Porsche-IPO: The Good, The Bad & The Ugly
Es wird aller Voraussicht nach der größte IPO in Europa in zehn Jahren und wird an der Börse einen neuen Autoriesen schaffen: Am kommenden Donnerstag wird Porsche an der Frankfurter Börse sein Debüt feiern. Eine Preisspanne von 76,50 bis 82,50 Euro je ausgegebener Aktie verspricht eine Bewertung von 70 bis 75 Milliarden Euro. Das Unternehmen wäre mit einem Schlag unter den Top 5 der wertvollsten börsennotierten Autoherstellern der Welt – gleich hinter der Mutter Volkswagen und vor den Rivalen Mercedes und BMW.
Auch an Privatanleger:innen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sollen Aktien des Luxus-Autoherstellers verkauft werden. Das Interesse ist rege, viele versprechen sich von dem Börsengang einen guten Deal. Doch in Folge der Veröffentlichung des Börsenprospekts und neuer Informationen, wie Porsche künftig funktionieren wird, mehren sich die kritischen Stimmen. Die deutsche Wirtschaftswoche schreibt sogar davon, dass der Börsengang eine „Frechheit“ sei und der Porsche-Clan -also die Familien Porsche und Piëch – die Anleger:innen beim Börsengang „über den Tisch ziehen“ würden. Dementsprechend sollte jeder interessierte IPO-Investor selbst gut abwägen, ob er Aktien kaufen will.
Immer wichtig bei einem Engagement bei einem Börsengang: die Studie des Börsenprospekts. So erfährt man zu kaum einem anderen Moment, welche Risiken in der Zukunft eines Unternehmens liegen. Auch bei Porsche gibt es einige.
1. Der Porsche-Clan
Die Beziehung zwischen Porsche und Volkswagen ist wechselhaft. 2005 fassten die Familien Porsche und Piëch den Plan, de viel größeren Autokonzern Volkswagen zu übernehmen. Bis 2009 wurde versucht, die Erhöhung ihres VW-Stimmrechtsanteils auf 50,8 Prozent zu erhöhen, doch die Übernahme scheiterte. Die Beteiligungsgesellschaft Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) war 2009 bereits hochverschuldet (Finanzkrise) und konnte sich die Übernahme dann doch nicht leisten.
Volkswagen schlägt zurück, bis die Porsche AG (das ist der Teil der Holding, der den Sportwagenhersteller repräsentiert) gehört nun vollständig zur Volkswagen AG. Die Porsche SE wird der größte Aktionär von Volkswagen, sitzt aber nicht wie geplant am Ruder.
Dass nun die Porsche AG an die Börse geht, verstehen Beobachter:innen als späte Rache des Porsche-Clans an Volkswagen. Denn: Die Familien Porsche und Piëch, die alle stimmberechtigten Aktien der Porsche SE halten, werden bei wichtigen Entscheidungen über Porsche jederzeit ein Veto einlegen können, weil sie künftig über 25 Prozent plus 1 Aktie der stimmberechtigten Stammaktien halten. Zwar wird Volkswagen die Mehrheit der Stamm- und Vorzugsaktien der Porsche AG halten, aber der Porsche-Clan kann über die Sperrminorität immer „Nein“ zu Plänen sagen. „Volkswagen gibt eine Sperrminorität an seinem wertvollsten Asset, nämlich einer der begehrtesten Sportwagenmarken der Welt, zu einem Spottpreis auf“, urteilt etwa die Wirtschaftswoche.
2. Ölreiche Cornerstone-Investoren
Neben dem einflussreichen Porsche-Clan und der Volkswagen-Mehrheit kommen noch andere Großinvestoren an Bord. Der Qatar-Staatsfonds („QIA“), die norwegische Investment-Bank Norges Bank Investment Management, der US-amerikanische Großinvestor T. Rowe Price und ADQ-Investmentgesellschaft aus Abu Dhabi haben sich jeweils verpflichtet, ein Cornerstone-Investor im Rahmen des IPOs zu sein. Bedeutet unterm Strich, dass Investoren aus ölreichen Staaten bei Porsche an Bord kommen. Das wird niemandem schmecken, der in eine grüne Mobilitätszukunft investieren will.
3. Stockender Umstieg auf Elektromobilität
Jedenfalls will Porsche, über 50 % der neu ausgelieferten Fahrzeuge im Jahr 2025 Elektrofahrzeuge und über 80 % der neu ausgelieferten Fahrzeuge im Jahr 2030 BEVs sein werden. Das bedeutet also, dass das Unternehmen ordentlich aufs Pedal steigen muss, um diese Ziele zu erreichen. Dem Porsche-Chef Oliver Blume ist zuzurechnen, dass er aus dem rein elektrisch betriebenen Taycan wider Erwarten einen Erfolg gemacht hat.
Doch die große Herausforderung kommt noch. Eigentlich denkt man bei Porsche an Sportautos, doch in Wirklichkeit ist das SUV-Segment entscheidend. Und da tut sich Porsche im E-Bereich schwer. Eigentlich hätte der Elektro-SUV Macan 2023 auf den Markt kommen sollen, nur wird daraus nun 2024. Schuld sind da nicht nur Lieferengpässe bei unterschiedlichsten Bauteilen, die auch die Akkus betreffen, sondern auch die Software. „Unter anderem aufgrund von Verzögerungen bei CARIAD und bei der Entwicklung der E3-Plattform musste die Gruppe bereits den Produktionsstart des Macan BEV verschieben“, heißt es im Börsenprospekt.
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4. Ungelöste Software-Probleme
Und damit sind wir auch schon bei der Software, die gerade in E-Autos entscheidend ist. Eigentlich will Porsche ja auf die Software-Plattform E3 (steht für „end-to-end electronic architecture“) der VW-Tochter Cariad setzen. Doch deren bisheriges Misslingen hat nicht nur dem ehemaligen VW-Chef Herbert Diess den Job gekostet, sondern auch den Marktstart des Hoffnungsträgers Macan verzögert. Die Probleme gehen soweit, dass es sogar eine eigene Klausel gibt, die Porsche ermöglicht, sich von Cariad zu lösen.
Die Ausstiegsmöglichkeit ist befristet – im Laufe 2023 soll es dazu eine Entscheidung geben. Die Option hält sich Porsche offen – gegebenenfalls müsste sich die Unternehmensgruppe „stärker auf ihre eigenen Anstrengungen und ihre Expertise zu verlassen oder Unterstützung von anderen Drittentwicklern zu suchen“. 2023 wird also spannend. Wenn Porsche die Volkswagen-Software hinter sich lässt, dann stellt sich die Frage, welche Alternativen es gibt. Apple? Google?
5. Rohstoffe & Bauteile
Ganz kurz: Rohstoffe sind für Hardware-Hersteller natürlich essenziell. Der Ukrainekrieg und die zunehmend verschärfte Konkurrenz zu China erschwert Porsche den Zugang zu diesen – etwa Stahl aus der Ukraine, Metalle wie Aluminium, Kupfer und stahl aus Russland oder seltene Erden aus China (z.B. Neodymium).
Dazu kommt die seit Corona schwierigere Versorgung mit Mikrochips, die die Autobranche bereits voll getroffen hat. Bisher war Porsche von der VW-Mutter bei der Versorgung mit Halbleitern abhängig und wird das auch weiter sein. „Es gibt auch keine Garantie dafür, dass der Volkswagen-Konzern selbst über genügend Halbleiterlieferungen verfügen wird, um sie dem Konzern in Zukunft zuzuteilen, selbst wenn er seine bevorzugte Zuteilungspolitik fortsetzen würde“, heißt es. Könnte also sein, dass Porsche zugunsten der anderen VW-marken benachteiligt wird und sich dann selbst um Chips kümmern muss.
6. Gefährliche E-Fuels
Anders als viele andere Autokonzerne setzt Porsche stark auf E-Fuels und investierte dazu etwa in HIF Global LLC (Trending Topics berichtete). E-Fuels sollen ermöglichen, dass die heutigen Verbrennungsmotoren auch nach dem EU-Verbot ab 2035 weiter verkauft werden können, weil sie mit CO2-armen, künstlichen Kraftstoffen betrieben werden. Nur: Die E-Fuels stehen stark in der Kritik, weil sie als ineffizient und teuer gelten; außerdem kann kaum jemand voraussagen, wann sie wirklich massen- und einsatztauglich sind.
„Es besteht das Risiko, dass für die Verwendung in Verbrennungsmotoren bestimmte E-Kraftstoffe neue regulatorische Hürden in der EU auferlegt werden, die die Erforschung solcher Kraftstoffe und ihre Verwendung in künftigen und bestehenden Fahrzeugmodellen kommerziell weniger attraktiv machen“, heißt es im Börsenprospekt.
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7. Konkurrenten aus China
Namentlich nennt Porsche im Prospekt nur Audi, BMW, Mercedes-Benz, Tesla und Volvo Cars (mit der E-Marke Polestar) als Rivalen. Doch die wirklich neue Bedrohung kommt aus China, einem für Porsche sehr wichtigen Markt. Neue chinesische Autobauer drängen ins Luxussegment. „Insbesondere einige chinesische BEV-Hersteller, die auf das Premium- und Luxussegment abzielen, haben ihren Marktanteil in China in den letzten Jahren erheblich gesteigert, indem sie zum Teil von den Vorlieben der lokalen Kunden für fortschrittliche technologische Merkmale und Konnektivität und/oder dem Wunsch, lokale Marken zu unterstützen, profitierten“, heißt es dazu.
Und weiter: „In den Vereinigten Staaten geben die Kunden häufig die begrenzte Reichweite als eines ihrer größten Probleme mit BEVs an, was darauf hindeutet, dass BEVs mit längeren Batteriereichweiten in den Vereinigten Staaten einen starken Wettbewerbsvorteil haben werden.“
8. Abhängigkeit vom SUV-Segment
Sportautos sind bei Porsche schon lange nicht mehr das große Ding – SUVs bringen längst mehr Umsatz. „Da mehr als die Hälfte der Fahrzeugverkäufe in den Jahren 2021, 2020 und 2019 auf das SUV-Segment (d. h. die Cayenne- und Macan-Modellfamilien) entfallen, sind die Umsatzerlöse und das Volumen des Konzerns besonders stark von den Markt- und Wettbewerbsbedingungen und der Verbrauchernachfrage in diesem Segment abhängig. Die Modellfamilien Cayenne und Macan machten zusammen 57% der Auslieferungen der Gruppe im Jahr 2021, 63% im Jahr 2020 und 68% im Jahr 2019 aus“, heißt es im Börsenprospekt.
Nun setzt Porsche also stark auf E-Autos und auf SUVs – aber der Start des Hoffnungsträgers Macan musste auf 2024 verschoben werden. „Die Bedeutung der SUV-Modelle für den gegenwärtigen und zukünftigen Erfolg der Gruppe setzt die Gruppe daher einem Konzentrationsrisiko in Bezug auf den Erfolg dieser Modelle im Vergleich zum übrigen Produktportfolio der Gruppe aus“, heißt es im Prospekt.
9. Neue Zielgruppen im Visier
Der wohlhabende Mann in der Midlife Crisis ist in Zukunft nicht mehr der wichtigste Porsche-Käufer. Porsche muss dorthin gehen, wo die High Net Worth Individuals (HNWI) zu finden sind, also Menschen mit einem Vermögen zwischen 1 und 3 Millionen Dollar – und eben Menschen, die sich Autos jenseits der 80.000 Euro leisten wollen und können.
Die vermutet man bei Porsche einerseits in der Generation Z (geboren zwischen 1996 und 2012) und andererseits bei Frauen. Letztere entscheiden künftig auch, ob sich ein Haushalt einen Porsche kaufen wird oder nicht. „Es ist wahrscheinlich, dass Frauen bis 2030 zwei Drittel des Haushaltsvermögens verwalten werden“, heißt es im Porsche-Prospekt. „In China zum Beispiel liegt der Anteil der Frauen an den Kunden der Gruppe bei 50 % im Jahr
2022 bei 50 %, was einem Anstieg von 3 Prozentpunkten gegenüber 47 % im Jahr 2017 entspricht.“
Und das bedeutet auch, dass Porsche sein immer noch allgegenwärtiges Image, teure Sportautos für mittelalte Männer zu produzieren, abstreifen muss. Gen-Z-Vertreter:innen und Frauen wünschen sich wahrscheinlich andere Dinge von einem Auto als lautstarke PS und Lederlenkrad.