Novo Nordisk – oder wie MedTech durch die Decke gehen kann
Im Kern ist es ein GLP-1-Rezeptoragonist, der die Welt im Sturm erobert. Der Wirkstoff Semaglutid, der wie ein natürliches Hormon im Körper wirken kann, um abzunehmen, wirkt derzeit wirtschaftliche Wunder. Denn Semaglutid ist der essenzielle Bestandteil der Abnehmspritze Wegovy, die den Aktienkurs des dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk explodieren ließ. Das 1923 gegründete Unternehmen ist aktuell knapp 400 Milliarden Dollar wert – das ist deutlich mehr als das dänische Bruttoinlandsprodukt von 2022, das 376 Milliarden Euro betrug.
Novo Nordisk ist das perfekte Beispiel für ein BioTech-Unternehmen, dessen Geschäftsmodell plötzlich explodiert. Die Dänen unter CEO Lars Fruergaard Jørgensen war eigentlich lange Zeit als einer der führenden Hersteller von Insulin, also dem blutzuckersenkenden Medikament für Diabetiker:innen. Der genannte Wirkstoff Semaglutid wurde ab 2018 in den USA und der EU zur Behandlung von Typ-2-Diabetes unter dem Handelsnamen Ozempic zugelassen. 2021 erfolgte dann aber der ganz großer Wurf. Denn Semaglutid wurde dann in der Lifestyle-Arznei Wegovy als Abnehmprodukt neu aufgelegt.
Der Unternehmenswert von Novo Nordisk explodierte dann 2022. In einer Welt, in der etwa2 Milliarden Menschen übergewichtig bzw. fettleibig sind, ist die Wegovy-Spritze zum Kassenschlager geworden. Die Spritze können sich Menschen einmal wöchentlich unter die Haut in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm injizieren, und Semaglutid sorgt dann dafür, dass das Sättigungsgefühl einer Person erhöht und gleichzeitig die Nahrungsaufnahme, den Hunger und das Verlangen verringert wird. Studien zeigen, dass Wegovy nach 68 Wochen 15 bis 16 Prozent des Körpergewichts senkt – etwas, das viele Menschen wollen.
Patentstreits mit Herstellern von Generika
Wegovy wurde dann ab Ende 2021, Anfang 2022, nach der Zulassung durch die FDA, in den USA zum Renner – vor allem deshalb, weil Stars wie Kim Kardashian oder Elon Musk nahmen, um Gewicht abzubauen. Bessere (kostenlose) Testimonials kann sich ein Unternehmen kaum wünschen. Mittlerweile ist Wegovy auch in Deutschland, Norwegen und Dänemark erhältlich, und der nächste Riesenmarkt soll Indien werden. Mit der Spritze lässt sich richtig Asche verdienen: Eine Dosis kann bis zu 75 Euro kosten, über die 68 Wochen Nutzungszeit geben Anwender:innen schon mal mehr als 5.000 Euro aus. Sofern sie die Abnehmspritze auch bekommen, weil Novo Nordisk gar nicht mit der Produktion nachkommt.
Klar auch, dass viele andere an dem Geschäft mitnaschen wollen. Der Generikahersteller Mylan Pharmaceuticals, der versuchte, die Patente, die Wegovy schützen, anzufechten. Das wurde vom US-Patentamt teilweise abgewiesen bzw. ist eine Entscheidung wegen eines dritten Patentes noch offen. Auch Novo Nordisk selbst verteidigt sein Wundermittel aktiv und hat selbst bereits Patentverletzungsklagen gegen Unternehmen eingereicht, die Generika der Medikamente herstellen wollen. Damit ist offen, wie sich der Aktienkurs des Unternehmens weiter entwickeln wird – und ob der Zenith bereits erreicht wurde.
Zum Vergleich: BioNTech, der deutsche COVID-19-Impfstoff-Star, ist an der Börse nur mehr etwa 26 Mrd. Euro wert, und hat seit dem Peak 2021 etwa zwei Drittel an Marktkapitalisierung verloren. Auch bei Novo Nordisk weiß man, dass man sich nicht auf den heutigen Erfolgen ausruhen darf. So wurde vor kurzem eine Kooperaiton mit Valo Health aus den USA zur Entdeckung und Entwicklung neuartiger Behandlungen für kardiometabolische Erkrankungen geschlossen. Geforscht werden soll auf der Grundlage von menschlichen Datensatzes von Valo und durch künstliche Intelligenz (KI) gestützten Berechnungen.