere daran ist, dass von einem möglichen Verlust des Fonds 50 Prozent abgedeckt werden. Daher hoffen wir, dass ein solcher Fonds sehr rasch geraised werden kann. Normalerweise dauert so etwas Monate. Wir aber wollen diesen Fonds in vier bis sechs Wochen operativ haben.
Der COVID-19-Hilfsfonds besteht in erster Linie aus Zuschüssen. Wie funktioniert das genau?
Man braucht Eigenkapital oder Eigenkapital-ähnliches Geld. Das kann auch Geld aus Crowdinvesting oder ein Wandeldarlehen sein, es muss frisches Geld sein. Als Startup reicht man dann online bei der aws ein, und innerhalb kürzester Zeit soll man auch eine Zusage kommen oder eben die Aufforderung, weitere Unterlagen einzureichen.
Diese Maßnahme ist eine sehr rasche und und breitenwirksame Maßnahme. Jedes Startup, dass jetzt Geld aufstellt oder aufstellen muss, kann sich bewerben.
Für welche Startups kommen die Zuschüsse in Frage?
Der COVID-19-Hilfsfonds ist wirklich sehr breit angelegt, das Geld soll in wenigen Tagen genehmigt werden und fließen. Bei der zweiten Maßnahme, dem Venture-Capital-Fonds, wird es natürlich wie üblich eine Selektion geben, da wird ein Investment-Komitee über jedes einzelne Investment entscheiden. Das ist man ohnehin aus der Branche gewohnt.
Wie wird dieser Fonds aussehen? Kommt ein Teil des Geldes von der öffentlichen Hand und der andere Teil von Privatinvestoren?
Nein, Vorsicht. Der VC-Fonds ist reines privates Geld, wo ein möglicher Verlust zur Hälfte vom Staat garantiert wird. Der VC-Fonds wird von Privatinvestoren gespeist, bis zu 50 Millionen Euro soll er groß sein. Mögliche Verluste werden vom Staat zu 50 Prozent übernommen. Da fließt also vorab kein Geld vom Staat.
Wo können diese 50 Millionen Euro herkommen? Sind das die üblichen Verdächtigen wie Speedinvest und Co, die dieses Geld raisen sollen?
Der Fonds wird Mitte nächster Woche auf der Webseite der aws öffentlich ausgeschrieben. Dann gibt es eine zweiwöchige Bewerbungsfrist. Da kann sich jeder, der einen Track Record beim Betreiben und Aufstellen eines VC-Fonds bewerben. Dann wird eine Management-Gesellschaft ausgewählt, diesen Fonds zu raisen und zu managen und die Investments durchzuführen.
Ich gehe davon aus, dass die üblichen Verdächtigen aus der Szene Interesse an diesem Fonds haben, weil eben die Verluste zu 50 Prozent vom Staat abgedeckt werden. Das ist eigentlich ein Nobrainer. Zusätzlich ist es unser aller Pflicht, in der Krise nicht kalte Füße zu bekommen und weiter die gesamte Szene zu unterstützen.
Wenn diese 150 Millionen tatsächlich zusammenkommen. Es klingt nach viel Geld, ist es auch genug? Ist das die Größenordnung, die Österreich braucht?
Das sind jetzt einmal zwei rasche Pakete. Ich gehe davon aus, dass es noch weitere Konjunktur-Maßnahmen gibt. Für die österreichische Startup-Szene ist das einmal ein sehr sehr guter Weg, um das ärgste der Krise zu überstehen. Das ist eine ganz passende Größenordnung. Schauen wir in den nächsten Wochen und Monaten, wie stark die Szene tatsächlich betroffen ist und wie viele Hilfsmaßnahmen es dann noch brauchen wird.
Wie viele Startups sind betroffen, und wie viele kann man mit 150 Millionen retten?
Die Betroffenheit ist unterschiedlich. Manche Startups haben sogar Aufwind, wenn ich nur an eyeson mit ihrer Video-Conferencing-Software aus Graz denke. Es gibt einige wenige, die in der Krise profitieren. Der Großteil der Startups aber leidet und hat es erwischt.
Meine Sorge gilt der gesamten Branche. Jetzt haben wir in den letzten zehn, zwölf Jahren eine veritable Startup- und Business-Angel-Szene aufgebaut. Wir sind gerade mal an der internationalen Bedeutungsschwelle angelangt, und die Krise könnte die gesamte Branche so schwer erschüttern, dass sie sich danach gar nicht erholt, dass das Vertrauen der Investoren gar nicht mehr zurück kommt, dass viele Gründer und Startups abwandern, wenn wir jetzt nicht die gesamte Branche durch die Krise bringen.
Das wird auch deine Aufgabe als neuer Startup-Beauftragter der Bundesregierung sein. Skizziere uns bitte, was deine neuen Aufgaben sind.
Zunächst einmal: Es ist eine ehrenamtliche Aufgabe, die ich sehr gerne übernehme. Ich sehe mich als neutrales Sprachrohr in dem Spannungsfeld zwischen Gründerinnen und Gründern, Investoren, der Regierung und der Öffentlichkeit. Da gilt es für mich, den Startup- und Innovations-Standort zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die Maßnahmen, die im Regierungsprogramm festgeschrieben wurden, auch zügig umzusetzen.
Es geht auf der anderen Seite auch darum, dass Ohr bei den Startups, den Universitäten, allen Stakeholdern zu haben, um immer wieder zu schauen, welche Maßnahmen es braucht und ob die Maßnahmen, die getroffen wurden auch greifen. Es ist wichtig, dass es eine Schnittstelle zwischen Regierung auf der einen und den Privaten auf der anderen Seite gibt.
Ich bin von Bundesministerin Margarete Schramböck gefragt worden, ob ich diese Aufgabe übernehmen will. ich habe kurz vor der Krise gesagt, ja, das finde ich spannend. Dann kam gleich darauf der Lockdown, die gesamte Welt sieht jetzt anders aus. Für mich ist es spannend, weil ich in die kalte Corona-Welle springen musste und jetzt versuche, die ganze Szene gut durch die Krise zu bringen.
Du machst das nicht alleine, du hast ein Komitee zur Seite gestellt bekommen. Wie funktioniert das, und wer ist da mit dabei?
Lisa Fassl, Markus Raunig und Werner Wutscher unterstützen mich im Rahmen des Statup-Komitees tatkräftig, da bin ich ihnen sehr dankbar dafür. Das ist ein sehr gutes Instrument, dass wir nicht eine Einzelperson haben, sondern die ganze Community repräsentieren. Auch von Philipp Kinsky und der AVCO kommt sehr viel Input, also wir versuchen hier wirklich, die gesamte Startup-Szene ins Boot zu holen. Ich habe auch mit Vertretern von Universitäten, mit Business Angels, mit Gründerinnen und Gründern gesprochen. Ich versuche da neben dem Komitee einen Pool an Leuten zusammen zu fassen, um die Lage immer wieder abzuchecken.
Du bist nach wie vor als Business Angel tätig, bei Trending Topics wie bei vielen anderen Startups investiert. Gibt es einen Interessenkonflikt zwischen deiner Rolle als Startup-Beauftragter und deinen anderen Tätigkeiten?
Nein, sehe ich überhaupt nicht. Es geht nicht um eine Bevorteilung von mir als Investor oder von meinen startups. Die Startups meines Portfolios profitieren genauso viel oder wenig von den Maßnahmen wie jedes andere Startup in Österreich. Alle Startups können sich bei der aws bewerben und bekommen einen Zuschuss oder nicht, alle Startups können sich bei dem neuen VC-Fonds bewerben und bekommen das Investment oder auch nicht. Da gibt es natürlich keine Bevorzugung.
Es ist aber wichtig, auch in meinem eigenen Portfolio immer wieder hinein zu hören, genauso wie bei den üblichen Verdächtigen, Oliver Holle, Hansi Hansmann, Markus Ertler, startup300 und viele anderen Institutionen, um Feedback zu bekommen. Um eine Bevorteilung von einzelnen Personen oder Startups geht es hier überhaupt nicht.
Letzte Frage: Nach der Corona-Krise wird es eine ganz dramatische Wirtschaftskrise geben. Wie wird das für Startups wie für viele andere Unternehmen ausgehen?
Wie nach jeder Katastrophe, die kurzfristig sehr heftig und schmerzhaft ist, gibt es einen Neuanfang. Nach jedem Waldbrand beginnen Pflanzen neu zu sprießen, und der Wald entsteht neu. Es wird Gewinner und Verlierer in dieser Krise geben. Technologieunternehmen gehören typischerweise eher zu den Gewinnern gehören, auch wenn man natürlich sagen muss, dass es auch hier Verlierer geben wird.
Nach der Krise sehen wir einen richtigen Digitalisierungsschub. Es hat jetzt wirklich jeder Händler gemerkt, dass man einen Online-Shop braucht. Der Online-Handel ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, jetzt in der Krise sehen wir einen wirklichen Sprung. Videocalls und Home Office sind Standard geworden, und Startups und Jungunternehmer können in der Krise mehr profitieren als es ihnen schadet.
Disclaimer: Michael Altrichter ist auch Investor von Trending Topics.