PFOF: Das Neobroker-Geschäftsmodell am Rande der Legalität
Payment For Order Flows. Oder einfach PFOF. Wer im Fintech-Bereich unterwegs ist oder sich auch einfach nur für das Geschehen hinter der Kulissen schicker Trading-Apps interessiert, muss dieses Kürzel kennen. Denn es beschreibt ein fragwürdiges und viel kritisiertes Geschäftsmodell, dass im Mantel von Robinhood seit kurzem seinen großen Auftritt an der Börse hatte und auch in Europa in den Fokus rückt.
Denn PFOF ermöglicht es der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, kurz ESMA) auch in Europa Neobrokern, Endkonsumenten bei Aktien oder ETFs Null-Gebühren-Handel anzubieten, im Hintergrund aber trotzdem Geld zu verdienen.
Rückvergütungen für Aufträge
Das funktioniert so: Die Broker geben die Kauf-Orders ihrer Nutzer an Drittfirmen (meistens Market Maker) weiter, die dann die Aktien handeln. Für die Weitergabe dieser Aufträge bekommen die Broker eine Rückvergütung – verdienen also Geld. Je mehr Nutzer und Kauf-Orders sie an die Drittfirmen weiterleiten, desto mehr Geld können sie verdienen.
Welche Ausmaße dieses Geschäftsmodell erreichen kann, zeigt das Beispiel Robinhood. Die mittlerweile börsennotierte kalifornische Firma spielt das Geschäftsmodell herunter und rechnete Nutzern vor, dass man im Schnitt nur 23 US-Cent pro Order verdiene. Doch da die mehr als 20 Millionen Mobile-Nutzer ständig Aktien kaufen und verkaufen, kommt ordentlich viel Geld zusammen.
Robinhood scheffelt hunderte Millionen mit PFOF
Im ersten Quartal 2021 verdiente Robinhood 331 Millionen US-Dollar per PFOF, im zweiten Quartal 217 Millionen. PFOF machte bei Robinhood den größten Umsatzanteil aus (Gesamtumsatz Q1 war 522 Millionen, in Q2 546 Millionen), auch wenn der Anteil sinkt. Währenddessen wächst der Umsatzanteil mit anderen Angeboten wie etwa Krypto oder Gold.
In Großbritannien, wo Robinhood schon mal starten wollte, sich aber wieder zurück zog, wäre das PFOF-Geschäftsmodell gar nicht möglich – es ist dort illegal. Die britische Finanzmarktaufsicht (FCA) hat die Praxis 2012 verboten. Sie stelle einen Interessenskonflikt für die Broker dar, weil sie nicht im besten Interesse des Kunden handeln würden (also die Aktien dort kaufen, wo der beste Preis ist), sondern im eigenen Interesse (die Order jenem Market Maker geben, der die höchste Rückvergütung bietet). Auch in den USA kommt PFOF im Zuge des Robinhood-Hypes immer mehr ins Visier der Behörden.
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Interessenskonflikt
So auch in der EU. Die ESMA hat kürzlich ein Papier veröffentlicht, in der sie nationale Finanzaufsichtsbehörden ausdrücklich dazu auffordert, PFOF-Geschäftsmodelle der so genannten Zero-Commission-Broker 2021 und 2022 unter die Lupe zu nehmen. „PFOF ist zwar weniger verbreitet als in den USA, wurde aber auch in einigen EU-Mitgliedstaaten beobachtet“, heißt es. Das bedeutet: Unter den aufstrebenden Neobrokern, die in den vergangenen Monaten viele hunderte Millionen Euro an Investments bekommen haben, könnten einige dabei sein, die das fragwürdige PFOF-Modell einsetzen.
„Die Entgegennahme von PFOF von Dritten durch eine Firma, die Kundenaufträge ausführt, führt zu einem klaren Interessenkonflikt zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden, da es für das Unternehmen einen Anreiz darstellt, den Dritten zu wählen, der die höchste Zahlung bietet, anstatt das bestmögliche Ergebnis für seine Kunden zu erzielen“, heißt es seitens ESMA weiter.
In der EU ist auch bekannt, dass es einige Firmen gibt, die es transparent machen, dass sie PFOF von so genannten Ausführungsplätzen erhalten. Diese geben ihren Kunden eine Liste der Möglichkeiten und lassen sie selbst wählen. Doch auch das passiert offenbar nicht immer sauber. Denn laut ESMA würden manche Optionen in „auffälligerer oder ansprechenderer Weise“ dargestellt werden – wohl, um die Nutzer zum gewünschten Klick zu verleiten.
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Selten mit MiFID II vereinbar
Endkonsumenten sollten laut ESMA wissen: Durch die Vermarktung von Online-Brokern als „kostenlos“ könnte den falschen Eindruck erwecken, dass der Handel kostenlos sei – aber Kleinanleger indirekt bezahlen würden, weil die Broker eben besser zahlende Market Maker aussuchen, und die gekauften Aktien womöglich teurer sind als anderswo.
„PFOF wirft ernste Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes auf. In Anbetracht dieser Bedenken und der vielfältigen Anforderungen, die für PFOF gelten, ist die ESMA der Ansicht, dass es in den meisten Fällen unwahrscheinlich ist, dass PFOF mit der MiFID II und ihren delegierten Rechtsakten vereinbar sein könnte“, heißt es. Oder im Klartext: PFOF wäre in den meisten Fällen in der EU illegal.