Pocketcoach: Dieser Bot aus Wien soll Amerikaner glücklicher machen
Unbestimmte Angstzustände, Stress und ständige Unzufriedenheit werden im deutschsprachigen Raum gerne stiefmütterlich behandelt. In den USA ist der Gang zum Therapeuten hingegen ganz normal. „Wenn man konservative Zahlen anschaut, sind etwa 15 Prozent aller Amerikaner von angstähnlichen Zuständen betroffen“, sagt Manuel Kraus, der in London „Positive Psychology“ studiert hat. „Bei 400 Millionen englischsprachigen Menschen sind wir da schnell bei 60 Millionen Betroffenen“. Nach seinem Studium ist Kraus nach Wien zurückgekehrt und arbeitet seitdem an einem Bot, der diesen Menschen helfen soll.
Täglich eine kurze Übung
„Worunter leidest du am meisten?“, fragt der Pocketcoach unmittelbar nach dem Start der Konversation im Facebook Messenger. Der Nutzer kann wählen zwischen „Ich mache mir viele Sorgen“, Panikattacken oder (überbordende) Selbstkritik. Je nach Problem meldet sich der Pocketchoach dann täglich mit einer Übung, die nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. „Diese Konversationen bauen aufeinander auf und helfen dem Nutzer, Schritt für Schritt Fähigkeiten aufzubauen und mit den Ängsten, Gedanken oder Gefühlen, die da überhand nehmen, besser umzugehen“, so Kraus.
Auslöser, Gedanken und Gefühle steuern
Die Übungen können Atemtechniken sein oder klassische Inhalte einer Verhaltenstherapie. Pocketcoach zeige Nutzern, wie Gedanken und Gefühle einander beeinflussen und welche Auslöser es für Sorgen oder Angstzustände gibt. „Man kann bei dem Auslöser, den Gedanken und den Gefühlen drehen und lernen, dass man zum Beispiel nicht auf jedes Gefühl einsteigen muss“, erklärt der Psychologe. „Ein Gefühl, das sind nur Empfindungen im Körper, die unangenehm sind, aber nicht so schrecklich, wie man vielleicht im Moment glauben mag. Nicht auf jeden Gedanken muss ich reagieren“.
Was macht ein glückliches Leben aus?
Der Chatbot hat mittlerweile laut Kraus etwa 10.000 Nutzer – rund 500 davon durchlaufen mindestens einmal pro Woche einige Therapieminuten mit Pocketcoach. Derzeit spricht der Bot nur Englisch, denn der englischsprachige Markt sei für das Thema einfach bereiter, wie Kraus meint. Er selbst habe nach London gehen müssen, um „Positive Psychology“ studieren zu können – in dem Studium geht es darum, „was ein glückliches Leben ausmacht“. Alleine schon, dass man das im deutschsprachigen Raum gar nicht studieren könne, stehe sinnbildlich für die Marktlage.
Was ein glückliches Leben denn nun ausmache? Das lasse sich nicht pauschal beantworten, aber für Kraus selbst seien drei Aspekte entscheidend: Dankbarkeit, Achtsamkeit und das zu tun, was er für sinnvoll hält. „Die inhärent menschliche Neigung, sich an alles zu gewöhnen, was man hat und sich immer nach neuen Dingen umzusehen, ist evolutionstechnisch gut, macht aber unzufrieden. Dankbarkeit ist so etwas wie ein Gegenmittel gegen diese Unzufriedenheit“, sagt der Pocketcoach-Gründer. Achtsamkeit und Dankbarkeit können mit dem Bot trainiert werden.
Freemium-Modell
Bisher verdient Pocketcoach noch nicht viel Geld, aber es gibt schon Umsätze, verrät der Gründer. „Es gibt eine Gratis-Version und es gibt bestimmte Kapitel, die Geld kosten auf Basis eines monatlichen Subscription-Modells“. Derzeit schaut sich das Jungunternehmen auch nach passenden Investoren um.
Next steps: Smartphone-App und Spezialkurse
Der nächste Schritt, den Kraus mit seinem Co-Founder Philipp Omenitsch setzen will, ist die Entwicklung von Apps für Android und iOS. Dann geht es an die Entwicklung von Spezialkursen, etwa für Stressmanagement oder zur Bewältigung sozialer Ängste. Und auch über die weitere Internationalisierung denkt Kraus bereits nach: „Wir haben Nutzer von überall auf der Welt – auch in Ländern, wo nicht viel Geld vorhanden ist bzw. wo es kaum Therapeuten gibt. Das sind für die Zukunft spannende Märkte für uns“.