Mit einem Weltfrauentag als Feiertag ist niemandem geholfen
Feiertage sind in Österreich heilig, und zwar wortwörtlich. Die meisten sind christlich-religiöse Relikte, die sich in den Kalendern auch nicht religiöser und nicht christlicher Österreicher:innen befinden. Auch der „persönliche Feiertag“, eine österreichische Erfindung, hat eine ursprünglich religiöse Herkunft. 2019 wurde der Karfreitag nämlich für Arbeitnehmer:innen evangelischer, methodistischer und altkatholischer Religionszugehörigkeit abgeschafft, als Kompromiss wurde der „persönliche Feiertag“ eingeführt.
Unabhängig ihrer Konfession können Österreicher:innen einmal pro Urlaubsjahr einen persönlichen Feiertag bestimmen, dafür muss allerdings ein Urlaubstag geopfert werden. Ansonsten gelten in Österreich noch Nationalfeiertag (26. Oktober) und Staatsfeiertag (1. Mai) als hohe Feiertage. Der 21. Juni, dem Tag des „Wunders von Cordoba“, schaffte es nicht in diesen Rang erhoben zu werden, obwohl er von manchen wohl mehr gefeiert wird.
Das ist die eine Seite unserer Kommentar-Kolumne „Zweiseitig“. Jasmin ist anderer Meinung – ihren Kommentar liest du hier:
Der Weltfrauentag muss ein gesetzlicher Feiertag werden – für mehr Gleichheit
Ein Tag im Jahr für Gleichberechtigung
Nicht nur im Bundesland Berlin ist der Internationale Weltfrauentag seit 2019 als gesetzlicher Feiertag festgelegt. In insgesamt 24 Staaten weltweit ist Weltfrauentag als ein solcher anerkannt. Besonders in den ehemaligen Sowjetländern wie Russland, der Ukraine, Belarus, Georgien, Kasachstan oder Moldau hat sich der Feiertag aus historischen Gründen etabliert, entstand er doch aus einer Initiative sozialistischer Organisationen nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dabei sind auch einige afrikanische Staaten wie etwa Angola, Burkina Faso oder Eritrea. In China, Madagaskar und Nepal gilt der Feiertag sogar nur für Frauen, in der Volksrepublik bekommen sie sogar einen halben Tag frei.
Umfragen: Covid-19 bremst Gleichstellung und Karrierechancen von Frauen
Ich bezweifle nicht, dass Gleichberechtigung und Emanzipation in der heutigen Zeit und in vielen Ländern dieser Erde wichtige Themen sind. Aber, in keinem Land der Welt, nicht einmal im Vorzeigeland Island, sind Frauen und Männern bereits zu 100 Prozent gleichgestellt. Benachteiligung und Ungerechtigkeit sollten daher an jedem Tag des Jahres, wo immer sie passieren und wen immer sie betreffen, für einen Aufschrei sorgen. Denn zu „feiern“ gibt es am Tag der Frau allerdings nichts: Es ist eher ein Tag der Schande, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung teilweise unterdrückt wird, mehrheitlich weniger verdient und in einigen Weltregionen immer noch weniger Rechte hat, als das männliche Geschlecht.
Am „feministischen Kampftag“ gibt es zwar Demozüge (2.500 Teilnehmer:innen letztes Jahr in Wien), Vorträge oder sonstige Aktionen, „gefeiert“ wird der Weltfrauentag vielerorts aber dadurch, dass der – meist männliche – Chef seinen weiblichen Mitarbeiter:innen Blumen und Schokolade mitbringt und Geschäfte mit Rabatten auf „weibliche“ Produkte locken. Wenn das die Ungerechtigkeiten des restlichen Jahres nicht wettmacht, was dann? Ironie Ende.
Weltfrauentag ist kein „Feiertag“
Und wo bleibt der Tag für Homosexuelle, für politisch Verfolgte, für anders benachteiligte Menschen? Auch diese Tage hätten ein Anrecht auf ihre Existenz. Noch mehr sollten wir allerdings dafür sorgen, dass diese „Feiertage“ überhaupt nicht erst gebraucht werden. Mit politischen Entscheidungen, nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr. Jede Woche könnte man für Gleichberechtigung – nach Vorbild von Fridays for Future – auf die Straße gehen und demonstrieren. Ein Tag im Jahr befriedigt eigentlich nur das schlechte Gewissen, dass es damit immer noch nicht so schnell vorwärtsgeht, wie es eigentlich sollte. Und wie bei den religiösen Festen verlieren solche Tage im Laufe der Zeit ihre ursprüngliche Bedeutung und verkommen zu einem willkommenen, arbeitsfreien Tag. Und geholfen ist damit niemandem.
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