Interview

Bitcoin-Investments: „Eher Marketing-Motive als solide gesamtwirtschaftliche Expertise“

Red Candle Army. © Maxim Hopman on Unsplash
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Michael Saylor mit MicroStrategy hat es getan, Elon Musk mit Tesla hat es getan, und zuletzt hat es auch Lars Müller mit SynBiotic getan: Börsennotierte Unternehmen in den USA und Europa haben in den letzten Wochen Bitcoin im Gegenwert von hunderten Millionen Dollar bzw. Euro zugekauft – und auch kein Geheimnis daraus gemacht. Vielmehr tragen sie diese Investments stolz im Netz vor sich her.

Der Ökonom Beat Weber ist der Experte für Krypto-Assets bei der Österreichischen Nationalbank (OeNB). Im Interview spricht er darüber, ob die Angst vor einer Geldentwertung eine Grundlage hat und warum Krypto-Investments keine Flucht aus dem Dollar oder Euro sind.

Trending Topics: MicroStrategy hat es vorgemacht, Tesla folgte, und nun hat in Europa mit SynBiotic das erste börsennotierte Unternehmen öffentlich bekannt gegeben, in Bitcoin zu investieren. Argumentiert wird, dass man sich vor einer Entwertung des Euro absichern möchte. Was sagen Sie erstmal zu dieser Entwicklung?

Beat Weber: Wenn ich Aktien oder eine Anstellung in einem solchen Unternehmen hätte, würde ich mich fragen, warum diese Firmen offenbar überschüssiges Geld nicht in ihren eigentlichen Daseinszweck stecken, nämlich die Entwicklung und den Verkauf zukunftsfähiger attraktiver Produkte, bzw. in die Angestellten, die das herstellen, oder die Aktionäre oder Banken, die das finanzieren. Oder in Form von Steuern an den Staat, der die Wirtschaft durch die Krise tragen muss, oder Spenden an freiwillige Hilfsorganisationen.

Wer vom Auto- oder Cannabis-Verkauf von heute auf morgen ins Anlageberatungsgeschäft wechselt, hat vermutlich eher weltanschauliche oder Marketing-Motive als eine solide gesamtwirtschaftliche Expertise.

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Geldentwertung durch massive Corona-Hilfen und explodierende Staatsschulden – das führen Bitcoin-Befürworter gerne ins Feld. Findet diese Geldentwertung im Euro-Raum tatsächlich statt bzw. gibt es diese Gefahr?

Es gibt den populären Glauben, der Wert von Geld und anderen Dingen ergebe sich quasi naturwüchsig aus seiner Mengenbegrenzung. Dieses Missverständnis führt zu der falschen Erwartung, mit steigender Geldmenge erodiere automatisch der Wert. Doch das wäre nur in einer hypothetischen Wirtschaft der Fall, in der jegliche Vermögensbildung oder Neuproduktion von Gütern, Diensten oder Vermögenswerten verboten wäre, und jeder neue umlaufende Euro bei Erhalt sofort ausgegeben werden müsste, und so unweigerlich die Preise eines unveränderten Güterbestands nach oben treibt.

Doch Geld wird auch gern zur Wertaufbewahrung genutzt (in Krisenzeiten sogar viel mehr als sonst), oder zur Produktion zusätzlicher Güter, Dienste und Vermögenswerte. So wie ein Blumenbeet bei sengender Hitze und Trockenheit zu seinem Erhalt mehr Wasser braucht als üblich, kann auch in Krisenzeiten mehr Geld notwendig sein als üblich, um den Wert des Geldes im Wirtschaftskreislauf zu stabilisieren.

Der gesellschaftliche Auftrag an die Notenbanken lautet, den Wert des Geldes zu stabilisieren, nicht seine Menge konstant zu halten. Dass das Erfolg hat, lässt sich im Supermarkt tagtäglich ablesen. Egal ob ich heute, morgen oder übermorgen einkaufen gehe: Ein Euro kauft in etwa ein Packerl Milch, oder drei Semmeln. Würde ich mit Bitcoin einkaufen gehen, wäre der Preis alle paar Minuten ein anderer, obwohl die Bitcoin-Menge unverändert ist – Chaos pur.

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Inflation gibt es ja eigentlich immer ein wenig – ab wann wird sie zu einem Problem?

Stabiles Geld mit berechenbarer Wertentwicklung ist ein unverzichtbarer Orientierungsmaßstab für wirtschaftliches Handeln – damit kann ich Güterpreise, Job-Angebote und Anlage-Alternativen bewerten und vergleichen und für mich Entscheidungen treffen. Inflation wird als Veränderung der Preise eines Korbs häufig gekaufter Alltagsgüter gemessen.

Dass Preise einzelner Güter steigen oder sinken, gehört in der Marktwirtschaft dazu, aber Geldpolitik zielt darauf, dass nicht viele oder alle Preise gleichzeitig sich in die gleiche Richtung stark verändern, weil sonst ein berechenbarer Orientierungsmaßstab verloren geht. Wenn die Sicherheit verloren geht, dass sich die Preise im Supermarkt morgen nicht wesentlich von den Preisen heute unterscheiden werden, dann verliert Geld seine Funktion als Orientierungsmarke. Notenbank und Staat haben alles Interesse, das zu verhindern, weil sie würden ja dafür verantwortlich gemacht.

Die ursprüngliche Idee von Bitcoin ist so gut wie tot.

Wie steht der Euro im Vergleich zum Dollar, Yen, Yuan derzeit da?

Der Euro ist die zweitgrößte Währung der Welt. Wie Währungen untereinander bewertet werden, ist der tagtäglichen Einschätzung der Devisenmärkte überlassen. Für eine große Währung ist die entscheidende Frage für die überwältigende Mehrheit der Alltagsnutzenden aber eine andere: Wie steht der Euro im Vergleich zu Gütern und Diensten da, die ich mir dafür kaufen kann? Notenbanken sind beauftragt, dieses Verhältnis über die Zeit zu stabilisieren, und das macht eine gute Währung aus.

Sind Krypto-Investments und die Flucht aus dem Euro da ein Mittel, um sich als Unternehmen abzusichern?

Wirtschaftssubjekte haben eine enorme Auswahl und sind frei, ihr überschüssiges Geld über finanzielle Anlagen hinaus in allerlei Sammlerstücke und andere Objekte zu stecken, mit denen sie die Hoffnung auf einen Wiederverkaufswert und eine gewisse kulturelle Gemeinschaft mit Gleichgesinnten verbinden. Sie tun das schon immer, und in unsicheren Zeiten ganz besonders.

Auf allerlei Sammlermärkten sind die Preise im Aufwind: Krypto-Assets, Pokemon-Sammlerkarten, Comic-Raritäten, Kunst, Edelmetalle etc. Auch das Halten von Banknoten und Bankguthaben in Euro erfreut sich eines regen Zulaufs. Als Flucht aus dem Euro kann man solche Vermögensbewegungen also nicht sehen. Leute sammeln aus Leidenschaft oder ökonomischem Kalkül schon immer allerlei, und beim Ankauf von Kryptos oder ähnlichen Sachen wechseln Euro bloß die Hände, werden also nicht weniger.

EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich kürzlich für strengere Bitcoin-Regeln ausgesprochen. Laufen Firmen, die heute viel Geld in Bitcoin investieren, Gefahr, sich später Probleme einzuhandeln?

Es ist klar, dass Bitcoin und Co. Hochrisiko-Vehikel sind. Die bei ordentlichem Funktionieren der Blockchain gewährleistete Sicherheit der Mengenbegrenzung und der internen Fälschungskontrolle sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit keinerlei Garantien für die Wertentwicklung, die künftige regulatorische Behandlung, die Verwahrungssicherheit und Veräußerbarkeit etc. verbunden sind. Steuerpflichten und Identifizierungspflicht bestehen übrigens schon jetzt.

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Wie sieht die Position der OeNB in der Sache aus? Was antworten Sie Unternehmen die sagen: Wir überlegen, einen Teil der Assets in Crypto zu verlagern?

Mangels Zuständigkeit für Anlageberatung gibt es aus Zentralbanksicht abseits allgemeiner Mahnung zu risikobewusstem Handeln keine spezifischen an Unternehmen gerichteten Empfehlungen. Ich würde auch davon ausgehen, dass erfolgreiche Unternehmen sowieso alle ihre Aufmerksamkeit auf die Sicherung der Zukunftsfähigkeit ihres Kerngeschäfts richten, statt sich in sozialen Medien von der diffusen Angst ablenken und mitreissen zu lassen, irgendwo anders etwas zu verpassen.

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