Niko Alm: „Man muss von diesem Denken weg, dass ein Unternehmer ein Kapitalist ist, der alle ausbeutet“
Niko Alm vereint in Personalunion quasi alle Themen, denen sich auch TrendingTopics.at widmet. Er tritt als Start-up-Investor auf (u.a. Conda, Whatchado, Gebrüder Stitch, Marktwirtschaft, AllINeed, Waves Vienna Festival), ist Geschäftsführer der Österreich-Tochter des weltweit für Aufmerksamkeit sorgenden New-Media-Unternehmens Vice, hat eine Social-Media-Agentur hochgezogen (Super-Fi) und beschäftigt sich als Nationalratsabgeordneter der NEOS intensiv mit Start-up und Netzpolitik. Kürzlich warnte er medienwirksam mit einer Snowden-Statue vor den negativen Auswirkungen des geplanten Staatsschutzgesetzes. Genau über diese Themen hat er mit TrendingTopics.at gesprochen.
Du bist einer der vielen Gesellschafter von Startup300, das in der Szene ein ziemlich einzigartiges Konstrukt darstellt. Was ist Startup300 für dich?
Niko Alm: Für mich ist Startup300 ein Katalysator, der den Dealflow ordnet. Es gibt so viele Start-ups mit guten Ideen, und Startup300 ist ein Filter, der die Unternehmen darauf vorbereitet, dass sie in Anschluss-Investment von einem Business Angel oder einem VC bekommen. Startup300 ist ja nicht unbedingt dazu gedacht, selbst in größerem Ausmaß zu finanzieren.
Du bist nicht nur bei Startup300 dabei, sondern auch bei SpeedInvest II sowie als Business Angel aktiv. Welche Strategie verfolgst du bei deinen Investments?
Nachdem ich den größten Teil meiner Anteile von Super-Fi (New-Media-Agentur, die jetzt zu Vice gehört, Anm.) verkauft hatte, habe ich beschlossen, einen Teil dieses Geldes in Unternehmen zu investieren. Da diversifiziere ich mein Portfolio, so wie das alle machen. Direkte Investments habe ich derzeit acht, wobei da zwei Selbstgründungen mit dabei sind.
Dein Portfolio wird anders als jene vieler bekannter österreichischer Business Angels nicht von Tech-Start-ups dominiert. Warum nicht?
Von meinem Background her hätte ich mir selbst gedacht, dass ich eher in die App- und Technologie-Richtung gehe. Es hat sich aber herausgestellt, dass viel von dem, was ich mache, aus anderen Gründen zustande kommt, etwa weil ich die Gründer gut kenne oder ich das Produkt gut verstehe. Ich suche jetzt verstärkt nach ganz jungen Sachen.
Auf Apps gibt es spätestens seit Runtastic und Shpock aber doch einen merkbaren Run bei Investoren, jeder scheint so etwas im Portfolio haben zu wollen.
Ich schrecke da immer ein bisschen davor zurück, weil es einfach so viele gute App-Ideen gibt. Aber es war bei Shpock und Runtastic spannend zu sehen, dass eine Idee, die nicht neu ist, aber besser exekutiert wird, trotzdem super funktionieren kann. Eines haben aber alle gemeinsam: Die Start-ups, die funktionieren, dass sind alles Arbeitstiere.
Du beschäftigst dich mit Start-ups nicht nur als Investor, sondern auch als Politiker. Wie bewertest du als Oppositionspolitiker die Gründerlandstrategie der Bundesregierung?
Prinzipiell sehr gut. Die Tatsache, dass nichts oder nicht viel passiert, da muss man den Harald Mahrer in Schutz nehmen, ist vor allem dem Koalitionspartner SPÖ anzulasten, gegen den er sich offenbar nicht durchsetzen kann. Bei vielen der 40 Punkten, da werde ich jetzt kritischer, hätte ich mir Konkreteres erwartet. Es gibt ein großes Ding, dass die ganze Szene endlich haben will: Den Realwirtschaftsinvstitionsfreibtrag oder Wagniskapitalzuschuss, da gibt es verschiedene Namen.
Was würde ein solcher Risikokapitalfreibetrag bringen?
Wenn man von seiner Steuer etwas abschreiben kann, dass direkt in Unternehmen reingeht, dann wäre das nichts anderes als ein Förderung, die ohne Umweg von Privat zu Privat passiert, ohne Fonds oder staatlichem Förderprogramm mit Reibungsverlusten dazwischen.
Es scheitert offenbar an der SPÖ, weil man dort offenbar kein Gesetz für Reiche absegnen will. Ist das der richtige Eindruck der Situation?
Klar, das ist kein Gesetz für Leute mit mittleren oder kleinen Einkommen, es hilft jenen, die mehr disponibles Geld zur Verfügung haben. Aber: Was ist schlecht dran? Die müssten, wenn sie es nicht von der Steuer abschreiben, das gleiche Geld als Steuern zahlen und damit einem Beamtenapparat überantworten, der sehr viel Reibung produziert, die ins Leere geht. Da ist es mir lieber, dass das Geld direkt zweckgewidmet wird. Das führt dazu, dass ein bisschen weniger Steuern gezahlt werden und viel mehr investiert wird. Es wird niemandem irgendetwas weggenommen.
Die Definition des Start-ups ist dabei essenziell, sonst wäre ein solches Gesetz ein nettes Tool, um Geld von A nach B zu verschieben.
Wir hätten gerne Kriterien, nach denen ein Start-up definiert wird und die eine Firma für bestimmte steuerliche Benefits qualifizieren. Das gibt es bereits in New York: Wenn ein Start-up den Kriterienkatalog erfüllt, dann ist es zehn Jahre steuerfrei, allerdings müssen sie dafür einen Standortnachteil in Kauf nehmen.
Business Angel Michael Altrichter meinte in einem Interview mit TrendingTopics.at, dass ein Risikokapitalfreibetrag keine Steuerverschwendung, sondern eine Steuererzeugung wäre. Nachvollziehbar?
Ja, ich denke schon. Am Ende einer Investition stehen Arbeitsplätze, die größte Quote an Neubeschäftigung gibt es bei jungen, innovativen Unternehmen, die schnell wachsen. Punkt. Die Voestalpine wird ihren Mitarbeiterstand wohl nicht mehr verdoppeln, aber eine große Zahl an kleinen Start-ups hat eine ganz andere Beschäftigungsdynamik. Jedes Geld, das in Start-ups geht, geht in Arbeitsplätze, und speziell in Österreich heißt das, dass das Geld in Steuern geht. Bei der Abgabenquote kommt die Hälfte des Geldes eh sofort wieder zurück. Volkswirtschaftlich rechnet sich der Risikokapitalfreibetrag tausendmal.
Fairerweise muss man sagen, dass viele Start-ups wieder schließen und die Arbeitsplätze schnell wieder verschwinden.
Klar, das muss man natürlich mit einrechnen. Unterm Strich aber bin ich davon überzeugt, dass mehr Beschäftigung überbleibt.
Altrichter meinte auch, dass in Österreich ein “unternehmerfeindliches Klima” herrsche. Wie könnte man die Mentalität ändern?
Das wird eine Generation dauern. Man muss mehr Wirtschaft ins Bildungssystem bringen. Man könnte die Kinder auch am Schulanfang einen Business-Plan fürs nächste Jahr machen lassen, wo sie aufstellen, was sie mit ihrem Taschengeld machen. Das wäre ein ganz einfaches Instrument zu lernen, wie man mit Geld umgeht und würde ein Bewusstsein schaffen, dass man das Geld einnehmen muss, das man ausgibt. Und man muss von diesem Denken weg, dass ein Unternehmer ein Kapitalist ist, der alle ausbeutet, oder ein Verbrecher ist, wenn er in Konkurs geht und sich von der Allgemeinheit aushalten lässt. Da hilft aber keine Image-Kampagne, sondern ein besseres Verständnis für Wirtschaft.
Du bist auch Geschäftsführer von VICE CEE, einem der Vorzeige-Digitalmedien. Wie wird sich der Online-Journalismus vor allem in punkto Finanzierung weiterentwickeln?
Ich bin da etwas dystopisch. Ich glaube, dass es zu einer weiteren Marktbereinigung kommen wird, vor allem wegen der Internationalisierung. Jeder von uns konsumiert mehr internationale Medien als je zuvor. Gleichzeitig kommt es zu einer Fragmentierung, jeder Blog ist ein Medium, warum auch nicht. Wir selbst können unsere Online-Angebote mit Werbung sehr gut finanzieren, mit einer sehr schlanken Redaktion. Ich habe aber schon den Wunsch, dass sich Paid-Modelle durchsetzen werden. Es muss Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass man etwas für Journalismus bezahlen sollte. Ich glaube aber, dass die Beträge noch zu hoch sind, die zu bezahlen sind. Die 14 Euro für nzz.at sind beispielsweise ziemlich viel.