Klimakrise

Pflanzen durch Abwandern der Tiere vom Aussterben bedroht

Die Vögelpopulationen in Europa sind gefährdet, obwohl sie einen großen Teil zur Biodiversität beitragen. © Skyler Ewing/Pexels
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Ökosysteme werden durch menschliche Aktivitäten in großem Umfang verändert. Diese Veränderungen haben in der Regel negative Auswirkungen auf die verschiedenen Wildtierarten, angefangen bei deren Rückgang. Dieses Hauptproblem wird von Forschenden als „Defaunation“ bezeichnet – also ein Rückgang der Artenvielfalt. In einer Publikation von Denis Couvet, Präsident der Stiftung zur Erforschung der biologischen Vielfalt und Professor am Muséum National d’Histoire Naturelle, spricht er von derzeitigen Aussterberaten, die schätzungsweise 100- bis 1.000-mal höher sind, als in so genannten „normalen“ geologischen Zeiträumen. Dadurch seien sie inzwischen so hoch, dass bestimmte Arten in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein könnten. Die europäischen Vögel seien dabei besonders betroffen. Laut Couvet haben sie in nur 30 Jahren 25 Prozent ihrer Population verloren, was einem Verlust von 500 Millionen Vögeln entspräche. Dieser Rückgang hängt laut Couvet zweifellos mit menschlichen Aktivitäten zusammen.

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Pflanzen 60 % weniger anpassungsfähig

Nun fanden dänische und US-amerikanische Forschende jedoch noch einen weiteren Zusammenhang zwischen dem Mensch gemachten Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt: Der Rückgang von Tieren, die Samen verbreiten, beeinträchtigt dieser Studie zufolge auch die Fähigkeit der Pflanzen, sich an den Klimawandel anzupassen. Diese Ergebnisse veröffentlichten sie im Science Journal.

Für Vögel sind die Beeren und Früchte von Pflanzen wichtige Nahrungsquellen. Doch so einseitig diese Beziehung zwischen den beiden Lebensform im ersten Moment aussehen mag, das ist sie gar nicht: Pflanzen und Vögel leben in einer Symbiose. Denn laut den Forschenden sind mehr als die Hälfte der Pflanzenarten bei der Verbreitung ihrer Samen auf Tiere angewiesen. Dabei sind nicht nur Vögel die Verbreiter der Samen, sondern beispielsweise auch Bären und andere Pflanzenfresser. Wenn diese jedoch aufgrund der Klimakrise abwandern, haben die Pflanzen keine Möglichkeit mehr, nachzuziehen und sich so der Klimakrise anzupassen. Dies sei laut der Studie so gravierend, dass sich die Fähigkeit der von Tieren verbreiteten Pflanzen, mit dem Klimawandel Schritt zu halten, bereits um 60 Prozent verringert hätte. Von diesem potentiellen Aussterben seien auch Pflanzen betroffen, auf die der Mensch sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch angewiesen ist, so die Forschenden.

„Einige Pflanzen leben Hunderte von Jahren, und ihre einzige Chance, sich fortzubewegen, besteht in der kurzen Zeit, in der sie sich als Samen durch die Landschaft bewegen“, so der Ökologe Evan Fricke, der Erstautor der Studie in einer Pressemitteilung zu der Studie. „Wenn es keine Tiere gibt, die ihre Früchte fressen oder ihre Nüsse wegtragen, kommen die von Tieren verbreiteten Pflanzen nicht sehr weit.“

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Samenausbreitung in manchen Regionen um 95 % geringer

Die Studie zeigt das die bereits geschehenen Verluste bei der Samenverbreitung in den gemäßigten Regionen Nordamerikas, Europas, Südamerikas und Australiens besonders groß waren. Sollten gefährdete Arten aussterben, seien tropische Regionen in Südamerika, Afrika und Südostasien am stärksten betroffen. „Wir haben Regionen gefunden, in denen die klimabedingte Samenausbreitung um 95 Prozent zurückgegangen ist, obwohl sie nur ein paar Prozent ihrer Säugetier- und Vogelarten verloren haben“, so Fricke. Ein solches Szenario könnte unsere Klimakrise noch weiter verschärfen. Denn mit den Pflanzen geht  auch die Fähigkeit verloren, weiterhin Kohlenstoff zu speichern und die Menschen zu ernähren, so der Forscher.

„Wenn wir Säugetiere und Vögel aus Ökosystemen verlieren, verlieren wir nicht nur Arten. Das Aussterben und der Verlust von Lebensräumen schadet komplexen ökologischen Netzwerken. Diese Studie zeigt, dass der Rückgang von Tieren ökologische Netzwerke in einer Weise stören kann, die die Klimaresistenz ganzer Ökosysteme bedroht, auf die die Menschen angewiesen sind“, erklärt Fricke.

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Über 400 Feldstudien ausgewertet

Für diese Erkenntnisse nutzten Forschende der Rice University, der University of Maryland, der Iowa State University und der Aarhus University maschinelles Lernen und Daten aus mehr als 400 Feldstudien. Um das Ausmaß des Rückgangs zu verstehen, verglichen die Forscher Karten der heutigen Samenausbreitung mit Karten, die zeigen, wie die Ausbreitung ohne das vom Menschen verursachte Aussterben oder die Einschränkung des Verbreitungsgebiets von Arten aussehen würde.

„Erstens brauchten wir eine Möglichkeit, die Interaktionen zwischen Pflanzen und Tieren bei der Samenausbreitung an jedem beliebigen Ort der Welt vorherzusagen“, so Fricke. „Zweitens mussten wir modellieren, wie sich die einzelnen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren tatsächlich auf die Samenverbreitung auswirken. Wenn ein Tier zum Beispiel eine Frucht frisst, kann es die Samen zerstören oder sie ein paar Meter oder mehrere Kilometer weit verstreuen.” 

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Maßnahmen zur Rettung der Diversität

Doch die Studie schlägt auch Maßnahmen vor, wie dieser Prozess gestoppt werden könnte. Besonders wichtig sei die Wiederherstellung von Ökosystemen, um die Vernetzung natürlicher Lebensräume zu verbessern. Wenn dies durch den Menschen wieder ermöglicht werden würde, könnte laut den Forschenden einigen Rückgängen bei der Samenverbreitung entgegengewirkt werden.

„Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Faunen wiederherzustellen, um angesichts des raschen Klimawandels eine effektive Ausbreitung zu gewährleisten” so Jens-Christian Svenning, leitender Autor der Studie, Professor und Direktor des „Zentrums für Biodiversitätsdynamik in einer sich verändernden Welt“ an der Universität Aarhus.

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