Plastiktragetaschen-Verbot: Ist Bio-Plastik (k)eine Alternative?
Seit Jahren ist ein endgültiges Verbot von Plastikbeuteln im Gespräch, mit dem Beginn von 2022 greift es nun in Deutschland tatsächlich. Seit dem 1. Januar dürfen an den deutschen Ladenkassen keine Einkaufstüten aus Plastik mehr angeboten werden. Betroffen sind davon alle Modelle mit einer Wandstärke von 15 bis 50 Mikrometern. Das war bisher der Standard, welcher früher beim Einkaufen verteilt wurde. Erlaubt hingegen sind immer noch die dünnen Plastiktragetaschen von unverpackten Früchten, die sogenannten Hemdchenbeutel. Laut aktuellen Daten des deutschen Statistischen Bundesamtes (Destatis) verbrauchen die Deutschen ca. 3,65 Milliarden Stück (2019) dieser sehr dünnen Plastiktragetaschen im Jahr. Dabei gibt es bereits zahlreiche Alternativen.
Biosackerl als Alternative
In Österreich, wo bereits seit Jänner 2020 ein solches Kunststofftragetaschenverbot in Kraft ist, macht nun der Verbund kompostierbare Produkte e.V. in einer Pressemitteilung auf eine Alternative aufmerksam. Laut der Mitteilung, könnten „Hemdchenbeutel“ aus zertifiziert kompostierbaren Biokunststoffen die Kreislaufwirtschaft in den Obst- und Gemüseabteilungen im Einzelhandel entscheidend stärken. Die würde besonders zum Tragen kommen, wenn die Sackerl mehrmals verwendet werden. Zudem meint Gerhard Margreiter, Geschäftsführer der Firma Naturabiomat und Mitglied im Verbund: „Der Vorteil der – vom strengen Einweg-Tragetaschen-Verbot ausgenommenen – Biosackerl ist, dass wir sie in Österreich zusammen mit dem Bioabfall in der Biotonne entsorgen dürfen. Die zertifizierte Kompostierbarkeit kann der Verbraucher leicht am Keimlings-Symbol erkennen“, so Margreiter, „Die Biosackerl bestehen mehrheitlich aus nachwachsenden Rohstoffen, wie es der Gesetzgeber – analog zu Deutschland – von uns Herstellern verlangt.“
Neben seinen Vorteilen in der Entsorgung, weißt der Verbund jedoch noch auf weitere Pluspunkt hin. Laut dem Verbund ermöglichen die kompostierbaren Tüten nicht nur einen unkomplizierten Transport, sondern führen bei der Lagerung von Lebensmitteln in ihnen auch zu einer besseren Haltbarkeit derer.
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Kompostierzeit von Bio-Plastik zu lang
Damit spricht der Verein dem Bioplastik hohes Potential zu. Doch grundsätzlich sind diese kompostierbaren Alternativen nicht unumstritten. Angaben wie lange das “Biosackerl” nämlich braucht, um vollständig abgebaut zu werden, sind nicht immer im Detail ersichtlich. Auf ihrer Partnerseite Biosackerl verweist der Verbund kompostierbare Produkte auf die Begriffsdefinierung: “Kompostierbarkeit ist die Eigenschaft eines Materials, innerhalb einer begrenzten Zeitspanne (üblicherweise 6 Monate) unter Kompostierungsbedingungen vollständig biologisch abbaubar zu sein.”
Ein halbes Jahr ist jedoch deutlich zu lange für reguläre Kompostierwerke. Die Bioabfälle der Wiener Bevölkerung beispielsweise müssen nach nur acht bis zehn Wochen im Kompostwerk Lobau als nährstoffreicher Kompost abholbereit sein, so die Stadt Wien. Und selbst wenn die Bakterien mehr Zeit hätten, wäre wenig gewonnen. Denn die meisten Bio-Kunststoffe zerfallen nicht in wertvollen Humus – sondern lediglich zu Wasser und CO2.
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Umweltbundesamt empfiehlt kompostierbares Plastik nicht
Auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) äußerte sich bereits kritisch zu dem kompostierbaren Kunststoff. Auf seiner Website schreibt das Amt, dass aus vergleichenden Ökobilanzen hervorgeht, dass biobasierte Kunststoffe nicht nachhaltiger als konventionelle Kunststoffe sind. Zudem empfiehlt der UBA-Verpackungsexperte Gerhard Kotschik sogar, die Bio-Tüten zuhause nicht auf den Komposthaufen zu werfen. Laut ihm zerfallen bei der Kompostierung viele biologisch abbaubare Kunststoffe nämlich nur unter den definierten Bedingungen von industriellen Kompostierungsanlagen. Im heimischen Komposthaufen würden jedoch andere Feuchte- und Temperaturbedingungen herrschen, wodurch sich die Tüten dort nicht oder nur mit einer deutlich längeren Zerfallszeit zersetzen.
Wenn Verbraucher:innen trotzdem auf die biologisch abbaubare Sammelbeutel zurückgreifen wollen, können sie am Keimlingssymbol feststellen, ob der Beutel für die Bioabfallsammlung im Haushalt zugelassen ist. Dennoch sollten auch vor dem Verwenden dieser Beutel die örtlichen Getrenntsammelvorschriften beachtet werden. Denn viele Städte und Landkreise in Deutschland haben diese, zum Beispiel aus technischer Notwendigkeit, untersagt. Auch in Österreich regeln Gemeinde und Städte den Umgang mit kompostierbaren Verpackungen selbst. Die Stadt Wien rät beispielsweise zur Entsorgung in der Restmülltonne, erlaubt aber auch die Tüten in der Biotonne. Das Bundesland Niederösterreich erlaubt die Sackerl auch, empfiehlt aber trotzdem wiederverwendbare Vorsammelhilfen.
Wiederverwendbare Alternativen im Vorteil
Statt Bio-Plastik werden in den Supermärkten auch immer mehr Papiertüten ausgegeben. Diese sehen auf den ersten Blick deutlich nachhaltiger, ja fast schon grün aus. Doch auch die Einwegtüten aus Papier schneiden, laut dem deutschen Umweltbundesamt, in Ökobilanzen nicht besser ab als konventionelle Plastiktragetaschen. Am besten für die Umwelt ist daher immer noch der wiederverwendbare Einkaufbeutel, der möglichst lange benutzt wird. Das kann der gute alte Jutebeutel aus Stoff sein, ein Netz auf Kunststoff, ein Korb oder auch ein klassischer Rucksack. Wirklich umweltfreundlich ist alles, was öfter benutzt wird. Auf Tüten aus Biokunstoffen, Papier oder gar Plastik sollten alle umweltbewussten Verbraucher:innen am besten verzichten.