Urteil

notarity vs Notariatskammer: Hauptpunkte der Klage abgewiesen, einige Verbote für das Startup

Das notarity-Team © notarity
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Das Handelsgericht Wien hat in erster Instanz über eine Klage der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) gegen das Wiener Startup notarity entschieden. Dabei hat es laut ÖNK ein Verbot für notarity für Werbung mit Fixpreisen oder Nettopreisen verhängt, sowie darf das Startup nicht behaupten, das die Plattform den Usern kostenfrei zur Verfügung steht, da eine Servicegebühr seitens der Notar:innen, die die Software einsetzen, verrechnet wird. Auch stellte das Gericht fest, dass notarity Honoraransprüche von Notaren weder abtreten lassen noch diese verrechnen darf.

Allerdings hat das Handelsgericht die beiden Hauptunterlassungsbegehren der ÖNK abgewiesen. Diese betrafen zum einen, dass notarity selbst keine Notariatsdienste anbieten dürfe, was aber obsolet ist, da das Startup seine Software Notar:innen anbietet, die dann damit ihre Services anbieten – und das kan auch weiterhin so passieren. Auch wurde abgeschmettert, dass der Name bzw. die Marke notarity irreführend sei – das Wiener Startup rund um CEO Jakobus Schuster darf sich als weiterhin wie gewohnt nennen. Zeitweise gab es die Befürchtung, dass sich das Startup für den österreichischen Markt umbenennen würde müssen – das ist nun ausgeräumt.

So heißt es im Urteil konkret:

Die Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

1. digitale notarielle Dienstleistungen über eine Plattform an Dritte anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder zu erbringen und/oder zu vermitteln;

2. notarielle Dienstleistungen und/oder sonstige mit dem Notarberuf in Zusammenhang stehende Dienstleistungen unter dem Zeichen „notarity“ oder einem verwechselbar ähnlichen Zeichen, das die Berufsbezeichnung „Notar“ zur Gänze aufnimmt, anzubieten und/oder zu erbringen und /oder zu vermitteln

werden abgewiesen.

Insgesamt wurde als nur bestimmten Eventualunterlassungs- und den darauf Bezug nehmenden Veröffentlichungsbegehren der Kammer stattgegeben. Den sich aus der Stattgabe dieser Eventualbegehren ergebenden Änderungsbedarf hätte notarity aber bereits weitgehend im vergangenen Winter umgesetzt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufungsfrist ist noch offen.

Schuldig gesprochen wurde notarity in folgenden 7 Eventualbegehren:

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen Preise für notarielle Dienstleistungen als Gesamtpreis ohne Angabe des Anteils, der auf die notariellen Dienstleistungen fällt, auszuloben und zu verrechnen (Zweites Eventualbegehren, zweites Teilbegehren).

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen entgegen den werblichen Beschränkungen von Notaren unzulässige unsachliche Werbung durch Aussagen wie „Notariatstemine waren noch nie so einfach“ und/oder „Online Notariatstermine bei unseren Partner-Notariaten sind der einfachste, schnellste und flexibelste Weg, um Ihre notariellen Angelegenheiten abzuwickeln.“ oder sinngleiche Aussagen zu tätigen (Drittes Eventualbegehren).

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen entgegen den werblichen Beschränkungen von Notaren unzulässige unsachliche Werbung durch Auslobung von Fixpreisen und von Honorarvorteilen für notarielle Dienstleistungen, nämlich für die Online-Beglaubigung einer Unterschrift EUR 150,– (netto) für die erste Unterschrift und EUR 75,– (netto) für jede weitere Unterschrift in demselben Termin und/oder dass die Durchführung der Gründung einer OG ab EUR 300,– durchgeführt werden kann, anzubieten oder durch sinngleiche Auslobungen zu tätigen (Viertes Eventualbegehren).

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern netto-Preise auszuloben (Sechstes Eventualbegehren).
  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen in ihren AGB gegenüber Verbrauchern gröblich benachteiligende Stornobedingungen zu vereinbaren und durchzusetzen, nämlich 100% Stornogebühren ab dem 5. Tag vor dem geplanten online-Termin oder gleichwirkende Klauseln in den AGB (Siebtes Eventualbegehren).

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen sich Honoraransprüche von Notaren abtreten zu lassen und diese gemeinsam mit ihren eigenen Entgeltforderungen oder getrennt von diesen in eigenem Namen gegenüber Dritten in Rechnung zu stellen (Zehntes Eventualbegehren).

  • Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Betrieb einer digitalen Plattform für notarielle Dienstleistungen zu behaupten, dass die Webplattform Notarity den Nutzern kostenfrei zur Verfügung stehe, wenn die beklagte Partei Nutzern ihrer Plattform oder ihre Vertragspartner tatsächlich eine Notarity Servicegebühr in Rechnung stellen (Elftes Eventualbegehren).

„Wir sind froh, dass das Handelsgericht Wien uns in allen für uns wesentlichen Punkten Recht gegeben hat. Damit können wir unser Geschäft fortsetzen. Das ist ein wichtiger Schritt in der digitalen Verwaltung und fördert Innovation im Land. Von dieser Entscheidung profitieren Unternehmen in ganz Österreich, denen dadurch der rasche Zugang zu Online-Beglaubigungen weiterhin offensteht“, heißt es in einer ersten Stellungnahme seitens Jakobus Schuster, CEO und Co-Gründer von notarity.

Detail am Rande: notarity als beklagte Partei wurde zu einer Strafe von 783 Euro an die klagende Partei, also die ÖNK, verdonnert. Geklagt hatte die ÖNK  wegen Unterlassung (EUR 44.000,–) und Veröffentlichung (EUR 3.400,–).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 783,– (halbe Pauschalgebühr) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

„Sind offen für Zusammenarbeit“

Und weiter: „Bedenken der Notariatskammer haben wir von Anfang an ernst genommen und die konstruktiven Hinweise von österreichischen Notaren für eine mögliche einvernehmliche Lösung dieser Angelegenheit und zum Teil auch zur weiteren Verbesserung unserer Dienste bereits vergangenen Winter umgehend umgesetzt. Daher würden wir uns freuen, wenn die Kammer jetzt auch umgekehrt mit uns als Start-up eine Gesprächsbasis findet, damit wir die Zukunft des Notariats gemeinsam gestalten können. Wir sind jederzeit offen für Dialog und Zusammenarbeit.“

Auch auf der Gegenseite sieht man sich auch irgendwie als Gewinner. „Mit dem vorliegenden Urteil ist klar, dass das geltende Recht auch bei technischen Weiterentwicklungen von Tools im Bereich der Digitalisierung strikt zu beachten ist. Die Entwicklung von technischen Systemen zur weiteren Digitalisierung der Notariate begrüßen wir sehr, letztlich hat die Österreichische Notariatskammer mit der Entwicklung der digitalen GmbH-Gründung diese Entwicklung selbst angestoßen“, erklärt ÖNK-Sprecher Ulrich Voit. „Es gibt aber eine Reihe von hoheitlichen notariellen Dienstleistungen, wie unter vielen anderen die Beglaubigung einer Unterschrift, die – ausschließlich – Notar:innen als vom Staat bestellte und in ein öffentliches Amt eingeführte Urkundspersonen neben den Gerichten anbieten und durchführen dürfen.“

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