Praxistipps aus dem Home Office mit Kleinkind
Work-Life-Balance hat dieser Tage für viele Familien eine ganz neue Bedeutung bekommen. Während sich größere Kinder (zumindest meist manchmal) wunderbar alleine beschäftigen und unterrichten können, wandelt sich der Arbeitsalltag für Eltern kleinerer Kinder derzeit vielfach in einen Spießrutenlauf.
Da wird während des Online-Meetings außerhalb des Kamerawinkels heimlich gekuschelt, Telefonate werden zu Telefonkonferenzen mit ungeplanten Teilnehmern und die Notizen sind oft fantasievoll verziert – hoffentlich nicht mit schwarzem Lackstift. Oder Lippenstift.
„Aufschiebbare Arbeit“ und „systemrelevante Jobs“
Für Oberstufenschüler haben die Schulen komplett gesperrt. Schüler unter 14 Jahre und Kindergartenkinder müssen im Fall der Fälle nach wie vor in den Bildungseinrichtungen betreut werden. Die Stadt Wien hat sogar eigene Schreiben an Privatkindergärten gerichtet, um sie daran zu erinnern. Großeltern fallen als Babysitter aus und „nicht aufschiebbare“ Arbeit soll weiterhin erledigt werden. Ja, muss. Dazu zählen Supermarktmitarbeiterinnen, Ärztinnen, Pflegerinnen, Polizistinnen, Feuerwehrfrauen, Pädagoginnen und andere „systemrelevante“ Berufe.
Wer nicht dazu zählt, darf auf Home Office umsatteln und kann dort ja nebenbei auf die Kids aufpassen. Wenn es der Arbeitgeber erlaubt – dasselbe gilt für den neuen Sonderbetreuungsurlaub.
Eine Situation, die übrigens auch objektiv betrachtet eine große Belastung ist und zwar für die ganze Familie, wie Psychologen bestätigen: „Dies ist eine Situation, in der viele von uns wahrscheinlich noch nie zuvor waren. Bisher hatten wir eingefahrene und gut erprobte Alltagsrituale und jeder in der Familie hatte seine individuellen Aufgaben, aber auch seine Momente der Freizeit“, erklärt Bernadette Frech, Chefin des Startups Instahelp, das Online-Beratung durch Psychologen anbietet.
So kann Home Office mit Kind funktionieren
Also hier sitze ich nun in meinem neuen Corona-Büro, am Esstisch zwischen angebissenen Marmeladebroten, Zeichnungen mit dem Titel „Mama als Alien“ und konfiszierten Legofiguren, die unter den Kindern – sie sind Drei und Fünf – zu Uneinigkeiten geführt hatten. Und ich frage mich, wie das andere Eltern eigentlich hinbekommen. Die besten Strategien sammle ich hier, zum Nachahmen, Ausprobieren, Bestaunen:
Remote Märchenstunde
Dieter Rappold ist Gründer von Speedinvest Pirates, einer „Growth Hacking“-Agentur für Startups. Und er ist Vater von drei Kindern: 2, 5 und 8 Jahre alt. Frau Rappold ist Ärztin und wird im Krankenhaus gebraucht. Also sitzt der Manager mit drei Kleinkindern in seinem Heim-Büro: Windel wechseln, Team-Meeting via Zoom, Geschirrspüler ausräumen, Matheaufgaben erklären, E-Mails schreiben. „Ich bin im übrigen der Meinung Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen sollten mehr verdienen“, sagt Rappold und teilt diese Ansicht bestimmt mit allen Eltern.
Jedenfalls nutzt der Growth-Hacker einen Remote-Team-Trick als Kinderbetreuungs-Hack in Coronavirus-Zeiten, um sich ein wenig Luft zum Arbeiten zu verschaffen: „Meine Schwester lebt in der Steiermark und heute saß sie zum Beispiel vor Ihrem WhatsApp Videocall, während unsere Kinder gebannt vor meinem Handy auf der Couch sitzen und Ihr zuhören, während sie eine halbe Stunde lang ein Buch vorliest – wertvolle Zeit die ich zum Arbeiten nütze“.
Privatgrün
Ich weiß, das ist Luxus: Wir verbringen gerade viel Zeit mit den Kindern im Garten, dort können sich nämlich auch Kleinere bestens selbst beschäftigen. Vielleicht gibt es ja Großeltern mit einem Gartenhäuschen, die bereit sind, gegen eine Stadtwohnung zu tauschen? Oder eine Ferienwohnung im Grünen, weil es beim Home Office ja egal ist, wo genau das „Home“ gerade ist. Stefanie Kukla, Gründerin des Modelabels „Madame Kukla“ hat genau das gemacht, sie ist mit Mann und Kleinkindern für die Zeit der Krise „auf’s Land“ gezogen.
Strukturierter Tag mit „Deep Work“-Phasen
Für viele Eltern bedeutet Home Office mit Kleinkindern vermutlich eher Improvisationskunst bei der Zeiteinteilung. Müssen beide arbeiten, spielt mal der eine mit den Kindern, während die andere wichtige Tasks erledigt oder telefoniert und dann eben wieder umgekehrt. Je nachdem, wie frei man sich den Arbeitstag einteilen kann, ist mehr oder weniger Struktur im Familienalltag hilfreich.
Der Spanier Michael Thompson arbeitet mit einem 2-Jährigen und einem 5-Jährigen von daheim aus und empfiehlt, pro Tag zwei fixe Phasen für konzentriertes Arbeiten einzuplanen. Das könnte zum Beispiel in der Früh sein, wenn die Kinder noch schlafen. Jetzt grinsen wahrscheinlich gerade viele Eltern. In dieser Altersklasse sind Langschläfer die Ausnahme. In diesem Fall empfiehlt Thompson, zu probieren, die Kinder etwas früher ins Bett zu legen und am Abend eine Phase einzuplanen.
Bei uns entsprechen die „Deep Work“-Phasen jenen Momenten, in denen die Kids satt und zufrieden sind und für einige Zeit glücklich miteinander spielen. Also nach den drei Hauptmahlzeiten. Wenn die Kinder noch einen Mittagsschlaf machen, bietet sich auch die Mittagszeit an.
Damit diese Phasen optimal ausgenutzt werden, lohnt es sich, die anstehende Arbeit in Aufgaben zu teilen, die hohe Konzentration erfordern und solche, die man notfalls auch nebenbei erledigen kann – also zum Beispiel das Verfassen von Berichten im Vergleich zum Beantworten kürzerer E-Mails.
+++ Remote Work: Unsere Tipps für ein gelungenes Home Office +++
Nachtschicht
Wenn alle Stricke reißen, bleibt noch die Option, in der Nacht zu arbeiten. Das ist vielleicht wenig attraktiv, für viele Eltern aber ohnehin schon lange Realität. „Viel der täglichen Arbeit wird nächtens erledigt wenn die Kinder schlafen, oder an jenen Tagen wo meine Frau nicht arbeiten muss“, gibt auch Rappold zu.
Hier könnte dein Tipp stehen
Du hast auch Kinder und gute Tipps? Dann her damit, Eltern lieben das 😉: sara.grasel@trendingtopics.at