Pipeline-Explosionen: Riesige Methangas-Wolke über Nordeuropa
Noch ist nicht geklärt, wer für die offenkundigen Sprengungen der Röhren der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee verantwortlich ist. Doch die Lecks, die vermutlich durch Sprengsätze mit hunderten Kilo TNT verursacht wurden, haben bereits dramatische Folgen. Denn auch wenn die Pipelines nicht komplett voll waren, traten dennoch bereits enorme Mengen an Methangas aus.
Das zeigen aktuelle Messbilder von ICOS, dem Integrated Carbon Observation System. Dieses versteht sich als Säule eines globalen Treibhausgas-Beobachtungssystems und hat 140 Messstationen in 14 europäischen Ländern. Seit der Sprengung der Nord-Stream-Röhren an vier Stellen sind mittlerweile hunderttausende Tonnen an Methan ausgetreten – neben CO2 das schädlichste Treibhausgas.
Die gigantische Wolke, die nicht mit freiem Auge zu sehen ist, hat sich seit zwei Tagen über Nordeuropa ausgebreitet. „Das Leck entspricht schätzungsweise den Methanemissionen eines ganzen Jahres in einer Stadt von der Größe von Paris oder einem Land wie Dänemark“, heißt es seitens ICOS. Die Methan-Emissionen wurden durch bodengestützte ICOS-Beobachtungen von mehreren Stationen in Schweden, Norwegen und Finnland bestätigt. Aus dem All via Satelliten lässt sich wegen des bewölkten Wetters derzeit nicht messen.
300.000 Tonnen Methan befürchtet
Wie viel Methan genau ausgetreten ist und vom Meeresboden an die Meeresoberfläche blubbert, ist schwer abzuschätzen. Dem deutschen Umweltbundesamt zufolge werden etwa 0,3 Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangen. Der Wind hat die Gaswolke Richtung Finnland und dann weiter Richtung Schweden und Norwegen getrieben, wie Analysen von ICOS zeigen. Fraglich ist auch, welchem Land die Emissionen zugerechnet werden – möglicherweise Dänemark.
„Zu einem späteren Zeitpunkt könnten wir in der Lage sein, die Menge des ausgetretenen Gases zu bestätigen und zu quantifizieren, und mehrere ICOS-Wissenschaftler:innen erörtern derzeit die verschiedenen Möglichkeiten dafür. Im Moment ist das leider noch nicht möglich, vor allem angesichts der komplexen meteorologischen Bedingungen und der Tatsache, dass das Methan immer noch aus den Rohren aufsteigt“, sagt Alex Vermeulen, Direktor des ICOS Carbon Portal.
Die Pipeline-Schäden könnten zu den größten Umweltkatastrophen aller Zeiten gezählt werden – möglicherweise sind die Klimaschäden größer als bei der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko. „Methan ist eines der stärksten Treibhausgase. In einem Zeitraum von 100 Jahren erwärmt es die Atmosphäre etwa 30 Mal stärker als Kohlendioxid. Das Ausmaß und der Zeitpunkt des Lecks erhöhen den Druck auf Klimamaßnahmen, da die kritischen Jahre zur Verlangsamung des Klimawandels gerade jetzt sind“, heißt es seitens ICOS.