Indoor Farming-Startup Phytoniq produziert lokalen Wasabi und Safran
Die bisher bekannte Landwirtschaft wird in den nächsten Jahren einigen Herausforderungen gegenüberstehen. Das hat mehrere Gründe. Allein innerhalb der Europäischen Union ist dieser Sektor für mehr als zehn Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, so der Europäische Rechnungshof. Dazu kommen schwerwiegende Auswirkungen auf die Biodiversität durch den großflächigen Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. Aber nicht nur aufgrund der genannten Punkte wird sich die Landwirtschaft der Zukunft verändern müssen. Die Folgen der Klimakrise werden vermehrt zu Wetterextremen und Dürreperioden führen. Das hat der aktuell Bericht des UN-Weltklimarats jüngst bestätigt. Das wird die Landwirtschaft treffen und benötigt somit schon heute Veränderungen, um die künftige Nahrungsmittelsicherheit zu sichern.
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Eine Möglichkeit die bisherige Landwirtschaft zu ergänzen sind Indoor-Farmen. In den Farmen werden Setzlinge in Regalen vertikal in einer dafür geschaffenen Anlage angebaut. Sowohl die Licht- als auch die Wasserversorgung erfolgt künstlich und an den Bedarf der Pflanzen angepasst. So ist es möglich, Gemüse auch innerhalb von Städten großflächig anzubauen, die Transport- und Pestizidbelasung in der Landwirtschaft zu verringern und die regionale Nahrungsversorgung auch während Extremwettern oder Dürreperioden zu sichern. Außerdem kann der Wasser-und Ressourcenverbrauch deutlich verringert werden.
Wasabi, Safran und Erdbeeren aus der Indoor Farm
Während diese Art der Lebensmittelgewinnung in anderen Weltregionen bereits seit Jahren an Bedeutung gewinnt, haben Indoor Farmen im D-A-CH-Raum bisher noch weniger Bedeutung. Das versuchen einige Unternehmen zu ändern. Eines davon ist das burgenländische Startup Phytoniq. Seit der Gründung 2017 haben sie sich dem automatisierten Indoor Farming verschrieben. Damals war dies in Österreich ein noch recht unbekanntes Thema, so Gründer und CEO Martin Parapatits: “ Inzwischen ist die Entwicklung sehr stark voran geschritten. 2017 mussten wir die Thematik ‚Indoor Farming‘ noch erklären. Heute ist sie hingegen angekommen.“ Gemeinsam mit Eszter Simon und Roman Schweitzer hat er das Jungunternehmen gegründet.
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In ihrer ersten Anlage im burgenländischen Oberwart bauen sie heute Wasabi, Safran und Erdbeeren an. Das ist laut Parapatits aber erst der Anfang, auch Speisepilze sollen bald folgen. In dem Indoor Farming-Konzept des Jungunternehmens spielen verschiedene Anbauverfahren eine entscheidende Rolle. So bauen die Systeme des Startups auf der Hydroponik- und Vliestechnik auf. Beim Hydroponik-Verfahren wird komplett auf Erde verzichtet. Stattdessen hängen die Wurzeln der Setzlinge in einer Nährlösung aus Wasser und beispielsweise Mineralien. Parapatits: „Wir geben den Pflanzen was sie zum Wachsen brauchen. Dafür nutzen wir Umlaufsysteme, bei welchen das Wasser in einem Kreislauf immer wieder genutzt wird. Ab einem festgelegten Parameter, wenn der Nährstoffgehalt der Lösung nicht mehr ausreicht, wird neues Wasser zugeführt.“ Für die Versorgung der Pflanzen ist daher eine Softwarelösung im System integriert, so das Jungunternehmen.
Internationale Beratung zum Indoor Farming
Die Energie dafür kommt, dem Gründer zufolge, aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. In näherer Zukunft wollen sie sich damit auch zur Hälfte selbstversorgen, dafür sei eine Photovoltaikanlage auf dem Dach geplant. Außerdem seien in der Anlage effiziente Luftwärmepumpen verbaut und auch der Fuhrpark sei rein elektrisch, so Phytoniq. Das Startup arbeitet aber ebenfalls an einem weiteren Konzept, der Aeroponik. Dabei hängen die Pflanzen quasi in der Luft und werden automatisiert von Zeit zu Zeit von Zerstäubern mit der Nährlösung besprüht. „Die Aeroponik ist ein weiterer Bereich, in welchen wir im Moment viel investieren. Dabei fokussieren wir uns besonders auf die Betriebssicherheiten, sodass die Pflanzengesundheit auch bei einem Stromausfall oder ähnlichem gewährleistet ist. Denkbar wäre da die Einbindung von Energie-Speichersystemen“, so der Gründer.
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Der Anbau von Wasabi und Safran ist aber nicht das einzige Standbein des Unternehmens. Als, den eigenen Angaben nach, internationaler „Know-How-Leader“ und international ausgerichtetes Forschungs- und Entwicklungsunternehmen beraten sie Unternehmen weltweit zu automatisierten Indoor Farming-Techniken und Möglichkeiten. Auch arbeiten sie mit Firmen aus der Lebensmittel, Pharma- und Kosmetikindustrie für den Anbau von pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammen. In dem Zusammenhang haben sie auch bereits mit österreichischen Marken zusammen gearbeitet. „Wir haben mit Biogena gemeinsam Produkte entwickelt. Dabei geht es um den Anbau von pflanzlichen Inhaltsstoffen. Durch das Indoor Farming sind diese nicht verunreinigt“, so Parapatits
Erfolg wie Internet- oder Handyentwicklung
Zukünftig möchte Phytoniq sich mit beiden Standbeinen, der Eigenproduktion und der Beratungsleistung, am Markt etablieren. Mit ihren eigenen Anlagen wollen sie dann in der Zukunft in ganz Europa vertreten sein. Der Beginn wird hierzulande gemacht. „Im Westen von Österreich sind noch heuer zwei kleinere Standorte geplant, wo Salat und Gemüse angebaut wird“, so der Gründer. Auch Niederlassungen in Deutschland seien zeitnah geplant. Dafür arbeite man im Moment auch einem Franchise-Modell.
Davon, dass das Konzept der vertikalen Indoor Farmen ein weltweiter Erfolg wird, ist Parapatits überzeugt: „Ich sehe die Entwicklung des Indoor Farmings wie damals die des Handys oder des Internets. Es wird sehr stark ankommen und das muss es auch. Die Weltbevölkerung nimmt zu und die Folgen der Klimakrise auch. Bisher werden noch sehr viele Lebensmittel importiert.“ Er ist sich sicher, dass Europa sich mit Indoor Farmen ein Alleinstellungsmerkmal generieren kann: „In den USA konzentriert man sich bisher auf den Anbau von Salat- und Hanfpflanzen. Daher ist die Chance für Europa sich auf Spezialpflanzen zu konzentrieren.“ Und somit wäre das auch eine Chance für Phytoniq.