Pfand: Mehrweg-Glasflasche für Startups derzeit kaum umsetzbar
Getränkeflaschen landen nach wie vor zu häufig in der Umwelt oder im Restmüll. Die EU will das mit einer Richtlinie ändern. Bis 2030 sollen 90 Prozent der Plastikflaschen für ein Recycling gesammelt werden. Noch besser für die Umwelt wären Mehrwegsysteme. Beides, das Recycling von Flaschen und die Wieder-Aufbereitung, sollen über Pfandsysteme gefördert werden. Der Weg dahin ist aber steinig und vor allem „Hipster Getränke“, die in verschiedensten Formen und Farben die Supermarktregale füllen, stellen Jungunternehmen vor ein Problem: Junge Menschen wollen nicht nur zuckerfreie Bio-Drinks, auch Mehrwegflaschen aus Glas seien hoch im Kurs, wie Xiaoao Dong, Mitgründer des Startups Marry Icetea im Online-Rountable von Tech & Nature erklärt.
Für Startups ist die Hürde allerdings hoch. Die entsprechende Flasche müsste von der Glashütte eigens angefertigt werden und dafür sei eine große Bestellmenge im siebenstelligen Bereich notwendig, erklärt der Unternehmer, der bereits an einer Lösung arbeitet: „Die Idee wäre, dass wir uns mit anderen Getränkestartups zusammentun, die die gleiche Flasche verwenden“. Es gebe aber noch ein anderes Problem: „Die Akzeptanz im Handel“.
Hohe Kosten für neue Mehrweg-Flaschen
Marry Icetea ist bereits im Supermarkt erhältlich. Würde das Startup auf ein Mehrweg-System umstellen, bedeutet das auch für den Handel einen Aufwand und Investitionen. Im bestehenden Automaten-System ist bereits eine bestimmte Anzahl an Flaschen registriert: Bierflaschen, Mineralwasserflaschen und zunehmend auch so manche Limonadeflasche. „Der Handel ist mit gewissen Aufwänden konfrontiert“, sagt Michael Ableidinger von der Österreichischen Pfandsystemgesellschaft (ÖPG). „Das betrifft etwa die Logistik, die Aufbereitung oder die Lagerung“. Ein „Wildwuchs“ an neuen Flaschen sei da vielleicht nicht gerne gesehen. Deshalb seien die „Rüstkosten“, die anfallen, wenn man eine neue Flasche in das System integrieren will, sehr hoch. Auf der anderen Seite ist ein individuelles Flaschendesign oft ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal im Supermarktregal.
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Ruf nach unabhängigem Mehrweg-System
Eine Lösung könnte ein vom Handel unabhängiges Mehrweg-System sein. „Bis dato ist das System Mehrweg ja sehr intransparent“, sagt Ableidinger. Es gebe wenige valide Zahlen und nicht einmal die „Rüstkosten“ seien eindeutig zu beziffern: „Von Handel erfährt man das nicht im Detail. Der Handel sagt, die Leergut-Automaten-Hersteller sind für diese Kosten verantwortlich. Die Automaten-Hersteller sagen, dass der Preis in Absprache mit dem Handel festgelegt wird“. Dong kann das bestätigen, er habe von Kosten im „unteren sechsstelligen Euro-Bereich“ gehört. Ein zentrales System würde am Ende auch KonsumentInnen Kosten ersparen, meint die ÖPG.
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Mehrweg auch bei Plastikflaschen sinnvoll
Auch für Plastikflaschen ist Mehrweg eine Option. Ökologisch könnte das für Getränke sogar am sinnvollsten sein, meint Johann Mayr von der ARGE Österreichischer Abfallwirtschaftsverbände. „Weil die Glasflasche bei einem Energieniveau von bis zu 1.400 Grad hergestellt und verarbeitet wird, während der Kunststoff bei 200 bis 300 Grad verarbeitet wird. Der Energieaufwand ist also viel niedriger“. Für Mehrweg bei Plastikflaschen spreche auch, dass PET-Flaschen beim Recycling nur ungefähr 1,4 Mal „wiederverwendet“ würden, so Mayr. Dennoch setzt die Politik bei Kunststoff auf Recycling, auch, weil es für Recycling-Kunststoff einen starken Markt gibt.
Plastikflaschen-Pfand sorgt für Erreichung der EU-Quote
Beim Recycling von PET-Flaschen sei Österreich im internationalen Vergleich „sehr gut aufgestellt“, so Ableidinger. Derzeit liegen die Recyclingquoten für Plastikflaschen in Österreich bei rund 70 Prozent und Ableidinger ist überzeugt, dass die EU-Ziele von 90 Prozent erreichbar sind. In zehn EU-Ländern gebe es das Pfand-Einwegsystem bereits und habe dort für eine Quote von ungefähr 90 Prozent gesorgt. „Wenn wir Kunststoff gesamtheitlich betrachten, liegt aber ein breiter Weg vor uns“, gibt er zu bedenken. Dazu müssen vor allem die Kapazitäten der Sortiersysteme erhöht werden, was wiederum durch ein getrenntes Pfand-System für PET-Flaschen möglich werde. Ein Pfandsystem für Plastikflaschen hätte den Vorteil, dass in den Abfallsammelsystemen Platz für andere Verpackungsmaterialien frei würde, erklärt Mayr.
Das ist beim Recycling wichtig, weil Kunststoff nicht gleich Kunststoff ist. Kunststoffe würden immer auf ihren jeweiligen Einsatzzweck hin optimiert und müssen daher auch getrennt recycelt werden, um die Materialeigenschaften für den jeweiligen Einsatz zu erhalten. Bio-Kunststoffe hält die Wissenschaflerin übrigens nicht für eine Lösung für das Plastikflaschen-Problem: „Weil sie nicht zirkulär sind. Sie lösen sich auf und die Ressourcen sind verloren“. Sinnvoll seien solche Kunststoffe nur in Fällen wie den Knotenbeuteln im Supermarkt, die eventuell im Heim-Kompost landen. „In industriellen Anlagen werden sie aussortiert“.
Politik gefordert: Quotenregelung für Mehrweg fehlt
Während in der EU nun mit Hochdruck an der Erfüllung der Recycling-Quoten gearbeitet wird, gibt es für Mehrweg noch nicht einmal eine Richtlinie. Eine Quotenregelung für Mehrweg könnte bisher am Handel gescheitert sein, meint Mayr: „Der Handel hat sich dagegen bisher erfolgreich gewehrt“. Eine entsprechende Richtlinie sei Anfang des Jahrtausends nicht erfüllt und dann vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden. Es gab danach laut Mayr nur noch eine freiwillige Selbstverpflichtung zu einer Mehrwegquote von 20 Prozent. „Das ist viel zu wenig“, meint er. In Deutschland liege die Mehrwegquote bei 45 Prozent. „Ohne gesetzliche Auflage haben wir im Umweltbereich noch nie irgendwas erreicht“, sagt Mayr. „Wir fordern von der Ministerin (Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Anm.) verpflichtende Mehrweg-Quoten, weil das am nachhaltigsten ist.“ Dafür spricht sich auch Ableidinger aus.