OMV will weg von Öl- und Gas: Fokus auf Chemie und Kunststoff
Der Zeitpunkt könnte nicht glücklicher gewählt sein. Mitten in den Wirren des Ukrainekrieges, Treibstoffpreisen in Rekordhöhe und der Sorge um Versorgungssicherheit mit Öl und Gas stellt die OMV seine Strategie 2030 vor. Österreichs größter Mineralölkonzern will bis zum Jahr 2030 seine Öl- und Gasproduktion um ein Fünftel zurückfahren und bis 2050 die Klimaneutralität erreichen. Somit erst zehn Jahre später, nachdem Österreich selbst bereits den Status „klimaneutral“ anstrebt. Zwangsläufig soll die Öl- und Gasproduktion der OMV dann ebenfalls bis 2050 vollständig eingestellt sein.
Hinsichtlich des Krieges in der Ukraine betrachtet die OMV Russland nicht mehr als Kernregion und streicht auch zukünftige Investitionen in das Land.
OMV will weg von Öl und Gas
Das teilstaatliche Unternehmen veröffentlichte zeitgleich mit seiner Erklärung auch einen Imagefilm: „Die Art und Weise, wie wir Energie und Ressourcen nutzen, muss sich ändern“, heißt es darin. Die OMV habe das mittlerweile verstanden und nehme seine Verantwortung gegenüber dem Planeten und der Gesellschaft sehr ernst. Anstatt sich auf Produkte der Wegwerfgesellschaft zu konzentrieren, will das Unternehmen künftig mehr auf Recycling und zirkuläre Geschäftsmodelle setzen.
Auch wenn das Hauptgeschäftsfeld wegfällt, soll das Wachstum des Unternehmens nicht darunter leiden. Nachhaltige Kraftstoffe, Chemikalien und Materialien sollen zukünftig das Hauptgeschäft der OMV ausmachen. „Wenn wir den Lebensstandard überall auf der Welt erhalten und ausbauen und gleichzeitig das Überleben unserer Gesellschaft sichern wollen, müssen wir zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise übergehen“, sagt OMV-CEO Alfred Stern. Das Geld für die neue Unternehmensausrichtung soll aus den Gewinnen der Öl- und Gasproduktion kommen, 2021 konnte der Gewinn auf 2,8 Milliarden Euro fast verdoppelt werden. Daher wird auch in den nächsten Jahren weiter in Öl und Gas investiert. Bis 2026 sollen die Investitionen laut Bericht weitergehen, wobei besonders das Gas im Fokus liegt. Erst danach sollen die Investitionen „deutlich“ zurückgehen.
Größter Solarpark Österreichs: Verbund hilft OMV bei Umstieg auf erneuerbare Energie
Gute Schritte, aber zu langsam
Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 sieht in einer ersten Reaktion viel zu zögerliche Schritte beim Ausstieg aus fossiler Energie: „Dass der Ausstieg aus fossiler Energie unumgänglich ist, ist nun auch bei der OMV angekommen. Allerdings kommt der Rückzug aus Öl und Gas viel zu langsam und zögerlich. Statt einer Reduzierung der Öl- und Gasproduktion um ein Fünftel, braucht es mindestens eine Halbierung bis 2030 und Nullemissionen bis spätestens 2040“, fordert Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000, in einer Aussendung.
Tatsächlich sind die Ziele der OMV eher konservativ angesetzt. Die Nachfrage an Treibstoff dürften in den nächsten Jahren abnehmen, weil verstärkt auf E-Mobilität umgerüstet wird. Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler schlug so etwa ein Aus von Neuzulassungen für Verbrennungsmotoren ab 2030 vor. Im Fahrplan für Klimaneutralität ist zudem eindeutig festgelegt, dass der heimische Markt für Gas und Öl zwischen 2030 und 2040 komplett verschwinden soll (wir berichteten).
Investitionen in Geothermie und CCS
Neben der Transformation hin zu einem zirkulären Geschäftsmodell will die OMV rund fünf Milliarden Euro in die Entwicklung von CO2-armen Geschäftsfeldern investieren, wie etwa Geothermie und die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS). Ziel für 2030 ist eine Speicherung von 5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Die OMV wird auch ihr Solar- und Windkraftgeschäft für den Eigenbedarf auf mindestens 1 TWh ausbauen und Möglichkeiten im Bereich Gas- und Wasserstoffspeicherung prüfen. Die Produktion von laut eigenen Aussagen nachhaltigen Kraftstoffen und nachhaltigen chemischen Rohstoffen wird bis 2030 auf 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert, wobei fast die Hälfte der Mengen auf nachhaltige Flugzeugtreibstoffe entfällt.
Auch GLOBAL 2000 findet die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, wie Geothermie oder den Ausbau von Wind- und Solarenergie, sinnvoll. Die Nutzung von Tiefenwärme kann uns unabhängig von Öl- und Gasheizungen machen und eine umweltfreundliche und preisstabile Wärmeversorgung sicherstellen, so die Organisation in einer Aussendung. Kritisch betrachten sie allerdings die „Carbon Capture und Storage“-Technologie (CCS), also das Abscheiden von CO2 aus der Industrie. Wesentlich besser sei es, CO2-Emissionen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Die OMV fällt rund um das Thema Klimaschutz meist negativ auf. Zuletzt bugsierte sich das Unternehmen mit Vorwürfen ins Abseits, Mitglieder der Klimabewegung, von Greenpeace und Fridays for Future durch private Sicherheitsfirmen überwacht zu haben (wir berichteten). Und auch in den letzten Tagen kam Druck aus der Politik: Weil Benzinpreise nicht so schnell sanken wie der Ölpreis, vermutete etwa Vizekanzler Werner Kogler, dass „ein paar Öl-Konzerne“ übermäßige Gewinne einstreichen würden. Die Bundeswettbewerbsbehörde soll daher eingeschaltet werden.
Obwohl der Ölpreis den dritten Tag in Folge sinkt, bleiben die Preise an den Tankstellen gleich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich ein paar Öl-Konzerne auf Kosten der Leute eine goldene Nase verdienen. Da geht es nicht um Millionen, sondern um Milliarden. (1/2) pic.twitter.com/X8jsfpWja2
— Werner Kogler (@WKogler) March 15, 2022