NFT im Selbstversuch: „Anwaltlich raten wir grundsätzlich zur Vorsicht“
NFTs sind in aller Munde, Kunstwerke wurden zuletzt für zig Millionen verkauft und gekauft. Allerdings: Rechtliche Fragen für Non-Fungible Token (NFT) in der Kunst- und Kulturbranche sind oftmals noch unklar. Darüber hinaus sind sich auch Expertinnen und Experten nicht unbedingt einig in der Antwort auf die Frage, wie viel Blase die ganze Branche ist. Die Anwaltskanzlei Schönherr aus Wien will Klarheit in die rechtlichen Aspekte bringen – und verkaufte dafür kurzerhand selbst ein NFT-Kunstwerk an ein Linzer Museum.
NFT: Unklare rechtliche Situation
„In unserer täglichen Arbeit sehen wir, wie viele Fragen sich sowohl Künstler:innen als auch Sammler:innen stellen, wenn es darum geht, NFTs zu nutzen. Als Museum schreiben wir dabei unseren Bildungsauftrag groß“, erklärt Alfred Weidinger, Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH in Linz. Das Linzer Museum Francisco Carolinum erwarb darum kürzlich ein für einen Selbstversuch genutztes Kunstwerk des Konzeptkünstlers und Schönherr-Partners Guido Kucsko als erstes NFT-Kunstwerk. Das Werk befindet sich nun in der digitalen Wallet des Museums und soll später im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden. „Neue Technologien wie NFT bringen neue Möglichkeiten für den Kunstmarkt“, erklärt Kucsko.
Wir haben mit Michael Woller (Partner bei Schönherr Rechtsanwälte und Co-Leiter der IP & Technology-Praxis) und Dominik Tyrybon, Associate und Teil dieser Praxisgruppe, über den Versuch gesprochen.
Trending Topics: Das Museum Francisco Carolinum aus Linz erwarb kürzlich ein für einen Selbstversuch im Schönherr-Team genutztes Kunstwerk des Konzeptkünstlers Guido Kucsko als erstes NFT-Kunstwerk. Kannst du uns verraten, wie hoch der Kaufpreis war?
Michael Woller: Das ist einer der Vorteile dieser Technologie – sie ist sehr transparent und der Kaufpreis ist öffentlich nachvollziehbar: 0,1 wETH (Wrapped Ether).
Im Zuge der Kooperation mit dem Museum wollt ihr auch „rechtliche Fragen, die Künstler, Sammler und Museen beschäftigen”, aufgreifen. Wie ist denn die rechtliche Situation rund um NFTs? Gerade der Krypto-Markt gilt ja noch als weitgehend unreguliert.
Michael Woller: Wie bei jeder neuen Technologie und bei jedem neuen Business Modell tun sich sogleich alte und neue Rechtsfragen auf. Künstler und Künstlerinnen müssen sich des urheberrechtlichen Schutzes ihrer Werke, aber auch der Werke anderer bewusst sein. Ist die Arbeit, die ich tokenisiere, tatsächlich mein eigenes Werk, oder habe ich ein fremdes Werk genommen und vielleicht nur etwas bearbeitet? Oder haben andere mitgearbeitet? Vor dem Upload des NFT auf eine Plattform sollte dies geklärt werden, um Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden.
Als Käufer sollte ich mir einige Fragen stellen: Sind die Plattform und auch der Anbietende vertrauenswürdig? Bin ich sicher, dass der NFT vom Berechtigten generiert und angeboten wurde? Wie ist das sonstige Werk des Künstlers bzw. der Künstlerin und die für seine bzw. ihre Werke bisher erzielten Preise? Ist gesichert, dass ich nicht nur den NFT sondern auch das verknüpfte digitale Werk erhalte? Ist das Kunstwerk dauerhaft zugänglich? Benötige ich Nutzungsrechte an dem NFT bzw. dem Kunstwerk, z.B. für die Nutzung im Rahmen des Museumsbetriebs in Online- und Print-Katalogen? Eine Fülle von Fragen stellen sich und je höher das Investment, umso ratsamer ist es, sie vorab abzuklären.
Schönherr führt außerdem einen „Selbstversuch“ im Rahmen des Themenschwerpunkts durch. Wie lief dieser Selbstversuch bisher ab und wie geht es weiter?
Dominik Tyrybon: Da wir auch die technische Expertise im eigenen Haus haben, konnten wir vom Einrichten einer Wallet über das Tokenisieren des Kunstwerks, die Überlegung ob Formulierung (Stichwort: Transaktionskosten) oder Nutzung eines existierenden Smart Contracts, die Einbindung des NFT in die Blockchain bis hin zur Präsentation auf der NFT-Börse OpenSea und der Abwicklung des Verkaufs an das Museum alles selbst machen.
Michael Woller: Es hat erstaunlich gut funktioniert. Aber es zeigte sich, dass dies insgesamt nicht ganz trivial ist und doch auch eine entsprechende Expertise und praktische Erfahrung erfordert. Das Museum Francisco Carolinum in Linz hat unseren NFT als ersten in seine neu gegründete NFT-Kunstsammlung aufgenommen. Er wird in der ab 10. Juni stattfindenden Ausstellung „Proof of Art“ präsentiert. Soeben wurde auch der virtuelle Standort des Museums Francisco Carolinum auf Cryptovoxels eröffnet, in der der NFT gemeinsam mit anderen Kunstwerken von Guido Kucsko präsentiert wird.
Wie ist das Projekt zustande gekommen und was erhofft ihr euch davon?
Michael Woller: Anlass dafür war eine Diskussion in unserer IP & Technology-Praxisgruppe. Dort wurde die Idee geboren, wir könnten NFT doch einfach einmal selbst probieren – zumal wir sowohl das technische Know-how als auch einen Konzeptkünstler, der ein Kunstwerk schaffen konnte, im Haus haben. Begleitend haben wir uns die einzelnen Schritte angesehen, wo die rechtlichen Hürden liegen. Daraus hat sich eine für uns typische Teamarbeit von Juristen und Juristinnen aus den verschiedensten Fachbereichen, etwa Zivilrecht, Immaterialgüterrecht, Immobilienrecht, Transaktionsrecht und Umweltrecht, ergeben.
Dominik Tyrybon: Wir erhoffen uns, mit unserem Selbstversuch die wesentlichen rechtlichen Fragen zu beleuchten und Klarheit für Künstlerinnen und Künstler sowie Investoren zu schaffen. Wie das Team an Juristinnen und Juristen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen zeigt, ist das nicht mit einer kurzen Erklärung getan. Tokenisierung bringt neue Fragen mit sich, die genauer betrachtet werden müssen – etwa digitale Immobilien, oder virtuelle Marken – um nur Beispiele zu nennen. Diese Fragestellungen arbeiten unsere jeweiligen Experten auf – wer es genau wissen will, ist auf unserem NFT-Blog gut aufgehoben.
Mit NFT findet der Kunstmarkt eine digitale Erweiterung in der Blockchain. Zuletzt gingen Sammelkarten, Banksy-Gemälde und sogar Tweets und Memes für teilweise sechs- bis siebenstellige Summen an den Mann oder die Frau. Das bringt neue Möglichkeiten, aber auch Risiken. Beginnen wir mit den positiven Aspekten: Welche gibt es & wer wird bzw. kann davon profitieren?
Dominik Tyrybon: Ein NFT, also ein nicht austauschbarer, aber übertragbarer Token, ist nur ein Vehikel. Er kann theoretisch mit digitalen oder physischen Kunstwerken, aber auch mit Aktienderivaten, ja sogar Liegenschaften, kurzum mit allen beweglichen und unbeweglichen Sachen verknüpft werden. Wir werden laufend von Mandanten auf diese Technologie für sehr spezielle neue Anwendungen angesprochen. Wir werden diese Technologie also weiterhin und verstärkt in den verschiedensten Bereichen sehen.
Ist der NFT-Hype nicht auch Wasser auf den Mühlen aller Kritiker, die den internationalen Kunstmarkt schon lange als teilweise abgehoben betrachten?
Michael Woller: Der Online-Vertrieb von Kunst, die Möglichkeit von Künstlern und Künstlerinnen, ihre Werke direkt auf Online-Plattformen zu präsentieren und zu verkaufen, sich dort zu vernetzen und neue Kreise von Kunstsammlern zu erschließen, eröffnen natürlich neue Vertriebskanäle. Aber auch Galerien interessieren sich ebenso wie Auktionshäuser für diese Absatzwege. Und natürlich wandelt sich auch dieser Markt, wie nahezu jeder andere. Aber auf absehbare Zeit werden wohl klassische Galerien ebenso parallel zu diesen neuen Plattformen bestehen, wie Kinos weiterhin neben dem Fernsehen und Fernsehen weiterhin neben dem Streaming Berechtigung und Bestand haben.
Das wöchentliche Trading-Volumen von NFTs sinkt seit Ende Februar/Anfang März wieder kontinuierlich, Risikokapitalgeber wiederum sehen in NFTs durchaus eine große Zukunft. Handelt es sich dabei um eine Blase? Und wie lassen sich die enormen Schwankungen erklären?
Dominik Tyrybon: Solche starken Schwankungen sehen wir oft bei Blockchain-basierten Werten. Wir kennen die Motive jener Käufer und Käuferinnen nicht, die extrem hohe Beträge für NFT-Werke bezahlt haben, und als Juristen sind wir auch nicht darauf spezialisiert ökonomische Vorhersagen zu möglichen Blasen zu geben. Anwaltlich raten wir bei Investments in junge Technologien grundsätzlich zur Vorsicht.
Schwankungen unterliegen auch die diversen Kryptowährungen, die auf NFTs setzen. Der Kurs von Chiliz war schon bei fast 80 Cent, derzeit bewegt er sich im Bereich von 40 Cent. Ist das nicht auch ein Zeichen für die Unsicherheit des Markts?
Dominik Tyrybon: Die hohen Schwankungen bei Kryptowährungen sind allgemein bekannt und nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass der Kryptomarkt noch sehr jung ist. Natürlich ist das ein Thema, das auch die Finanzmarktaufsicht und die Notenbanken interessieren könnte. Bei Verträgen mit Preisen in Kryptowährungen warnen wir jedoch vor den schwer zu prognostizierenden Wertschwankungen.
Unabhängig davon versuchen zahlreiche Unternehmen, Kapital aus dem Hype zu schlagen. Immer wieder genannt werden in diesem Zusammenhang Sammelkarten. Das US-Unternehmen Dapper Labs beispielsweise steht hinter NBA TopShot, dem digitalen Sammelkartenspiel der Basketballliga auf Token-Basis. Ist das die Zukunft von NFTs?
Dominik Tyrybon: Wahrscheinlich werden wir in Zukunft noch die unterschiedlichsten tokenisierten Produkte finden. Wie bei allen Objekten und Transaktionen werden der Markt und die besondere Vorliebe der Käufer und Käuferinnen den Preis und die Werthaltigkeit solcher Investments bestimmen. NFTs sind aber jedenfalls ein beachtenswertes Vehikel, etwa auch, um Crowdfunding-Projekte noch besser abzusichern.
Brauche ich künftig anwaltliche Hilfe, wenn ich NFTs erwerben will? Wie hochpreisig kann der digitale Kunstmarkt werden?
Michael Woller: Anwaltliche Hilfe ist natürlich nicht zwingend notwendig. Je höher das Investment, je komplexer das tokenisierte Produkt, je heikler auch die Randbedingungen des Erwerbs – etwa von begleitenden Lizenzen zur Verwertung des NFT-Kunstwerks –, desto eher wird auch ein hochspezialisiertes Wissen erforderlich sein, welches man sich selbst aneignen könnte oder durch Ratgeber einholt.
Die Ausstellung „Proof of Art“ ist von 10. Juni bis 15. September 2021 im Francisco Carolinum in Linz zu sehen – offline im Museum und online, in einem von der OÖ Landes-Kultur GmbH in Cryptovoxels, einer Blockchain-basierten virtuellen Welt, errichteten Ausstellungsgebäude.