Interview

Microsoft Österreich CEO: „Das AI-Modell kann sich der Kunde selbst aussuchen“

Hermann Erlach, Microsoft Österreich CEO. © Microsoft
Hermann Erlach, Microsoft Österreich CEO. © Microsoft
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Mit dem riesigen Investment in OpenAI hat Microsoft längere Zeit einen exklusiven Partner für seinen Copilot gehabt. Doch die Zeiten ändern, sich Microsoft sieht sich nun auch im AI-Bereich nunmehr als offene Plattform. Man arbeite mittlerweile mit „fast allen“ relevanten KI-Anbietern zusammen, weil das AI-Modell eine wichtige, aber nicht mehr die einzige Rolle spielt.

So skizziert Hermann Erlach, General Manager Microsoft Österreich, die aktuelle Strategie des Software-Riesen aus Redmond, im aktuellen AI Talk-Podcast, der hier zu finden ist. Hierzulande will Microsoft ab der zweiten Jahreshälfte mit der kommenden Cloud-Region Österreich punkten – mehr dazu im Interview.

Trending Topics: Herr Erlach, Sie leiten seit über drei Jahren die Geschicke von Microsoft in Österreich. Kürzlich hat Microsoft die AI Innovation Factory in Österreich gestartet. Worum geht es dabei genau?

Hermann Erlach: Wir haben nicht nur die AI Innovation Factory in Österreich gelauncht, sondern auch mit der AI Tour vor zwei Wochen eines der größten Events zum Thema KI in Österreich durchgeführt. Die AI Innovation Factory ist eine zentrale Plattform für uns, auf der Innovation gemeinsam mit vielen Partnern passieren soll. Es geht darum, konkrete Use Cases und Anwendungsfälle zu diskutieren und von der generischen KI-Diskussion zu konkreten Beispielen zu kommen. Es freut mich festzustellen, dass in Österreich sehr viele tolle Innovationsprojekte stattfinden, besonders im Bereich der Großunternehmen, die auch weltweit Beachtung finden.

Welche konkreten Use Cases setzen österreichische Unternehmen bereits um?

Wir sehen Beispiele durch alle Branchen. Im Manufacturing-Bereich arbeiten Unternehmen wie Andritz und AVL an innovativen Szenarien. Im Banken- und Versicherungsbereich wird besonders das Thema Kundenservice adressiert. Ein schönes Beispiel ist auch Spar, wo die Lebensmittelplanung und die Frische in den Stores durch KI optimiert werden, wodurch weniger weggeworfen werden muss. Das sind Cases, die aktuell in Österreich laufen und zeigen, was möglich ist.

Arbeiten diese Unternehmen primär mit OpenAI-Modellen?

Wir sind eine offene Plattform und stellen unterschiedlichste Modelle zur Verfügung. Die Idee ist, dass wir eine Basisplattform anbieten, die Prozesse End-to-End laufen lässt, aber das Modell kann sich der Kunde selbst aussuchen. Wir rechnen auch mit wesentlich mehr industriespezifischen Modellen, die auf unserer Plattform laufen werden, auch mit kleineren Modellen.

Mit welchen anderen KI-Playern arbeitet Microsoft neben OpenAI zusammen?

Mit fast allen, die relevant sind. Wir suchen auch nach weiteren Möglichkeiten und arbeiten mit europäischen Anbietern zusammen. Die Diskussion war bisher sehr modellzentriert, geht aber zunehmend in Richtung sicherer und verlässlicher End-to-End-Prozesse. Dabei spielt das Modell eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle.

Im November 2023, zu Beginn des KI-Booms, wurden zweistellige Milliardenbeträge als Investments angekündigt. Wie hat sich das operativ ausgewirkt? Wie ist der Uptake von Copilot im Vergleich zu Azure AI?

Die Entwicklung ist rasant, es tut sich fast jede Woche etwas Neues. Was richtig ist: Wir investieren massiv in Infrastruktur als Basis für KI, auch in Europa. Im Sommer werden wir unsere Datencenter-Region in der Nähe von Wien freischalten. Aber KI ist nicht nur Infrastruktur. Es geht auch um Dateninfrastruktur und um eine Lernkultur, also Skills der Mitarbeiter.

Wir sehen drei Ebenen von KI:

  1. Everyday AI – klassische Büroautomatisierung wie Übersetzungen, Zusammenfassungen von Teams-Meetings
  2. Prozessüberarbeitung – hier ändern sich tatsächlich Prozesse, sie werden vereinfacht und automatisiert
  3. Innovationsentwicklung – Entwicklung von neuen Materialien, Werkstoffen, Medikamenten auf Basis von Rechenzentrum-Infrastruktur

Wie kann man sich die Cloud-Region Österreich in der Praxis vorstellen? Werden dort die KI-Modelle lokal installiert?

Es ist etwas komplexer. Wir haben in eine der modernsten Infrastrukturen weltweit investiert, die zu 100 Prozent mit grünem Strom aus Österreich betrieben wird. In diesem Datencenter gibt es unterschiedliche Workloads, sogenannte Service-Offerings. Nicht alle High-End-Services sind von Anfang an verfügbar, da muss auch der entsprechende Marktbedarf vorhanden sein. Wir entwickeln diese Service-Offerings über die Zeit, und da wird sehr viel aus Österreich verfügbar sein.

Sehen Sie bestimmte Branchen oder Unternehmensfunktionen, die bei der Nutzung von Copilot besonders hervorstechen?

Ich würde keinen Trend über Industrien ableiten. Es hat eher mit der Führungskultur und der Lernkultur des Unternehmens zu tun. KI muss Chefsache werden, und da sieht man, dass Unternehmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in das Thema einsteigen. Die Everyday-KI passiert sowieso – Mitarbeiter finden schnell heraus, was ihnen hilft.

Die Erfahrungen beim Ausrollen von Copilot sind durchaus unterschiedlich. Das hängt vom Einführungskonzept, der Lernbereitschaft, dem Trainingskonzept und der IT-Readiness ab. Die Andritz beispielsweise hat Copilot bereits für 50 Prozent ihrer Mitarbeiter ausgerollt. Es hängt stark am Change and Adoption Management und daran, wie gut die Mitarbeiter diese Tools bedienen können.

KI kann Fehler machen. Wenn immer mehr Inhalte mit Copilot generiert werden und sich Fehler einschleichen – wer haftet am Ende?

Wir nennen unsere Software aus gutem Grund Copilot, weil wir an das Human-in-the-Loop-Konzept glauben. Die Tools unterstützen, aber der Mitarbeiter bleibt verantwortlich für das Endergebnis. Wir labeln auch, was KI-unterstützt ist und zeigen die Quellen der Informationen.

Der europäische Kulturkreis erwartet stärker als andere 100% Fehlerfreiheit. Das sehen wir in unserer täglichen Arbeit nicht – jeder macht Fehler. Der Mehrwert und Nutzen stehen im Vordergrund. Mitarbeiter können mit Copilot Dinge erledigen, die sie sonst in der verfügbaren Zeit nicht schaffen könnten.

Es gibt diesen schönen Satz: „Mitarbeiter werden nicht durch KI ersetzt, sondern durch Mitarbeiter, die KI anwenden können.“ KI-Skills werden jetzt für alle wichtig, und wir sehen bereits Stellenanzeigen, in denen Copilot-Wissen als Voraussetzung genannt wird.

Microsoft ist beim Copilot aktuell stark von OpenAI abhängig. Es gibt Gerüchte, dass Microsoft darüber nachdenkt, andere Modelle einzubinden. Können Sie uns Einblicke in die mittelfristige Strategie geben?

Wir verfolgen eine offene Strategie. Als Plattform-Unternehmen sind wir relativ offen und richten uns nach den Bedürfnissen der verschiedenen Märkte weltweit. Grundsätzlich geht es darum, offene Plattformen zu schaffen.

In der Technologiebranche sieht man, wie schnell die Entwicklungen voranschreiten, sei es bei der Energieeinsparung oder bei neuen Chips. Diese Entwicklung von KI kann niemand für die nächsten fünf bis zehn Jahre wirklich vorhersagen, aber sie ist rasant.

Eine wichtige Frage ist, wie der Mittelstand stärker in das KI-Thema einsteigen kann. Wir sind ein Mittelstandsland, und der Mittelstand ist unser Wirtschaftsmotor. Diese Unternehmen haben teilweise weder die Expertise noch die Berater oder das Personal, das tief in dem Thema steckt. Hier sehe ich ein Riesenpotenzial, und wir versuchen mit unseren Skilling-Initiativen und Partnerschaften, auch im Rahmen der AI Innovation Factory, mittelständischen Unternehmen zu helfen, diese Basistechnologie anzuwenden.

AI Talk #18: Microsoft Österreich CEO Hermann Erlach über Copilot, OpenAI & Plattform-Strategie

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