Nunu Kaller: „Das ökologischste Kleidungsstück ist das, das nicht produziert werden muss“
Nunu Kaller ist eine der bekanntesten Umweltaktivistinnen Österreichs. Bereits 2013 hat sie mit ihrem Buch zum Fashion-Überkonsum aufhorchen lassen: Für „Ich kauf‘ nix“ hat sie ein Jahr lang darauf verzichtet, neue Kleidung zu kaufen. Sie war zuletzt Konsumentinnen-Sprecherin für Greenpeace und schreibt derzeit an ihrem mittlerweile dritten Buch. Im Gespräch mit Tech & Nature redet Kaller über Konsum, Klimakrise und Globalisierung.
Tech & Nature: Du beschäftigst dich seit Jahren mit Konsumthemen – von welcher weit verbreiteten, schlechten Angewohnheit würdest du sofort abraten?
Nunu Kaller: Ich gebe ungerne Ratschläge. Was ich aber beobachte ist, dass wir sehr viel gedankenlos nebenbei shoppen. Wir werden verführt, da wirken viele verschiedene Mechanismen auf uns. Es ist ziemlich hart, sich da die ganze Zeit dagegen zu stellen. Aber es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich darauf zu besinnen, was man eigentlich wirklich braucht.
Es gibt Bereiche, da ist nachhaltiges Shoppen einfacher – etwa in der Gemüseabteilung. Und dann gibt es Bereiche, da ist es besonders schwierig, etwa bei Mode. Warum ist da so ein großer Unterschied?
Ich sehe bei der Mode in den letzten Jahren eine sehr große Entwicklung. Man kann sehr wohl sehr gut nachhaltig einkaufen. Es gibt sehr viele junge Labels mit Fokus auf Bio-Stoffe, faire Produktion. Da wird die Auswahl immer größer und auch bezahlbar. Das ökologischste Kleidungsstück ist aber das, das nicht produziert werden muss. Das beste ist, die eigene Kleidung möglichst lange zu tragen. Es ist dieses „Shopping als Hobby“, das einen nachhaltigen Kleiderkonsum schwierig macht.
Nachhaltiges Shopping erfordert oft auch viel Informations-Recherche. Wie schaffst du den Spagat zwischen nachhaltigem Mode-Shopping und dann auch noch Zeit und Geld übrig haben?
Wer nachhaltig konsumieren will, konsumiert auch von der Menge her anders. Man kauft sich nicht ein Paar Jeans, die gerade im Angebot sind, sondern ein wirklich gutes Paar, das lange hält und vom Schnitt her auch noch in fünf Jahren getragen werden kann. Dann rechnet es sich wieder, wenn man die wenigen Kleidungsstücke, in die man investiert, lange trägt. Der Spruch, „Wer billig kauft, kauft teuer“ stimmt auch in dem Fall.
Der Handel argumentiert natürlich, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt. Solange die Nachfrage nach Fast Fashion da ist, wird es sie auch geben. Wie löst man dieses Dilemma?
Irgendjemand hat mal angefangen, diese 10-Euro-Blusen anzubieten. Das ist eine Henne-Ei-Frage. Dieses Argument habe ich in meiner Arbeit für Greenpeace auch sehr oft von Supermärkten gehört. Mein Lieblingsbeispiel ist eine Kette, die für Obst und Gemüse kleine, waschbare Mehrweg-Sackerl angeboten hat. Dann wurde uns erklärt, der Kunde kauft es ja nicht. Der Lokalaugenschein in mehreren Filialen hat gezeigt, warum: Die Sackerln um 1,70 sind direkt neben der Gratis-Rolle gehangen. Das ist für mich ein sehr schönes Beispiel dafür, dass die sehr wohl wissen, wie die Nachfrage gesteuert wird. Ich finde inzwischen, das Angebot bestimmt das Angebot. Die Nachfrage kann erzeugt werden.
In der Corona-Krise sind sehr viele regionale Online-Shops entstanden – du hast eine Liste erstellt, die viel Aufmerksamkeit genossen hat. Glaubst du, dass diese Shops wirklich eine Chance haben?
Es hat so begonnen, dass ich im Lockdown einen Post gemacht habe mit allen Händlern, die einen Online-Shop haben und noch liefern. Das hat sich innerhalb kürzester Zeit verselbstständigt. Nach wenigen Tagen hatte ich fast 6.000 Einträge. Ich bin mit zwei Argumenten herangegangen: Einerseits die Leute zu unterstützen, denen die Einnahmen jetzt weggebrochen sind. Das zweite war aber schon, dass wir in dieser Zeit schauen sollten, dass die Steuern im Land bleiben. Darauf habe ich extrem viel Rückmeldung bekommen. Da haben die Leute realisiert, es gilt das Regionale zu bevorzugen. Ich denke schon, dass ein Teil davon eine gute Chance hat – es waren sehr gute Ideen dabei. Aber es werden natürlich nicht alle schaffen.
Regionalisierung ist in der Corona-Krise ein sehr wichtiges Thema. Gleichzeitig kann man als exportorientiertes Land wie Österreich die Globalisierung nicht per se verteufeln. Wie siehst du das?
Die Globalisierung hat mit Corona nicht geendet, aber sie hat einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Das schönste Outcome wäre jetzt, wenn man sich wirklich Gedanken darüber macht, wie man Globalisierung anders leben kann. Das halte ich allerdings für wenig wahrscheinlich. Was ich gut finde ist, dass wir bemerkt haben, dass es schlecht ist, wenn wir uns komplett von anderen Staaten abhängig machen. Man hat ja schon vor Corona bemerkt, dass man plötzlich viele Medikamente nicht mehr bekommt. Das war, weil auf Produktion in China umgestellt wurde. Am Anfang der Coronakrise ist dann das Thema mit der Schutzkleidung aufgekommen.
Glaubst du grundsätzlich daran, dass die Klimakrise lösbar ist?
Ich denke, wir können sie verlangsamen. Wir können den negativen Einfluss, den die Menschheit auf das Klima hat, verlangsamen. Aber das Zeitfenster wird immer kleiner.
Es gibt im Amerikanischen diesen Begriff der „Climate Anxiety“ – hast du manchmal Angst vor der Ohnmacht gegenüber der Klimakrise?
Ja. Ich habe keine Angst für mich und um mein Leben. Aber ich habe Angst um zukünftige Generationen. Das was die Klimakrise mit sich bringt ist ja nicht nur, mir ist jetzt heiß. Sie bringt Kriege und Unstimmigkeiten. Es wird Fluchtbewegungen geben – wenn den Leuten die Insel wegschwappt, auf der sie leben. Es wird Rohstoffkämpfe geben. Angst ist da vielleicht der falsche Ausdruck, aber es erfüllt mich mit Sorge – es ist ein Damoklesschwert.
Lass’ uns noch über etwas Schönes reden: Du schreibst an einem neuen Buch, magst du uns schon etwas verraten?
Mein erstes Buch hatte den Titel „Ich kauf’ nix. Ein Jahr ohne Kleiderkauf“, in dem ich mir angeschaut habe, wo meine Sachen eigentlich herkommen. Ich habe danach lange als Konsumentinnensprecherin gearbeitet. Das, was mich wirklich begonnen hat, zu interessieren war dieses Warum wir überhaupt konsumieren und was uns da eigentlich alles eingeredet wird. Wo kommt dieses Value-Action-Gap her: Wir wissen eigentlich, wie es richtig geht, wir machen es aber doch nicht. Genau das schaue ich mir im neuen Buch an. Ich halte Konzepte wie den Minimalismus halte ich für nicht zukunftsfähig. Weil wir von Natur aus Wesen sind, die gerne Ressourcen an sich schaffen. Wer das wirklich lange durchhält hat meinen höchsten Respekt, ich halte es aber für kein massentaugliches Phänomen.