planqc-Gründer: „Europa hat kein Startup-Problem, sondern ein Scale-up-Problem“
Ganz groß denken, dass ist noch nicht so wirklich die Gabe Europas – vielmehr sieht man sich am Alten Kontinent immer mehr zwischen den Riesen USA und China eingezwickt. Beim Scale-up des Tiroler Gründers Alexander Glätzle geht es anders zu: Der CEO von planqc treibt die Entwicklung von Quantencomputern voran und sieht sich bereits auf der Überholspur. Zuletzt holte das Unternehmen mit Hauptsitz in München und Tochterfirma in Innsbruck 50 Mio. Euro Investment.
Denn planqc hat eine Technologie entwickelt, die Quantum Computing skalierbarer machen kann als es Google oder IBM kann. Was es aber dazu braucht, aus einem mitteleuropäischen Scale-up einen weltweiten Champion zu machen, sind mehrere 100 Millionen Euro. Kann Glätzle diese in den nächsten Jahren in Europa heben?
Trending Topics: Es bewegt derzeit die ganze Welt, also auch die Startup- und Tech-Welt: Donald Trump ist der nächste US-Präsident. Wie kommentierst du das?
Alexander Glätzle: Ich glaube, die Startup-Szene sieht das pragmatisch. Wir sind agil, wir müssen uns arrangieren. Wenn man es positiv sieht, ist es vielleicht ein weiterer Weckruf für Europa, gerade, dass wir bei DeepTech, bei Startups, bei Finanzierung uns noch mehr auf eigene Beine stellen, unabhängig machen. Also, machen wir das Beste daraus. Ich sehe es positiv.
Europa ist bei vielen Technologien nicht vorne dabei. Bei Quantencomputern hingegen meiner Wahrnehmung nach schon. Stimmt das eh?
Dem würde ich absolut zustimmen. Wir haben das Talent, wir haben traditionell das Know-how in Europa. Wir haben auch die notwendigen Industrien, gerade für uns. Wir haben große öffentliche Projekte in Deutschland gefördert, bis zu drei Milliarden. Jetzt ist es an uns, an den Startups, das auch auf die Straße zu bringen. Und da bin ich sehr positiv, weil wir eben aus einem Ökosystem hier in Europa rauskommen, das, glaube ich, weltweit an der absoluten Spitze mithalten kann.
Quantencomputer sind für viele nach wie vor nicht greifbar. Wie beschreibst du sie?
Wir bauen Quantencomputer mit einzelnen Atomen. Wir verwenden die vielleicht kleinste Speichereinheit, die die Natur vorgesehen hat. Wir speichern 0 oder 1 in einem einzelnen Atom, und Atome gehören in die Welt der Quanten, das heißt, die verhalten sich so verrückt wie bei Schrödinger, Einstein und Heisenberg. Die können gleichzeitig an zwei Orten sein, die können gleichzeitig in verschiedenen Zuständen sein, die kann man magisch miteinander verschränken. Genau das macht das Potenzial und die Schnelligkeit von Quantencomputern aus.
Was macht eure Technologie aus, was ist da das Spezielle daran? Wie kann man sich so einen Computer vorstellen?
Es sind natürlich raumfüllende Computer. Ich glaube, wir stecken da, wenn man es mit klassischen Computern vergleicht, irgendwo in den 1950er Jahren. Unser Herzstück ist eine Vakuumkammer. In diesem Ultrahoch-Vakuum befinden sich einzelne Atome, die wir mit Lasern auf einen Millionstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt abgekühlt haben. Sie können wir mit Laserstrahlen genau an einer bestimmten Position halten und dann mit anderen Laserstrahlen manipulieren und so Information reinschreiben und miteinander wechselwirken. Das Ganze bei uns funktioniert bei Raumtemperatur. Das ist ein großer Unterschied zu den Quantencomputern von Google und IBM, die künstlich mit diesen schönen goldenen Kryostaten runtergekühlt werden müssen.
Habt ihr die Nase vor den Größen Google und IBM vorn?
Wir hoffen, dass wir langfristig die Nase vorn haben. Google und IBM hat natürlich bereits Milliarden in Quantencomputer investiert. Das ist ein bisschen wie bei David gegen Goliath. Ich glaube, dass unsere Technologie auf der Überholspur ist und dass wir bei Raumtemperatur arbeiten, ist langfristig sicher ein großer Vorteil.
Was ist aktuell der Status quo der Quantencomputer? Wann ist es so weit, bis so ein Ding wirklich in der Praxis angekommen ist?
Da gibt es zwei Herausforderungen. Das einerseits ist die Leistungsfähigkeit. Wir müssen Quantencomputer größer und leistungsstärker machen, indem wir die Anzahl der Qubits erhöhen. Google hat 2019 ein Experiment vorgestellt, was jetzt allgemein als „Quantum Supremacy“ bekannt ist, wo sie zum ersten Mal mit 50 Qubits ein Problem gelöst haben, für das der beste klassische Supercomputer hunderte Jahre braucht. Sie haben das in zwei Minuten gelöst. Man muss dazu sagen: Das war ein vollkommen unnützes, nicht industrierelevantes Problem, was genau für diesen Quantencomputer maßgeschneidert war.
Seitdem ist ein Rennen für den ersten nützlichen Quantencomputer entstanden. Dazu muss man weiterhin die Anzahl der Qubits und die Rechenqualität dramatisch erhöhen. Man braucht Fehlerkorrekturen, und das ist sicher etwas, das noch drei bis fünf Jahre dauert, bis wir hier die erste Killer-Applikation auf seinem Quantencomputer haben. Die zweite Herausforderung ist, diese Dinger aus dem Labor rauszubringen. Momentan sind es PoCs, die in hochkontrollierten Laborumgebungen funktionieren. Wenn wir sie, und da gehören Quantencomputer hin, in Datenzentren als Accelerator neben CPU und GPU installieren wollen, dann müssen sie stabiler, wartungsarmer und kleiner werden.
Das erste große Einsatzgebiet liegt also in den Clouds von Amazon, Google und Co?
Ganz genau. Quantencomputer werden da eingesetzt, wo es komplexe Probleme gibt und heute ein ganzes Supercomputing-Center daran rechnen. Das kann in der Materialwissenschaft sein, in der Chemie, in der Optimierung, in der Wettersimulation, in der Meteorologie. Überall da, wo enorme Rechenleistung gebraucht wird, können Quantencomputer potenziell Mehrwert bringen, aber sie werden nicht irgendwann im Laptop oder im Mobiltelefon zu finden sein.
Was wird denn damit letztendlich möglich?
Um die Leistung von einem Quantencomputer zu verdoppeln, muss ich ein einziges Qubit dazutun. Wenn ich von 10 Qubits auf 11 Qubits den Quantencomputer vergrößere, verdopple ich seine Rechenleistung. Bei einem klassischen Computer müsste ich, um die Rechenleistung verdoppeln, indem ich den gesamten Computer verdopple.
Was da möglich ist, ist heute noch schwer zu begreifen. Da entstehen komplett neue Möglichkeiten in der Materialforschung, in der Medikamentenforschung, in der personalisierten Medizin, aber auch bessere Solarzellen oder bessere Batterien. Was aber langfristig die Killer-Applikation von Quantencomputern ist können wir heute noch gar nicht abschätzen.
Einer der ersten Anwendungsfälle von Quantencomputer ist die sogenannte Primfaktorenzerlegung. Auf der basiert ein Großteil unserer asymmetrischen Verschlüsselung im Internet, bei Bankgeschäften, bei Logins und so weiter. Die können mit Quantencomputer exponentiell schneller gebrochen werden. Allerdings sind die Hardwareanforderungen enorm. Man braucht hier tausende logische Qubits, das entspricht Millionen physikalischer Qubits. Das wird sicher noch ein Jahrzehnt dauern, bis die Hardware in der Lage ist. Aber Quantencomputer machen die Welt hier nicht unsicherer, sondern Quantenphysik liefert auch wieder neue, bessere Verschlüsselungen.
Diese Sache mit der Verschlüsselung resultiert auch darin, dass große Machtblöcke wie China und die USA ganz stark auf Quantencomputer setzen. Am Ende ist es Wettbewerbsvorteil, die Verschlüsselung der Gegenseite knacken zu können.
Wir sehen das rund um den Globus. Quantencomputer werden mittlerweile als Dual Use-Gut eingeschätzt, als eine Technologie, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden kann. Auch Deutschland, Amerika und andere Länder haben es in den letzten Monaten auf die Dual-Use-Liste gesetzt. Der Grund ist, genau wie du sagst, einerseits Verschlüsselung, andererseits aber auch die enorme Rechenpower, die möglicherweise Realtime-Optimierung am Schlachtfeld, bessere Bildauswertung, Unterstützung für künstliche Intelligenz und so weiter ermöglicht. Also alles, was von nationalem Sicherheitsinteresse ist. Wir sehen diese Entwicklung eher mit Sorge.
Die EU-Kommission würde es wohl ungern sehen, wenn chinesische Investoren bei euch einsteigen.
Das ist definitiv der Fall. Der deutsche Staat vertraut uns bei zwei großen Quantencomputing-Projekten, in Summe über 50 Millionen. Wir bauen einen Quantencomputer fürs Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Einer von uns wird am Leibniz-Rechenzentrum, einem der Großrechenzentren im Süden Deutschlands, installiert. Da werden die Investoren-Basis, aber auch die Mitarbeiter natürlich sehr genau durchleuchtet. Wir haben momentan nur deutsche und österreichische Investoren an Bord. Wir sind da in einer sehr guten Lage.
Europa hat kein Startup-Problem, sondern ein Scale-up-Problem. Ab einer gewissen Fundinggröße, 100 Millionen aufwärts, wandern die Startups ins Ausland ab. Nicht, weil sie es so cool finden, in die USA zu ziehen, sondern weil sie einfach die Finanzierung in Europa nicht gekriegt haben. Da muss es ein Aufwachen geben in Europa, in Deutschland.
Ihr bewegt euch also in Regionen, wo man Finanzierungsrunden im dreistelligen Millionenbereich machen muss?
Absolut. Quantencomputer zu bauen ist eine Apollo-Mission, das ist nicht etwas, was in ein, zwei Jahren erledigt ist. Da braucht es kontinuierliches Funding über zehn Jahre, da muss man das ganze Ökosystem einbeziehen. Wir können unsere Ziele nur erreichen, wenn die Laser besser werden, wenn die Vakuumtechnologie besser wird, wenn die Kontrollelektronik besser wird. Das sind alles Forschungs- und Entwicklungsaufgaben um uns herum. Da wird man sicher mehrere hundert Millionen in den nächsten Jahrzehnten brauchen, um diese Technologie wirklich nach vorne zu bringen und marktreif und kommerziell nutzbar zu machen.
Ein ganz großes Thema aktuell ist natürlich Artificial Intelligence. Da würden sich Quantencomputer wohl anbieten, um AI besser und effizienter zu betreiben?
Ich sehe da auch eine Riesen-Chance für Quantencomputer. Wenn man den Hunger an GPUs anschaut, die jetzt AI oder ein Metaverse brauchen, dann sieht man, dass das eigentlich nicht mehr rational skalierbar ist. Schon 2% der globalen Energie geht in High-Performance-Computing-Centers, die auf AI spezialisiert sind. Da können Quantencomputer ganz klar einen Mehrwert bieten.
Wobei es gerade bei AI, muss man fairerweise sagen, noch nicht ganz klar ist, welchen Impact Quantencomputer hier haben können. Generell sind Quantencomputer super bei sehr komplexen Problemen, bei schwierigen Problemen, aber nicht bei Big-Data-Problemen.
Eine Frage zum Energiebedarf. Mittlerweile werden Atomkraftwerke angeschlossen, um die AI-Clouds betreiben zu können. Wie steht es um den Energiebedarf von Quantencomputern? Braucht man da auch Atomkraftwerke, oder reicht eine Steckdose?
Unser Quantencomputer soll perspektivisch an einer Steckdose laufen. Gerade unser Quantencomputer, der ohne künstliche Kühlung auskommt, ist nochmal energiesparender wie vergleichbare Modelle von IBM oder Google.
Was sind die nächsten Milestones, die planqc erreichen will?
Wir haben vor wenigen Monaten unsere Series-A-Runde mit 50 Millionen geraised. Das Ziel ist jetzt, Ruhe reinzubringen, unser Produkt und zwei sehr spannende Projekte, eins mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, weiterzuentwickeln. Daran werden wir in den nächsten Jahren gemessen werden.