Milliarden fehlen: Wien Energie wegen explodierender Strompreise in „finanzieller Notlage“
Bitterböse Überraschung beim Energiekrisengipfel am Sonntag im Bundeskanzleramt: Da wurde offenbar klar, dass der Wien Energie, einer der größten Versorger für Strom und Gas in Österreich mit 2 Millionen Kund:innen, offenbar Milliarden an Euro fehlen. Weil am Freitag vergangener Woche die Strompreise in Europa noch einmal Richtung 1.000 Euro explodierten, braucht die Wien Energie sehr viel Geld, um dieses als Sicherheiten an den Energiehandelsbörsen zu hinterlegen.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sprach am Sonntag Abend von einer „finanziellen Notlage“. Wie Krone.at und Heute.at berichteten soll es um etwa 1,7 Milliarden Euro gehen, die die Wien Energie nicht alleine stemmen kann. Nun ist die Bundesregierung möglicherweise dazu gezwungen, einen Rettungsschirm zu spannen und mit Milliardenhilfen einzuspringen.
Die Lage an den Energiemärkten ist dramatisch: Der Strompreis ist aufgrund hoher Gaspreise nach oben geschossen. Die Wien Energie produziert nur wenig Energie selbst und ist damit großteils von den Großhandelspreisen abhängig. Während diese aber explodiert sind, kommen die Preiserhöhungen für die Endkonsument:innen erst ab September an. Daraus ergibt sich aktuell nun offenbar ein massives Cash-Delta. So etwa wird sich der Fernwärmepreis mit plus 92 Prozent in etwa verdoppeln, bei E-Ladestationen in Wien ist ab 1. September mit 55 Prozent an Mehrkosten zu rechnen (Trending Topics berichtete).
„Die Sicherheiten kommen zurück“
Beim Energieversorger versucht man zu beruhigen. „Nein, Wien Energie ist nicht insolvent/pleite. Um Versorgung der Kund*innen sicherzustellen, führt Wien Energie Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch. Dabei muss das Unternehmen – wie alle Börsenteilnehmer – Sicherheitsleistungen hinterlegen“, heißt es in einem Statement. „Aufgrund des am Freitag abermals europaweit explodierten Strompreises steigen diese erforderlichen Sicherheitsleistungen unvorhergesehen an. Die Sicherheiten kommen zurück, sobald die Handelsgeschäfte abgewickelt werden.“ Man sei ein solides Unternehmen mit „mit bester Bonität“.
Der Schritt, nun an den Bund um Hilfen heranzutreten, ist nur der letzte Schritt in der Krise. „Die Stadt Wien soll in den vergangenen Wochen mit einer milliardenschweren Garantie schon ausgeholfen haben, kommt aber nun an ihre Grenzen“, schreibt Krone.at.
Gaspreis treibt den Strompreis nach oben
Mitschuld an der Misere ist wohl das so genannte Merit-Order-Prinzip an den Energiemärkten. Da funktioniert die Preisbildung so: In der Einsatzreihenfolge werden zuerst Kraftwerke, die billig Strom produzieren, herangezogen; Das sind etwa Windkraftanlagen oder Wasserkraft. Doch letztendlich richtet sich der Strompreis nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk. Und das sind derzeit wegen der hohen Gaspreise Gaskraftwerke. Viele fordern deswegen ein Aussetzen des Merit-Order-Prinzips, um den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln.
Die Notlage der Wien Energie – Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke und Wien Energie-Chef Michael Strebl waren am Sonntag im Bundeskanzleramt – hat auch sofort die politischen Gegner der Wiener SPÖ aufgebracht. Die Wiener ÖVP fordert am Montag vormittag in einer Pressekonferenz „Aufklärung und politische Konsequenzen“ in dem ihrer Meinung nach „Finanzskandal“, die Wiener FPÖ fordert „umfangreiche personelle Konsequenzen im gesamten Moloch der SPÖ-Wien“.
„Wenn es tatsächlich stimmt, dass die Stadt Wien schon in der Vergangenheit dem stadteigenen Unternehmen Geld zugeschossen hat, ohne den Gemeinderat darüber zu informieren, dann wird das weitreichende Folgen haben“, heißt es seitens FPÖ Wien. Auch die Wiener Grünen haben zur Pressekonferenz am Montag vormittag eingeladen. Funkstille derzeit noch seitens der beiden Wiener Regierungsparteien SPÖ und NEOS.
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