Österreichs Startup-Szene hat ein Nachwuchsproblem
Beim Durchschauen der Fotos vom AustrianStartups Summit vergangene Woche ist mir auch eines aufgefallen: Es gibt überraschend viele graue Haare auf den Bildern zu sehen. Das hat natürlich damit zu tun, dass so manche Teilnehmer:innen nunmehr zehn Jahre oder mehr im Sektor unterwegs sind und getrost Veteranen genannt werden dürfen. Vielleicht waren viele jüngere Gründer:innen auch in Hamburg am OMR-Festival, zumindest machten jene, die dort waren, kein großes Geheimnis daraus.
Was aber jedenfalls, abseits von grauen Haaren und Co, auch anhand der Zahlen augenscheinlich ist: Der Startup-Sektor hat ein Nachwuchsproblem. Die These, die ich und andere mitten in der COVID-Pandemie zu einer baldigen Gründungswelle hatten, hat sich nicht bewahrheitet. Nein, Krisenzeiten sind keine Gründerzeiten. Stattdessen dürften die vielen Negativnachrichten über Startup-Pleiten, zurückgefahrene Investment-Tätigkeit, wirtschaftlicher Stagnation in Folge des Ukrainekriegs und Co deutlich davor abschrecken, Neues zu wagen.
Bisherige Spitze liegt vor COVID
Mag sein, dass in Österreich 2023 einen Rekord bei Unternehmensgründungen gab, allerdings sind es 82,1 Prozent Einzelunternehmen, und die haben mit Startups wenig bis gar nichts zu tun (weil sie in der Regel weder Investoren noch Personal noch Förderungen aufnehmen können, demnach nicht wachstumsorientiert sind). Vielmehr ist es so, dass die Zahl der Startups im engeren Sinne nach einem Peak im Jahr 2019 (Prä-COVID) gesunken ist, und die vorläufigen Zahlen dann von 2021 auf 2022 (<= Zinswende schlägt zu, Investoren gehen vom Gas, die Pleitewelle beginnt zu rollen) drastisch gefallen sind.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der Sektor 2023 wieder erholt hat, aber Beobachter:innen meinen, dass sich das Gründungsgeschehen bei Startups irgendwo zwischen 250 und 300 einpendelt. Hier die entsprechende Statistik aus dem Austrian Startup Monitor für 2023:
Die neue, Linkedin-ähnliche Online-Plattform von AustrianStartups liefert auch einige Hinweise zu dem Nachwuchsproblem. Seit dem Start der Plattform vor vier Monaten haben es gerade einmal 82 Startups geschafft, sich in das Verzeichnis einzutragen. Zum Vergleich: Die Zahl der eingetragenen, im Ökosystem tätigen Organisationen (Anwaltskanzleien, Beratungsunternehmen, Ausbildungsstätten, Förderstellen, Vereine, Banken, Investoren usw.) ist mit 236 fast drei Mal größer. Würde man nur diese, sicher nicht vollständigen oder repräsentativen Zahlen hernehmen, müsste man sagen: Das Ökosystem ist drei mal größer als die Startup-Szene, die sie versorgen.
Auch in anderen Ländern wie den USA oder Deutschland konnte man 2022/2023 sehen, dass die Neugründungen von Startups zurückgegangen ist. Zuletzt wurde in Deutschland immerhin beobachtet, dass die Zahl der von Januar bis März 2024 entstandenen Jungfirmen bei 658 liegt – ein deutliches Plus von 17 Prozent gegenüber Vorjahr. Abzuwarten bleibt, ob der Trend anhält und auch in anderen Ländern zu beobachten ist.
Dutzende Startup-FlexCos an den Start gegangen
In Österreich kann man immerhin sagen, dass die neue Gesellschaftsrechtsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKap/FlexCo), die vor allem für Startups entworfen wurde, immer mehr Anklang findet. Unter den seit Jahresbeginn etwa 220 gegründeten FlexCos finden sich knapp (eindeutig identifizierbare) 40 Startups, die in den vergangenen viereinhalb Monaten errichtet wurden. Hochgerechnet aufs Jahr wären das etwa 120 FlexCos, zusätzlich zu den GmbHs, die weiter gegründet werden. Das könnte wieder insgesamt für mehr Startup-Gründungen sorgen, allerdings bleibt abzuwarten, ob die 300er-Marke wieder geknackt werden kann. Wie berichtet, rechnet die österreichische Bundesregierung wegen der Einführung der FlexCo nicht mit einer Gründungswelle – dafür braucht es weitere Faktoren, und die betreffen am Ende Kapital und Markt.
Hier die Liste aller bisher gegründeten FlexCos: