Österreichs digitale Zukunft: Diese 10 Tipps gibt die heimische Start-up-Szene der Bundesregierung
Österreich, das hat die Bundesregierung in den letzten Monaten überdeutlich klar gemacht, soll wieder zu einem Innovations-Leader in Europa gemacht werden. Bloß: wie? Während Staatssekretärin Sonja Steßl (SP) und Staatsekretär Harald Mahrer (VP) die Koordination der “Digital Roadmap” angehen und über alle Ressorts hinweg gemeinsam mit Gebietskörperschaften, Sozialpartnern, Wissenschaft, Wirtschaft und NGOs an Konzepten feilen, sind noch bis 31. März alle Bürger gefragt, sich mit eigenen Ideen einzubringen. Wie es das Social-Media-Zeitalter verlangt, gibt es unter www.digitalroadmap.gv.at ein Online-Forum, in dem sich jeder mit Beiträgen einbringen bzw. die Beiträge anderer kommentieren und bewerten kann. Die Ergebnisse daraus sollen in die Strategie der Bundesregierung einfließen.
Vertreter der österreichischen Start-up-Szene, die sich (nicht ganz zu Unrecht) gerne als Speerspitze in Sachen digitaler Innovation sehen, haben sich ihre eigenen Gedanken zur digitalen Zukunft Österreichs gemacht. Auf TrendingTopics.at haben sie in den vergangenen Wochen ausführliche Vorschläge verfasst, wie unser Land umgestaltet werden müsste, um Gesellschaft und Wirtschaft im vernetzten Zeitalter konkurrenzfähig gemacht werden könnte. Denn eines ist klar: In den USA, in Asien, aber auch in Berlin oder London ist man Österreich schon viele Schritte voraus, was digitale Innovationen angeht. Hier sind die Ideen der Gründerszene:
1. Besseres Englisch
“Wenn ich mich für eines einsetze, das das: Perfekte Englischkenntnisse. Jedes Kind sollte in Österreich sehr gutes Englisch lernen”, sagt Florian Gschwandtner, CEO und Mitgründer des Erfolgs-Start-ups Runtastic, nunmehr in Besitz des Sportriesen Adidas. “Menschen, die gut Englisch können, lesen auch im Internet und googeln auch automatisch mehr in Englisch. Dadurch denkt man schnell mal über den Tellerrand hinaus, der Horizont wird automatisch erweitert.” Er selbst hätte am eigenen Leib erfahren müssen, nur schlecht Englisch sprechen zu können, als er seine erste Keynote vor 1400 Leuten hielt und teilweise die Fragen, die ihm vom Publikum gestellt wurden, nicht verstanden hätte. “Mein Ansatz: Lasst uns Spongebob und das Kinderfernsehen auf Englisch umstellen. Das ist technisch möglich und mit niedrigen Kosten verbunden”, so Gschwandtner. “Unsere Kinder werden spielerisch, automatisch und mit Freude diese Sprache lernen.” Vorbild könnten die Niederlande, Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden oder Estland sein, wo nicht synchronisiert wird, sondern Untertitel dominieren.
2. IT in der Volksschule
“In Österreich herrscht ein eklatanter Mangel an IT-Fachkräften, und Start-ups spüren diesen Fachkräftemangel während ihrer Wachstumsphase umso stärker”, sagt Christoph Jeschke, Geschäftsführer der Initiative AustrianStartups, die quasi als Interessensvertretung der österreichischen Gründerszene fungiert. “Um in Zukunft mehr ambitionierte und gut qualifizierte Menschen in Österreich auszubilden, gilt es im Bildungswesen einiges zu verändern. Jeder Volksschüler sollte die Möglichkeit haben, das Programmieren zu erlernen und so schon von Kleinkindalter weg digitale Kompetenzen fördern können.” In Ländern wie den USA, Großbritannien oder Australien gibt es solche Programme bereits. Schulen in England etwa lehren Schüler bereits ab dem Alter von fünf Jahren, wie Computer-Codes funktionieren.
3. Digital kompetente Lehrer
“Weshalb setzen wir mobile Endgeräte nicht abseits von Spielen und lustiger Foto-Apps in einem sinnvollen pädagogischen Kontext ein, um hier einen Mehrwert im Unterricht zu erzielen?”, fragt sagt Philipp Etzlinger, Gründer des Sprachlern-Start-ups uugot.it sowie Projektmanager bei der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus. Das alleine würde aber nicht reichen, denn viele Lehrer könnten mit den Geräten und Apps nicht oder nur unzureichend umgehen. “Es geht auch darum, die Medienkompetenz der Lehrenden zu stärken”, so Etzlinger. “Das zu ändern, ist eine Grundvoraussetzung, um den Unterricht mit digitalen Inhalten überhaupt erst möglich machen zu lassen.”
4. Erwachsene ausbilden
„Wir dürfen die Dinos nicht sterben lassen“, meint Thomas Vajay, Gründer der Vienna Intrapreneur Academy, wo Unternehmen innerbetriebliche Innovation mit Hilfe von Kursen für Mitarbeiter fördern können. “Wir gehen immer davon aus, dass Vorstände heute alles zum Thema Digitalisierung wissen bzw. wir erwarten es einfach von solchen Positionen. Aber wir vergessen, dass Digitalisierung für alle Neuland ist.” Themengebiete wie Lean-Startup, Business-Modell-Innovation oder User Experience Design gehörten nicht nur in den Lehrplan von Schülern und Studenten, sondern auch in die Erwachsenenbildung und HR-Trainingskataloge. Der Fokus auf die Gründerszene allein greife zu kurz, man müsse auch die großen Unternehmen, die für sehr viele Arbeitsplätze sorgen, zukunftsfit machen. “Viele Manager sind im analogen Zeitalter mit klassischen Alpha-Strukturen sozialisiert und ausgebildet worden. Keine guten Voraussetzung, damit die digitale Transformation gelingt”, so Vajay.
5. Steuererleichterungen
“Österreich ist in der glücklichen Position, einige vermögende Personen zu beheimaten. Diese legen ihr Geld aber meist äußerst konservativ an”, sagt Armin Strbac, dem Mitgründer der Flohmarkt-App Shpock, die 2015 bei einer Bewertung von etwa 200 Millionen Euro an den norwegischen Medienkonzern Schibsted verkauft wurde. Er fordert steuerliche Impulse, damit mehr Wohlhabende in Start-ups investieren. “Vermehrte Investments würden zu mehr Menschen führen, die es wagen, ein Unternehmen zu gründen. Dies wiederum führt zu mehr Arbeitsplätzen. Und auch wenn manche Start-ups scheitern, wird ein großer Teil bestehen bleiben und in weiterer Folge seinen Beitrag dazu leisten, unsere Gesellschaft langfristig wettbewerbsfähig zu machen. Selten war für mich ein Multiplikatoreffekt so offensichtlich.” Ob ein solche Risikokapitalfreibetrag für Investoren kommt, ist fraglich. Die ÖVP will ihn, die SPÖ blockte bisher ab.
6. Mitarbeiterbeteiligung
“Statt einer ‘GmbH light’ brauchen wir eine ‘AG light’, die Arbeitgebern als ein unbürokratisches Instrument dient, ihren Angestellten Anteile zu übertragen”, sagt Harald Trautsch, Chef der Firma Dolphin Technologies, die sich auf Telematik spezialisiert und kürzlich die Digitalagentur Blue Monkeys übernommen hat. “Gerade für junge Unternehmen ist „work for equity“ (Arbeitsleistung wird teilweise mit Firmenanteilen bezahlt, Anm.) eine gute Möglichkeit, an hochqualifizierte Mitarbeiter zu kommen.” Im Silicon Valley sind solche Mitarbeiterbeteiligungen seit vielen Jahren üblich. Facebook etwa half das dabei, in frühen Entwicklungsphasen die besten Talente an sich zu binden, die ihre Firma so nicht nur als Arbeitgeber wahrnehmen, sondern sich als Teil des Unternehmens sehen. Im Falle von Facebook und anderer US-IT-Riesen hat das viele frühe Mitarbeiter reich gemacht, als sie ihre Anteile nach de Börsengang am Aktienmarkt verkaufen konnten.
7. Rot-Weiß-Rot-Karte
Fachpersonal aus dem Nicht-EU-Ausland anzuwerben ist ein unendlicher Kampf gegen die heimische Bürokratie, oft mit einem unbefriedigenden Ergebnis”, sagt Johanna Schober, COO des Wiener Videospielentwicklers Sproing. Deswegen müsse die Rot-Weiß-Rot-Karte (sie berechtigt Drittstaatsangehörige zur befristeten Niederlassung und zum unbeschränkten Arbeitsmarktzugang in Österreich, Anm.) entbürokratisiert werden. Ängste, dass ausländische Fachkräfte Inländern so die Arbeitsplätze wegnehmen würden, versteht sie nicht. Aus dem Ausland nach Österreich geholtes Fachpersonal steht nicht in Konkurrenz zu lokalen Talenten – das Gegenteil ist der Fall, denn erfahrene Experten tragen viel zur Ausbildung und zum Mentoring von lokalen Berufseinsteigern bei”, so Schober. “Von diesem Austausch profitiert Österreich enorm.”
8. Neue Gewerbeordnung
“Da Hightech-Start-ups regelmäßig im Bereich reglementierter Gewerbe – etwa im Life Science Sektor oder dem Elektrotechnik-Gewerbe – tätig sind, ist das Schaffen eines gründertauglichen Gewerberechts von zentraler Bedeutung für die Digitalisierung des Wirtschaftsstandorts Österreich”, sagt Roman Rericha, Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei Brandl & Talos, die das Start-up-Förderungsprogramm “BTP Nährboden” betreibt. Derzeit sei das Anmelden insbesondere eines reglementierten Gewerbes ein bürokratisches Unterfangen, das für Gründer oft abschreckend wirke.Die Einführung einer „Gewerbeberechtigung light“, bei der (ungefährliche) Tätigkeiten des entsprechenden Gewerbes schon vor bescheidmäßiger Entscheidung ausgeübt werden dürfen, könne Abhilfe schaffen.
9. Staat als Auftraggeber
“Warum gerade der Staat nicht viel öfter bei Start-ups als Kunde auftritt und damit konkret der digitalen Ökonomie Anschub verleiht, bleibt rätselhaft”, findet Michael Schuster, Partner bei Wiener Risikokapitalgeber Speedinvest, der in einer ganzen Reihe österreichischer Jungfirmen (z.B. Wikifolio, Crate, Bitmovin, Indoors, Hitbox) investiert ist. “In vielen Fällen werden vielmehr jene großen multinationalen Konzerne mit Aufträgen betraut, die an anderer Stelle gerne als Steuersünder bezichtigt werden”, so Schuster. “Da diese Konzerne dann gerne wieder bei kleinen, spezialisierten Unternehmen zukaufen, fragt man sich oft, warum hier nicht mutiger agiert und vergeben wird.” Ein KMU-Bonus bei staatlichen Vergabeverfahren könne das ändern.
10. Mehr Informatiker
“Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft haben keine angemessene Vorstellung von diesen digitalen Kernberufen”, sagt Birgit Hofreiter, Leiterin des Informatics Innovation Center (i²c) der TU Wien. Sie fordert deswegen, dass Spitzenpositionen in Regierungen, Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung öfter mit Informatikern oder Wirtschaftsinformatikern besetzt werden. Zudem sollten Studiengänge, die Kernbereiche der digitalen Transformation adressieren, wirksamer beworben werden. Und auch die Gründungszentren der Unis selbst bräuchten mehr Personal. “Die TU München, die eine ähnliche Größe aufweist wie die TU Wien, betreibt das Gründungszentrum „UnternehmerTUM“, das über 130 Mitarbeiter und einen Etat von mehreren Millionen Euro pro Jahr verfügt”, so Hofreiter. zum Vergleich: Das Informatics Innovation Center an der TU Wien hat gerade einmal zwei Mitarbeiter.