Erste Group AG: „Wir arbeiten seit zwei Jahren mit Ripple zusammen“
Petia Niederländer hat an der Wirtschaftsuniversität Wien Investmentbanking und Unternehmensführung studiert und einen Teil ihrer Studienzeit in Australien verbracht. Die Bulgarin lebt seit 20 Jahren in Österreich und arbeitet seit 2009 in der Erste Group. Seit April 2013 leitet sie die Retail & Corporate Operations und ist für das Clearing und die internationalen Geschäftsbeziehungen der Erste Group verantwortlich.
Wir haben uns mit ihr über die Strategie der Erste Group hinsichtlich der Blockchain-Technologie unterhalten. Niederländer liefert uns tiefe Einblicke in den Wettstreit der einzelnen technologischen Ansätze von IBM, SWIFT, R3 und Ripple. Eines scheint allerdings sicher: In der Bankenwelt entsteht durch die Distributed-Ledger-Technologie ein neues Backend-System, das in eine neue Art des Zahlungsverkehrs fussen könnte.
Die Erste Group hielt sich bislang mit Aussagen über Bitcoin und Co. sehr bedeckt. Wie beurteilen Ihr Institut das Thema?
Petia Niederländer: Wir sind dort grundsätzlich nicht involviert. Unsere Anstrengungen bezüglich der Blockchain-Technologie zielen darauf ab, herauszufinden, in welchen Sektoren wir zukünftig die größte Disruption vermuten. Wir beobachten vor allem den grenzüberschreitenden Handel zwischen den Banken und versuchen für unsere Corporate-Kunden effizientere Systeme zu schaffen.
Trotz des gigantischen Hypes um Bitcoin bekommen die Retail-Kunden der Banken wenig von den technologischen Neuerungen mit.
Die Blockchain ist eine Backend-Technologie. Sie stiftet großen Nutzen für Teilnehmer eines gemeinsamen Ökosystems. Für unsere klein- und mittelständischen Kunden haben wir mit der Batavia-Plattform einen ersten Piloten gelauncht, der die Finanzierung der Export- und Importgeschäfte auf neuartige Weise abbildet (Trending Topics berichtete). Wenn beispielsweise ein Restaurant im Ausland Kaffee, Getränke oder Nahrungsmittel einkauft, die kurzfristig von uns finanziert werden sollen, dann entstehen oft wochenlange Wartezeiten. Importeur und Exporteur kennen und vertrauen sich nicht. Durch die Zollämter und Grenzkontrollen entsteht ein komplizierter Prozess mit vielen Stempeln und noch mehr Papier. Wir verlegen mit Batavia die Abwicklung der mit dem Import verbundenen Services auf eine Blockchain. Alle beteiligten Parteien wissen, wo sich die Ware befindet, welchem Status sie gerade inne hat. Die Blockchain garantiert auch die Bezahlung der Waren durch unsere Bank.
Wie viel Zeit sparen sich die Unternehmen so ein?
Die Geschwindigkeit hängt vom Zielland ab. Innerhalb Europas schaffen wir den Abschluss eines Import-Vertrags inklusive der Garantie über die Finanzierung mittlerweile in wenigen Stunden. Früher konnte das Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen. Aktuell nutzen wir Batavia für Kunden aus den USA und Europa. Die neue Methodik hat mit dem starken Partnernetzwerk (UBS, Caixa Bank, Bank of Montreal und Commerzbank) aber durchaus das Ziel global zu agieren.
Batavia basiert auf Hyperledger von IBM. Sehen Sie aktuell einen Wettstreit der einzelnen Distributed Ledger-Technologien?
Definitiv. Gerade im Finance-Sektor gibt es die unterschiedlichsten Player, die ein ähnliches Ziel verfolgen – den Interbankenhandel effizienter zu gestalten und Transaktionszeiten radikal zu verkürzen. IBM bringt Hyperledger in den verschiedensten Konsortien ein. Auch SWIFT arbeitet an einem eigenen Proof-of-Concept, um die Liquidität der Banken in Echtzeit abzubilden. Die Organisation ist für den Transaktionsverkehr für mehr als 10.000 Banken verantwortlich und damit ist die User group natürlich gewaltig. Allerdings kann es noch Jahre dauern, bis SWIFT eine eigenen Blockchain-Technologie auf den Markt bringt. Ripple hat aktuell einen Vorsprung. Gut möglich, dass das Startup schneller eine massenkompatible Technologie auf den Markt bringt.
Wie wird sich Distributed Ledger auf die Bankenwelt auswirken?
Vor unseren Augen entsteht ein neues Internet, das die unterschiedlichen Distributed-Ledger-Ansätze miteinander verknüpft und so eine neue digitale Welt schafft wird, in der Protokolle der einzelnen verteilten Datensätze miteinander kommunizieren. Transaktionen passieren in Echtzeit, die Kosten werden radikal gesenkt.
Welche anderen Piloten hat die Erste Group gestartet?
Wir arbeiten seit 2016 mit Ripple zusammen und haben einen Piloten für den Auslandszahlungsverkehr entwickelt. Wer Geld in einer Fremdwährung ins Ausland überweisen möchte, wird das in Zukunft ohne Wartezeiten erleben. Wir haben in der Holding ein Spitzeninstitut installiert. Dort sitzt auch unsere Clearing Bank. Der Pilot versucht, unsere Tochterbanken miteinander zu verknüpfen und so internationale Transaktionen ohne Konvertierungen zu realisieren. Wenn es innerhalb der Gruppe funktioniert, dann kann es auch mit internationalen Partnern funktionieren. Nach der Öffnung können wir aus dem Ripple-Netzwerk geeignete Partnerbanken suchen, mit denen wir zusammenarbeiten.
Wann soll das Netzwerk für andere Institute geöffnet werden?
Wir haben den Piloten Ende 2017 abgeschlossen. Wir evaluieren jetzt weitere technologische Ansätze und warten auf die Bestrebungen von Swift und Hyperledger. Wir wollen in aller Ruhe den richtigen Partner finden. Bis Ende des Jahres wollen wir eine Entscheidung treffen.
Wie hat die Zusammenarbeit mit Ripple funktioniert? Das Zusammenspiel von Startup und Bank ist oftmals von kulturellen Unterschieden geprägt.
Die Ripple-Technologie ist technologisch sehr fortschrittlich, die Implementierung in unsere eigene Legacy war tatsächlich die größte Herausforderung. Ripple entwickelt ein Zahlungsverkehrssystem, das von Usern gesteuert wird. Das ist mit der gelernten Tradition einer Bank, die bislang alles zentral gesteuert hat, schwer zu vereinbaren. Zudem gab es innerhalb der Prozesse zu Beginn Probleme, weil Ripple nur auf den US-Markt ausgerichtet war.
Deshalb dauerte die Umsetzung des Piloten über zwölf Monate?
Wir haben zu Beginn schlichtweg nicht verstanden. Ripple war nur in den USA aktiv. Doch das änderte sich 2017. Brad Garlinghouse und sein Team haben damit begonnen, die europäischen Banken regional zu betreuen und viele Experten in London stationiert, die als direkte Ansprechpartner für uns fungierten. Deshalb dauerte die technische Implementierung so lange. Im Anschluss haben wir die Performance und Business-Funktionalität getestet und ein Zahlungs-Backend integriert.
Viele andere Banken setzen auf das Konsortium R3 , um eine eigene, zentrale Lösung zu entwickeln. Warum ist R3 für die Erste Group nicht geeignet?
R3 will einen eigenen Distributed Ledger als Alternative zur Blockchain entwickeln. Wir haben uns die Konditionen angeschaut, Gespräche geführt und festgestellt, dass es dort keine passenden Use Cases für uns gab. Wir wollen die Entwicklung aktiv gestalten und müssen daher gut sondieren, in welchen Konsortien sich unsere Experten einbringen und in welchen nicht. R3 will viele Bereiche abdecken, aber wir wollen aktiv in den Workflow integriert sein.
Ripple zeigte sich da offener?
Wir haben uns für Ripple entschieden, weil der Ledger besser war und die Experimente spannender erschienen. Das Partnernetzwerk spielte auch eine wichtige Rolle. Wir suchen nach Kooperationsbanken, die die gleichen Zielmärkte haben.
Interbankenhandel, Importgeschäfte – welche Bereiche sind sonst noch spannend für den Finance-Sektor?
Die Kollegen vom Kapitalmarkt beobachten das Thema natürlich intensiv. Allerdings müssen wir die behördlichen Schritte abwarten und schauen, welche Gesetze im Lauf des Jahres umgesetzt werden. So richtig interessant ist auch der KYC-Prozess, das Identity-Management. Für die Überprüfung der Kundendaten erwarten wir in den kommenden Jahren auch einen technologischen Quantensprung.