Harald Mahrer übernimmt WKO: „Unterscheide nicht zwischen Startups und Gewerbebetrieben“
Harald Mahrer ist seit heute, Freitag, der neue Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer. Überraschung war die Wahl keine, denn Mahrer ist seit Dezember Präsident des Wirtschaftsbundes, der traditionell als stimmenstärkste Fraktion auch den Vorsitz der Wirtschaftskammer übernimmt. Christoph Leitl (69) übergab den Stab in einer teils emotionalen Rede nach 18 Jahren an der Spitze der Kammer an seinen jungen Nachfolger: „Es ist eine Mischung aus Wehmut des Abschieds und der Neugier auf das was kommt. Lieber Harald, das ist heute dein Tag“.
Die WKO habe derzeit die bisher höchsten Vertrauenswerte unter seinen Mitgliedern und sei als größter Dienstleister der Republik in Hochform, erklärte Leitl. Eine der größten Herausforderungen der Zukunft sei der digitale Wandel und „Mahrer bewegt sich bei der Digitalisierung wie ein Fisch im Wasser“, so Leitl. Mahrer kündigte im Rahmen seiner Angelobung deshalb eine neue Bildungsinitiative an, die die duale Ausbildung um eine weitere Komponente aufstocken soll. In den nächsten Jahren solle ein dreistelliger Millionenbetrag in das Projekt fließen, das einen großen Bildungscampus für Digitalkompetenzen umfassen wird.
Fokus auf Arbeitszeitflexibilisierung
Der digitale Wandel könne nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen dafür angepasst werden, betonte Mahrer. Dazu gehöre auch die Arbeitszeitflexibilisierung. Es gehe dabei um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und nicht darum, Arbeitnehmer zu 12-Stunden-Tagen zu zwingen. „Die Regierung hat das auf der Agenda und wir hoffen, dass das umgesetzt wird“, sagt Mahrer.
Der 45-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als „Mr. Startup“ gemacht und war maßgeblich an der Gestaltung des millionenschweren Startup-Pakets der vergangenen Regierung beteiligt. Davon war bei der Angelobung nichts mehr zu hören. „Ich unterscheide nicht zwischen Startups und Gewerbebetrieben“, betonte der ehemalige Wirtschaftsminister am Freitag. „Wir sitzen alle im selben Boot: Betriebe, Mitarbeiter und deren Familien“. Damit ist Mahrer auf Linie mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Sie sagte kürzlich im Interview mit Trending Topics: „Ich sehe mich als Vertreterin für alle Unternehmen und viele Hemmnisse betreffen Firmen aller Größen.“
Die unter anderem von der FPÖ immer wieder geforderte Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft kam am Freitag nicht zur Sprache. Mahrer gilt jedoch als Verfechter der Pflichtmitgliedschaft und will auch die Kammerumlage 2 erhalten. Als Vizekanzler Heiz-Christian Strache bei der Angelobung eine halbe Stunde verspätet durch den Saal huschte, unterbrach Leitl für eine Begrüßung kurz seine Rede: „Respekt, dass Sie gekommen sind, Herr Vizekanzler. Wir sind offen für Kritik und einen ehrlichen Dialog. Man kann zusammenfinden, manchmal dauert es eben länger“.
Nicht fehlen durfte an diesem Vormittag natürlich der Ruf nach einer Reduktion der Bürokratie und einer Senkung der Lohnnebenkosten. Dieser Wunsch wurde von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gerne angenommen. Schramböck: „Es soll leicht sein in Österreich Unternehmer zu sein“.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz gratulierte seinem Freund Harald Mahrer persönlich zum neuen Amt: „Ich finde es gut, dass du unser Regierungsprogramm lobst, aber viele der Ideen darin stammen ohnehin von dir“. Die Sozialpartnerschaft müsse sich weiterentwickeln, um auch im 21. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag leisten zu können“, betonte Kurz.
Wünsche nach „Arbeit 4.0“ und „Kammer 4.0“
Die Angelobung von Mahrer als neuer Wirtschaftskammerpräsident hatte eine Flut von Gratulationen zur Folge – gepaart mit vagen Wünschen, wie er seine Agenda künftig gestalten solle. Dazu wurden auch gleich neue Wortkreationen wie “Arbeit 4.0” und “Kammer 4.0” in Anlehnung an den gängigen Begriff “Industrie 4.0”, der für die Digitalisierung der Wirtschaft steht, ausgepackt.
Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), bezeichnet Mahrer als einen, der sich „nie gescheut hat, Reformerfordernisse beim Namen zu nennen.“ Kapschs Meinung nach gebe es “enorme Potenziale in den Kammerorganisationen”, durch deren Hebung „die Unternehmen in Österreich deutlich entlastet werden könnten“.
WKO-Vizepräsident und Bundes- und Fraktionsobmann der Freiheitlichen Wirtschaft Matthias Krenn plädiert für eine “moderne Interessenvertretung”, eine “Kammer 4.0 als Standortpartnerschaft”. “Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die Reform der Sozialversicherung auf fünf Versicherungsträger, das Aus für Gold Plating und das Kumulierungsverbot von Verwaltungsstrafen” seien die ersten Schritte für die Zukunft des Standorts.
Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer und damit Mahrers wichtiges Gegenüber in der Sozialpartnerschaft, freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen WKO-Präsidenten und bezeichnet ihn als “starken Verbündeten” im digitalen Wandel. „Arbeit 4.0 muss fair gestaltet werden“, sagt Anderl. „Es braucht faire Rechte für die Beschäftigten und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen. Und selbstverständlich braucht es bessere Rahmenbedingungen für die Beschäftigten, um Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen.“
„No sleep till Gründerland No. 1“
Mahrer ist in der Startup-Szene vor allem in seiner Funktion als Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung bekannt geworden. Er hatte sich stark für digitale Jungfirmen eingesetzt (unter dem Slogan „No sleep till Gründerland No1“) und war wesentlich daran beteiligt, dass die ehemalige SPÖ/ÖVP-Regierung 2016 ein Startup-Paket umgesetzt hat, von dem aber nach der Streichung von Risikokapitalprämie und Lohnnebenkostenförderung Anfang des Jahres nicht mehr viel übrig geblieben ist (Trending Topics berichtete). Im Mai 2017 rückte Mahrer dann zum Wirtschaftsminister auf.
Als Absolvent der Wirtschaftsuniversität Wien sammelte Mahrer erste politische Erfahrung als Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und schloss danach sein Doktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ab. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Forschungsassistent gründete er sein erstes Unternehmen – die legend Consulting GmbH – und leitete später die österreichische Kommunikationsberatung Pleon Publico mit mehr als 80 Mitarbeitern. Zusätzlich war er mehr als 15 Jahre lang als Förderer von Startups und als Business Angel aktiv. Von 2011 bis 2015 war er außerdem Präsident der Julius-Raab-Stiftung.