Ourpower: Hier kannst du den Strom vom Dach deines Nachbarn kaufen
Regionalität ist bei Lebensmitteln bereits ein selbstverständlicher Nachhaltigkeits-Trend. Bei Strom allerdings noch nicht und das ist ein Problem, meint Ulfert Höhne, einer der Gründer von Ourpower.coop. Auf der Stromrechnung müssen zwar die Quellen des Stroms angegeben werden, oft erwerben Anbieter das Recht, ihren Strom Ökostrom zu nennen, aber über Ökozertifikate. „In Österreich gibt es 125 Ökostromanbieter weil diese Zertifikate so billig sind“.
Höhne und seine Mitbegründer wollen deshalb zwischen Verbraucher und Erzeuger eine direkte wirtschaftliche Beziehung herstellen. So sollen regionale Energie-Communities gefördert werden und Kleinerzeuger mit fairen Preisen auf ihre Rechnung kommen.
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Den Preis selbst festlegen
Ein Beispiel: Eine Familie in Niederösterreich hat auf dem Dach ihres Hauses eine Photovoltaik-Anlage installiert. Die erzeugt mehr Strom, als die Familie benötigt. Für den überschüssigen Strom, den sie ins Netz einspeist, bekommt der Erzeuger 13 Jahre lang einen geförderten Preis und dann den aktuellen Börsepreis, also aktuell etwa 3,5 bis 4 Cent pro Kilowattstunde (KWh).
Bei Ourpower.coop kann die Familie, zu diesem Zeitpunkt, ihren Strom wie auf einem Marktplatz anbieten und den Preis selbst bestimmen. Ourpower unterstützt die Anbieter bei der Preisgestaltung, meist liege man aber zwischen 5 Cent und 9 Cent pro KWh, also über dem Börsepreis.
Regionaler Strom-Mix-Generator
Personen, die Strom kaufen möchten, bietet Ourpower schließlich einen Generator für ein Strommix-Angebot an. Man gibt seine Postleitzahl und Strombedarf an und die Plattform macht nach regionalen und ökologischen Kriterien einen Vorschlag, von welchen Erzeugern man seinen Strom beziehen könnte. „Wir achten darauf, dass es immer ein Mix aus verschiedenen Quellen ist, damit der Bedarf an Ausgleichsenergie nicht so groß ist“, erklärt Höhne. Das bedeutet, dass man einen Mix aus Windkraft, Solar und Wasserkraft bezieht, um zum Beispiel besser über den Winter zu kommen.
Nimmt man das Angebot an, erhalten diese Anbieter für die gekauften KWh die von ihnen festgelegten Preise. Kann die überschüssige Energie nicht verkauft werden, wird der Marktpreis bezahlt. „Wir sorgen für die Netzdurchleitung, Ausgleichsenergie und die Zahlungsabwicklung“, so Höhne. Dafür bezahlen Bezieher von Strom eine jährliche Gebühr von 36 Euro und Erzeuger je nach Anlage bis zu 1 Cent pro verkaufter KWh. „Davon kann Ourpower ab etwa 8.000 Kunden leben“, meint Höhne.
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Bis 2030 nur Ökostrom in Österreich
Derzeit sind 100 Stromkäufer an Bord, das Team rechnet aber mit einem starken Wachstum – auch, weil der Anteil von Anlagen für erneuerbare Energie in den nächsten Jahren stark ansteigen werde. Die türkis-grüne Regierung hat das ambitionierte Ziel gesteckt, dass die Stromversorgung bis 2030 in Österreich rein aus erneuerbaren Quellen stammen soll. „Wir brauchen alleine eine Million zusätzlicher Photovoltaikanlagen, um das Regierungsziel zu erreichen“, so Höhne. Bis Jahresende will das Jungunternehmen 3.000 Kunden haben, langfristig sollen es 10.000 werden.
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Genossenschaft mit mehr als 240 Mitgliedern
Ourpower ist als Genossenschaft organisiert. Ein Anteil kostet 100 Euro und Mitglieder sollten mindestens zehn Anteile kaufen, empfiehlt Höhne. Mehr als 240 Mittglieder zählt die Genossenschaft bereits und die haben ein Kapital von 417.000 Euro eingebracht – das Ziel sind 800.000 Euro. Ab 2022 plant Ourpower Gewinne zu schreiben und diese auch auszuschütten und zwar mit bis zu 3 Prozent auf die jeweiligen Anteile. In Zukunft will Ourpower nicht nur ein Marktplatz für regionale erneuerbare Energie sein, sondern auch die Errichtung neuer Anlagen finanzieren. Das soll in etwa so funktionieren, wie Crowdfunding, erklärt Höhne.
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Rahmenbedingungen für Energie-Communities
Die rechtliche Basis und bürokratische Erleichterungen für Energie-Gemeinschaften hat die EU 2018 mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie geschaffen, die nun von der türkis-grünen Regierung in Österreich umgesetzt werden muss. Im Regierungsprogramm wurde das bereits sehr detailliert ausgearbeitet. So soll kleineren Photovoltaikanlagen der Netzzugang erleichtert werden und die Eigenstromsteuer auf alle erneuerbaren Energieträger gestrichen werden. Außerdem sollen die Rahmenbedingungen für „Bürgerenergiegemeinschaften“ verbessert werden, um die dezentrale Energieversorgung zu stärken. Dazu zählt auch eine „unkomplizierte Direktvermarktung bei Eigenstromerzeugungen“.