Mit VR gegen Flugangst

Flugangst ist ein weit verbreitetes Problem, das vielen Menschen das Reisen erschwert. Nun könnte die virtuelle Realität (VR) eine innovative Lösung bieten. In Studien zeigte sich, dass VR-gestützte Interventionen helfen können, Ängste abzubauen. Diese Erkenntnisse wurden kürzlich vom deutschen Centrum für Reisemedizin (CRM) bei einem Fachkongress in Berlin präsentiert.
Wenn Angst zur Phobie wird
Viele Menschen verspüren ein mulmiges Gefühl beim Start oder während Turbulenzen. „Mit echter Flugangst hat das nichts zu tun“, so Udo Wortelboer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Frankfurt am Main, bei der Pressekonferenz aus Anlass des 26. Forums Reisen und Gesundheit. Von Flugphobie im engeren Sinne spreche man erst, wenn die Angst auch losgelöst von der Situation fortbestehe, es zum Beispiel bereits bei der Planung einer Flugreise zu Panikattacken komme, sagt der Experte.
Zudem führt ausgeprägte Flugangst (Aviophobie) oft zu einem vollständigen Vermeidungsverhalten, obwohl objektiv betrachtet nur ein äußerst geringes Risiko besteht. Laut Umfragen leiden rund 15 Prozent der deutschen Flugreisenden an solchen Symptomen. In Österreich dürften 1,7 Millionen Menschen betroffen sein.
Flugangst: Kognitive Verhaltenstherapie als bewährte Methode
Bisher werden Angststörungen wie Aviophobie meist durch kognitive Verhaltenstherapie behandelt, erzählt Wortelboer. Hierbei erhalten die Betroffenen in ein- bis zweitägigen Seminaren zunächst theoretische Informationen über die biologischen Mechanismen der Angst und die hohen Sicherheitsstandards im Flugverkehr.
Entscheidend für den Therapieerfolg ist jedoch die direkte Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Deshalb beinhalten viele dieser Seminare einen Abschlussflug, um die erworbenen Bewältigungsstrategien direkt in der Realität zu erproben.
Hier kann Virtuelle Realität eine spannende Ergänzung oder gar Alternative zur herkömmlichen Expositionstherapie bieten. Mit VR-Brillen und entsprechender Software können Patient:innen in eine täuschend echte Flugumgebung eintauchen. Vibrotaktile Elemente, wie spezielle Handschuhe oder Sitze, verstärken das realistische Erlebnis und ermöglichen es, typische Bewegungen während eines Fluges zu simulieren.
Auf diese Weise können Betroffene wiederholt spezifische Flugsituationen durchleben und ihre Angst schrittweise abbauen. Diese Methode kann aber nicht nur bei Aviophobie eingesetzt werden.“Mithilfe einer VR-Brille und der entsprechenden Software können sich die Anwender auch ihren Ängsten stellen – eine Spinne aus der Nähe betrachten, aus der Höhe in einen Abgrund blicken oder eben in ein Flugzeug steigen (..)“, stellte das Centrum für Reisemedizin fest.
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Studien belegen Wirksamkeit der VR-Therapie
Bereits vor rund zwei Jahren erschien in der deutschen Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ eine Übersichtsarbeit zur Nutzung von 3D-Datenbrillen in der Behandlung psychischer Störungen, darunter auch Angststörungen wie Flugangst. Auf diese Studie bezog sich der Frankfurter Psychiater während der Pressekonferenz.
Die Virtuelle Expositionstherapie (VRET) ist laut der Auswertung der wissenschaftlichen Literatur „gleich wirksam wie die traditionelle Expositionstherapie in vivo“, hieß es in der Publikation. Sie kann als Ergänzung zur psychotherapeutischen Behandlung von Angststörungen eingesetzt werden. Bei der Behandlung von Flugangst zeigt VRET bereits langfristige Erfolge: Eine Studie mit 98 Betroffenen ergab, dass diese nach der Therapie deutlich häufiger Flugreisen unternahmen als zuvor.
Derzeit ist die VR-Therapie außerhalb von Forschungskontexten noch wenig verfügbar. Speaker Udo Wortelboer geht jedoch davon aus, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird. Denn die Methode bietet erhebliche Vorteile: Sie spart Zeit und schont das Klima, da keine realen Flüge nötig sind. Außerdem kann sie individuell auf die Patient:innen abgestimmt werden. So lassen sich besonders angstauslösende Flugsituationen gezielt simulieren und wiederholen.