Moonshot-Forschungsagentur will erstes Frühwarnsystem für Klima-Kipppunkte bauen
Die in Großbritannien angesiedelte Advanced Research and Invention Agency (ARIA) hat ein neues Programm zur Entwicklung von Klima-Frühwarnsystemen gestartet. Dabei soll Alarm geschlagen werden, wenn unser Planet den sogenannten Klimakipppunkten zu nahe kommt. Umgerechnet macht die britische Moonshot-Forschungsagentur 96 Millionen Euro für das Projekt frei.
Veränderungen im Klimasystem überwachen
Im Fokus stehen die Klimakippunkte. Darunter ist eine Schwelle zu verstehen, die nicht überschritten werden sollte. Wäre dies der Fall, würden bestimmte Ökosysteme oder planetarische Prozesse von einem stabilen Zustand in einen anderen übergehen. Das könnte zu dramatischen und sich oft selbst verstärkenden Veränderungen im Klimasystem führen, ist im MIT Technology Review zu lesen. Um negative Klimaspiralen zu verhindern, soll das Frühwarnsystem für Klima-Kipppunkte rechtzeitig Alarm schlagen.
Besseres Verständnis für Klimakipppunkte
Das ARIA-Programm ist auf fünf Jahre ausgelegt und soll ein Konzept erarbeiten, das Frühwarnsystemen den Status „erschwinglich, nachhaltig und gerechtfertigt“ auferlegen kann. Es soll die wissenschaftliche Ungewissheit in Bezug auf Klimakipppunkte verhindern und untersuchen, wann die Ereignisse eintreten könnten. Es geht außerdem darum, wie und in welchem Ausmaß und Zeitraum sie sich auf die Erde und auf ihre darauf lebenden Arten auswirken würden. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es ein solches System noch nicht – die Forschungen rund um Klimakipppunkte und deren Überschreitung sollen allerdings auf Hochtouren laufen.
Gletscherschmelze und Nordatlantischer Subpolarwirbel
Gesucht werden, so wurde von der ARIA angekündigt, werden Vorschläge für die Entwicklung von zwei Klimakipppunkt-Systemen gesucht. Einerseits geht es dabei um das beschleunigte Abschmelzen der Gletscher in Grönland, die von der steigenden Erderwärmung stark betroffen sind und den Meeresspiegel stark ansteigen lassen könnten – da frisches Wasser in den Nordatlantik fließt. Andererseits steht der Nordatlantischer Subpolarwirbel im Fokus – eine riesige Strömung südlich gelegen von Grönland, die gegen den Uhrzeigersinn rotiert und immer schwächer wird. Ihr Nachlassen könnte Teile Nordwesteuropas und Ostkanadas abkühlen, den Jetstream nach Norden verlagern und zu unbeständigeren Wettermustern in Europa führen.
Tipping-Points-Forschungsprogramm mit drei Zielen
Das Forschungsprojekt soll auf drei Ziele hinarbeiten. Zum einen sollen kostengünstige und robuste Sensoren entwickelt werden, die präzisere Daten über den Zustand von Klimasystemen wie der Gletscherschmelze in Grönland oder dem Nordatlantischen Subpolarwirbel liefern können. Zweitens ist geplant, dass Forscherteams „ein Beobachtungsnetz zur Überwachung dieser Kippsysteme“ schaffen und KI-basierte Computermodelle entwickeln, um „subtile Frühwarnzeichen des Kippens“ in den Daten zu erkennen.
Laut Sarah Bohndiek, Programmdirektorin und Professorin für biomedizinische Physik an der Universität Cambridge, wird unterschätzt, wie stark das Überschreiten von Klimakipppunkten die Auswirkungen des Klimawandels beschleunigen und sich die Gefahren in den nächsten Jahrzehnten erhöhen könnte.
Herausforderungen
Das Vorhaben rund um das weltweit erste Klima-Frühwarnsystem ist beachtlich, dennoch gibt es auch kritische Stimmen aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die davor warnen: Die Entwicklung präziser Frühwarnsysteme für beide Anwendungsfälle sei keine einfache Aufgabe. Es bestehen Zweifel, dass sich das Projekt in naher Zukunft nicht umsetzen lässt, da Wissenschaftler:innen mit Stand heute einerseits nur ein begrenztes Verständnis dieser Klimasysteme haben, wie die Daten zur Gletscherschmelze und dem Nordatlantischer Subpolarwirbel lückenhaft und verrauscht sind. Kritiker:innen betonen, Überwachungsinstrumente dieser Art, seien teuer und umständlich, unterstreichen aber auch, dass eine bessere Auseinandersetzung mit Klima-Frühwarnsystemen stattfinden sollte.
Leiterin Bohndiek ist jedenfalls überzeugt: Durch die Entwicklung eines Frühwarnsystems „könnten wir in der Lage sein, die Art und Weise zu ändern, wie wir über den Klimawandel denken und wie wir uns auf ihn vorbereiten“, so die Wissenschaftlerin.
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