Nachgefragt: Sechs grüne Banken zu Investitionen in Atomkraft und Erdgas
In den letzten Tagen ist es eines der Themen, welches die Medien dominiert. Die Entscheidung der EU-Kommission zu der Einordnung von Investitionen in Erdgas und Atomkraft im Rahmen der Taxonomie-Verordnung. Noch kurz vor Schluss, am letzten Tag des Jahres 2021, hat die EU-Kommission ihren Entwurf der Taxonomie-Verordnung in puncto Atomkraft und Erdgas verschickt. Dem Entwurf zufolge setzt sich die EU-Kommission für eine Einstufung von Investitionen in Atomkraft und Erdgas – zumindest befristet – als nachhaltig ein.
Mit der EU-Taxonomie-Verordnung wird es erstmalig eine innerhalb des Staatenverbundes gültige Definition von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten und Investitionen geben. Mithilfe dieses Klassifizierungssystems sollen Zukunftstechnologien, welche zur Erreichung des European Green Deals und der Klimaziele notwendig sind, den notwendigen finanziellen Rückenwind erhalten. Indem Geldströme durch dieses Einstufungsschema hin zu umwelt- und klimaschützenden Technologien umgelenkt werden, sollte das ein großer Schritt zu einem nachhaltigeren Finanzsystem werden.
Taxonomie-Verordnung: Einstufung von Atomkraft und Erdgas als “grün” sorgt für viel Kritik
Mit dem nun veröffentlichten Entwurf sehen Kritiker:innen, sollte es bei der Einstufung bleiben, diesen nicht. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass nun alle als nachhaltige Anlagen deklarierten Produkte, zwangsläufig Investitionen für den Bau von Atomkraft- oder Erdgaswerken bedeuten. Fondsgesellschaften müssen sich künftig überlegen, ob sie ihr Produkt-Portfolio der EU-Taxonomie anpassen oder eben nicht.
Tech & Nature hat bei den größten Green Banking-Unternehmen im deutschsprachigen Bereich nachgehakt: Wie wird sich die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission zu der Atomkraft und dem Erdgas im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung auf das Produkt-Portfolio auswirken? Eines vorweg – die Unternehmen eint ein klarer Standpunkt, unabhängig der weiteren Entwicklung in puncto Atomkraft und Erdgas.
EthikBank
„In den Anlagerichtlinien der EthikBank ist das Thema Atomkraft seit Gründung der EthikBank im Jahr 2002 als Ausschlusskriterium verankert. Ausgeschlossen sind weiterhin Unternehmen, die Umsätze in Industrien mit fossilen Brennstoffen, z.B. Erdgas, erzielen. Daran wird sich auch nichts mit der Entscheidung der EU-Kommission ändern! Das heißt, der Besitz und Betrieb von Atomkraftwerken bleibt für uns weiterhin ein Tabukriterium. Ebenso die Energieerzeugung aus Erdgas, Erdöl und Kohle. Auch Staaten, die einen hohen Anteil an Atomstromproduktion haben, werden weiterhin von Investitionen ausgeschlossen.
Der Vorschlag der EU-Kommission, Erdgas- oder Atomenergie grün zu labeln, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich ehrlich um eine Energiewende für Europa bemühen. Hier werden partielle Länderinteressen bedient, zu Lasten eines ernst gemeinten europäischen Klimaschutzes und damit zu Lasten nachfolgender Generationen. Atomkraft ist eine Risikotechnologie, sie kann niemals nachhaltig sein. Neben Sicherheitsproblemen, die auch neue Anlagen unstrittig mit sich bringen, liegt die noch größere Problematik in der nach wie vor ungeklärten Frage der Entsorgung des anfallenden Atommülls! Auch die weitere Förderung der Energieerzeugung aus fossilem Gas, wenn auch nur übergangsweise und unter strengen Auflagen, halten wir für ungeeignet. Die EU-Taxonomie wird so die Lebenszeit von Erdgas- und Atomkraftwerken unnötig verlängern und im Gegenzug notwendige und sinnvolle Investitionen in nachhaltige Technologien zur Energieerzeugung blockieren. Die EthikBank wird weiter strikt an ihren Investitionsverboten festhalten. Es bleibt zu hoffen, dass sich breiter Widerstand gegen den Vorschlag zur EU-Taxonomie formiert, und dieser unsinnige Vorstoß, notfalls auch durch Klagen gestoppt wird“, so Vorstandsmitglied Katrin Spindler.
GLS Bank
„Die neue Taxonomie wirkt sich nicht auf unser Produktportfolio aus, da unsere Kriterien sehr viel strenger sind“, so die GLS Bank gegenüber Tech & Nature.
In einer separaten Meldung reagierte GLS Bank-Vorstandssprecher Thomas Jorberg bereits zu Beginn der Woche und bezeichnete das „Grüne Label für Atom- und Gasenergie“ als „gefährliche Irreführung“. „Mit dem neuen Prädikat stehen Atomenergie und Gas in der Nachhaltigkeitsbewertung von Investor*innen auf einer Stufe mit Wind- und Solarenergie“, sagt Thomas Jorberg. „Nachdem schon keine sozialen Kriterien in der Taxonomie berücksichtigt waren, zerstört die Aufnahme von Atom- und Gasenergie jegliches Vertrauen umweltbewusster Anleger:innen in dieses Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen“, so Jorberg.
UmweltBank
„Meine erste Assoziation zu der Frage ist der Vergleich zum Bio-Bauern mit Demeter-Siegel. Nur weil es durch das EU-Bio-Siegel schwächere Vorgaben für den Anbau gibt, wird dieser seine Arbeitsweise nicht entsprechend verändern. Genauso ist es bei uns. Unsere Meinung ist klar: Atomkraft und Erdgas bleiben weiterhin aus unserem Produkt-Portfolio ausgeschlossen. Wir sind schließlich Überzeugungstäter. Wir haben für uns definiert, dass wir die Atomkraft als nicht nachhaltig einstufen und wir bleiben bei unseren Überzeugungen.
Grundsätzlich zu der Taxonomie-Verordnung: In einem Verbund, wie es die EU ist, war ein Kompromiss von vornherein zu erwarten. Während einige für schwächere Kriterien plädieren, fordern andere härtere. Grundsätzlich gibt es in diesem Bereich ein schwieriges Spannungsfeld, welches Kompromisse wahrscheinlich gemacht hat.
Bereits in der Vergangenheit wurden viele Finanzprodukte als nachhaltig gelabelt. Bei genauerer Betrachtung wundert man sich dann jedoch schon, welche Unternehmen es in diese vermeintlich nachhaltigen Portfolios schaffen. Ob sich daran durch die Einführung der EU-Taxonomie-Verordnung viel ändern wird, ist fraglich. Grundsätzlich ist „nachhaltig“ eine sehr subjektive Einstellung. Somit gibt es unterschiedliche Definitionen. Von daher ist es prinzipiell für die Anleger:innen wichtig, sich wirklich die Produkte genau anzuschauen und somit zu wissen, in was investiert wird“, Pressesprecher der UmweltBank, Oliver Patzsch.
Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen
„Die Atomkraft und Erdgas als „grüne Energie“ in der EU-Taxonomie einzustufen ist ein Affront gegen alle wirklich umweltorientiert und nachhaltig denkenden Menschen und Organisationen. Verantwortungsübernahme für unsere Kinder und zukünftige Generationen darf keinen Atomstrom beinhalten. Es fehlt offenbar noch immer die ernste Bereitschaft die Energie-Aufbringung grundsätzlich zu transformieren. Leider spielt hier auch Lobbyismus mit.
Unser hauseigenes Kreditportfolio brauchen wir nicht anpassen, da wir unsere Finanzierungskriterien schon immer sehr „puristisch“ definiert haben; wir haben sogar Biogasanlagen ausgenommen (da hier nämlich oft wertvolle landwirtschaftliche Produkte (Getreide, Mais…) eingesetzt werden“, so Hubert Pupeter, Vorstand Raiffeisenbank Gunskirchen und Umweltcenter.
Tomorrow
„Die Einstufung der EU-Kommission hat keine Auswirkungen auf unsere Anlagekriterien. Ziel von Tomorrow ist es, Kapital aus gestrigen Branchen in zukunftsfähige und ökologisch sinnvolle Bereiche zu lenken, die unser aller Morgen sichern. Atomkraft und Erdgas zählen in unseren Augen eindeutig nicht dazu. Hohe Emissionen beim Erdgasgewinn und hohe Risiken der Atomkraft gehen auf Kosten der Umwelt und kommender Generationen – genau das gilt es zu verhindern. Eine EU-Taxonomie alleine würde auch an unserem grundlegenden Entscheidungsprozess nichts ändern: Bevor wir investieren oder Projekte finanzieren werden diese anhand eines ausführlichen Kriterienkatalogs ausgiebig geprüft und von externen Expert*innen, unserem Impact Council, auf echte Nachhaltigkeit hin bewertet“, so Lilli Staack, Head of Communications Tomorrow.
Triodos Bank
„Der Vorschlag der EU-Kommission, Atomenergie zu den nachhaltigen Investitionen zu zählen, war keine gute Nachricht zum Jahresanfang. Mit diesem politischen Vorschlag wird die Glaubwürdigkeit der gesamten EU-Aktivitäten zu Sustainable Finance in Frage gestellt. Ein Green Bond, mit dem ein neues Atomkraftwerk finanziert wird, wird bei deutschsprachigen Investoren kaum Anklang finden. Auch ein EU-Eco-Label für Nachhaltigkeitsfonds, die in Atomenergie investieren, wird wenig Akzeptanz im deutschsprachigen Markt finden. Mit diesem Vorschlag, werden wir eher einen gespaltenen als einen einheitlichen Markt in Europa entwickeln. Man kann nur hoffen, dass sich dem Protest aus Österreich und Deutschland noch mehr Länder anschließen und noch ein tragfähiger Kompromiss im Sinne Europas gefunden wird.
Auf unser Produktportfolio hat dies keine Auswirkungen, da alle fossilen Energien (auch Gas) und Kernkraft grundsätzlich sowohl bei der Kreditvergabe als auch im Investmentbereich ausgeschlossen sind und und auch schon immer waren“, so Georg Schürmann, Geschäftsleiter Triodos Bank Deutschland.