Investor Michael Kräftner: „Ich möchte anderen Zeit und Geld sparen“
Der CEO des Software-Dienstleisters Celum, Michael Kräftner, will sich mit celianventures als privater Investor für Startups profilieren. Im Gespräch zeigt sich eine leichte Frustration mit Österreichs Politik und der herrschenden „Attitude“. Kräftner sieht aber Potential im Standort Linz. Sich selbst sieht er als konservativer Investor.
Ein Gespräch mit einem Gründer und Investor, der schon viel erreicht hat und nun andere Startups beflügeln will.
Die Kunst ein Frühphaseninvestor zu sein
Trending Topics: Was hat sie motiviert, als privater Investor für Startups aufzutreten? Ihr Unternehmen ist ja einen völlig anderen Weg gegangen.
Michael Kräftner: Celum ist über 15 Jahre in kleinen Schritten und immer mit dem eigenen Geld gewachsen. Wir waren damals quasi ein Anti-Startup. Das ist auch der Zeit der Gründung geschuldet, nämlich der Zeit der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Ich möchte anderen Zeit und Geld ersparen. In meiner Laufbahn habe ich rund 2,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt, aufgrund vermeidbarer Fehlentscheidungen.
TT: Sie wollen mit celianventures kein klassischer Finanzinvestor sein. Wie genau wollen sie Startups unter die Arme greifen?
Kräftner: Wir verstehen uns ganz klar als Frühphaseninvestor. Wir können vor allem am Anfang Hilfestellungen bieten, weil wir eben kein reiner Finanzinvestor sondern ein strategischer Investor sind. Es geht vor allem um aktives Mentoring und das Thema Vertrieb, das viele Jungunternehmer vergessen. Genau dort wollen wir als Corporate Incubator eingreifen. Wir wollen auf lange Sicht ein Ökosystem an angedockten Unternehmen aufbauen.
TT: Wollen Sie mit celianventures nur in jene Bereiche investieren, die mit Celum verwandt sind?
Kräftner: Wir wollen in erster Linie, aber nicht nur, in Themen investieren, die sich im Bereich Web-Plattform und Marketing-Technologie bewegen. Natürlich ist das der Bereich, in dem wir Startups Unterstützung bieten können. Die nächste Kategorie wäre generell Business Software, auch der Bereich Internet of things ist spannend für uns. Dann kommt alles andere. Für uns sind vor allem die Investment- und die Wachstumskomponente eines Startups interessant, weniger die Innovationskomponente. Celum selbst befindet sich gerade in einer Phase der Innovation.
„Wir wollen eine Verbindung schaffen“
TT: Mit wie viel Geld und wie lange wird ein Startup bei celianventures gefördert? Wie viele Projekte wollen Sie fördern?
Kräftner: Unser Ziel ist es, im jetzigen Setup zwei bis drei Investments pro Jahr tätigen zu können. Die Ticketsize wird bei rund 100.000 Euro liegen, so viel wollen wir pro Startup investieren. Weniger ist auch möglich, aber ein Investment unter 50.000 Euro ist unserer Meinung nach nicht sinnvoll. Die durchschnittliche Residenzzeit eines Startups wird – mit Förderungen - voraussichtlich bei einem bis eineinhalb Jahren liegen. Dann wird eine weitere Investitionsrunde außerhalb von celianventures nötig sein.
TT: Sie haben Ihre Tätigkeit als Investor vor knapp einem Jahr ins Leben gerufen. Wann wird das erste Projekt präsentiert?
Kräftner: Das erste Projekt, das im Rahmen von celianventures gefördert wird, ist ein Spin-off von Celum. Mit dem Release ist Anfang 2017 zu rechnen. Contidio ist eine Plattform für Contentmarketing. Wir wollen dort Medienunternehmen und Firmen, die Brand-orientiert sind, zusammenbringen. Medien sollen ihre Inhalte sekundär verwerten können, Unternehmen Zugriff auf hochwertigen Content haben. Wir wollen da eine Verbindung schaffen. Wir glauben, dass Content etwas wert ist und wieder etwas kosten darf. Zunächst wurden 300.000 Euro in die Plattform investiert. Das ist ein sehr großes Ticket und eine große Anstrengung für uns.
TT: Sie reihen sich in eine überschaubare Gruppe von privaten Investoren in Österreich ein. Warum ist die Szene so klein?
Kräftner: Das liegt an der Politik, die hier keine Maßnahmen setzt. Es wäre an der Zeit, das private Investorentum zu fördern, damit sich ein privater Investitionssektor bilden kann, der den Titel auch verdient. Wir finden das Kapitalverdopplungsprogramm der aws in Wien sehr spannend. Wir versuchen gerade, in das Programm einzusteigen, dafür müssen wir aber noch Referenzen sammeln. Contidio ist unser erstes Referenzprojekt. Auch wenn die Szene klein und von ein paar Leuchtturminvestoren geprägt ist: Das Investorentum in Österreich ist ein Kampf um Aufmerksamkeit.
TT: Die öffentliche Hand setzt stark auf klassische Startup-Förderung. Sehen Sie diese Strategie kritisch?
Kräftner: Es kann nie genug Förderungen geben. Es tut sich viel auf Bundes- und Landesebene. Das ist wichtig, weil es die Lücke ein wenig füllt, die das Fehlen der privaten Investoren hinterlässt. Ohne Förderungen würde es die derzeitige Dynamik nicht geben. Andererseits sagen Jungunternehmer, sie hätten ohnehin so viel Förderung, sie wüssten nicht, wohin mit dem Geld.
Probier’s mal ohne Gemütlichkeit
TT: Ist diese Bequemlichkeit ein grundlegendes Problem in Österreich?
Kräftner: Wir haben uns mit celianventures einige Startups genauer angesehen und gemerkt, dass oft der Biss fehlt. Gründer gehen extrem auf Nummer sicher. Viele haben einen Nebenjob und wollen sich nicht voll auf ihr Projekt einlassen. Ein Startup zu gründen heißt aber auch All-in. Wenn ich daran glaube, dann tue ich es. Das heißt auch, mehrere Jahre lang auf Komfort zu verzichten. Es herrscht eine Kultur des „Angst habens“, viele Studienabgänger suchen Sicherheit in einem Posten im öffentlichen Dienst.
TT: Was erwarten Sie von Jungunternehmern, die ihr Projekt bei celianventures vorstellen?
Kräftner: Mir ist eine gut vorbereitete Präsentation wichtig. Ich möchte, dass sich der potentielle Investee Gedanken darüber macht, vor wem er gerade spricht. Da haben wir schon schlechte Erfahrungen gemacht. Unser Feedback wird von den Gründern sehr geschätzt, auch wenn es zu keinen Investment kommt. Wir können zum Beispiel Risikopotentiale gut abschätzen. Ich rufe Startups dazu auf, nicht feige zu sein und ihr Projekt zu präsentieren.
TT: Was sind – neben der Branche – die Kriterien für ein Investment?
Kräftner: Wir sind aufgrund unserer Genese ein konservativer und sehr kritischer Investor. Bei uns schlägt das solide Denken des Unternehmertums durch. Derzeit herrscht am Markt wieder eine Überhitzung und Überschätzung, die mich an die Dotcom-Blase erinnert. Wir sehen auch viel Selbstüberschätzung bei den Startup-Gründern. Das ist alles ein Attitude-Problem. Ein strategischer Partner oder Investor kann helfen, über solche Makel hinwegzukommen. In einem sich abkühlenden Investitionsumfeld denken wird, dass der konservative Ansatz der richtige ist. Wir sprechen damit auch ein ganz bestimmtes Profil an Startups an.
TT: Sie sind mit Celum weltweit tätig und sind offensichtlich nicht vollends glücklich mit dem österreichischen Markt. Warum halten Sie am Headquarter in Linz fest?
Kräftner: Linz ist durchaus ein attraktiver Standort. Mit der Fachhochschule Hagenberg und der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz gibt es attraktive Ausbildungsstätten in der Region. Wir betreiben auch Forschungskooperationen mit der JKU. Zudem ist die Distanz zu Wien überschaubar. Im Vergleich zu US-amerikanischen Verhältnissen und dem Silicon Valley ist das ein Katzensprung. Linz und Wien sind für mich schon zur Twin City geworden. Leider orientiert sich das Förderwesen in Österreich oft nur bis zur Landesgrenze, für uns sind solche Grenzen nachrangig. Celum wächst und wir werden das Headquarter im kommenden Jahr ausbauen. Der Standort außerhalb der Innenstadt lässt solche Schritte zu, auch wenn die Verbindung mit dem öffentlichen Verkehr zu wünschen übrig lässt. Wir wollen in Pichling auf lange Sicht einen Campus aufbauen.