Fedor Holz: Wie ein millionenschwerer Poker-Profi die österreichische Startup-Szene aufmischen will
„In der Szene hier passiert sehr wenig. Wenn ich mir viele andere ankucke, dann glaube ich, dass unser Konzept das meiste Potenzial hat.“ Wenn der Deutsche Fedor Holz (24) etwas Neues angeht, dann sind die Ziele groß. Mit 16 kam er das erste Mal mit Poker in Berührung, keine acht Jahre später kann er mehr als 20 Millionen Dollar vorweisen, die er bei Turnieren auf der ganzen Welt gewonnen hat. Holz, der sein Informatikstudium abbrach und heute in Wien lebt und arbeitet, zählt zu den erfolgreichsten Spielern der Welt.
Coaching-Apps und Krypto-Mining
Doch der Erfolg und das viele Geld beim Pokern befriedigt Holz nicht. Von Wien aus will er mit der Primed Group ein Startup-Unternehmen der besonderen Art bauen. Gut gelegen im ersten Wiener Bezirk, hat Holz dieses Jahr eine internationale Truppe an Entwicklern um sich versammelt, mit denen er fortan neue Produkte bauen will. „Wir fokussieren nicht auf ein bestimmtes Produkt oder eine Nische, sondern auf die Infrastruktur“, sagt Holz beim Besuch von Trending Topics. Es gehe ihm darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Mitarbeiter sich schnell weiterentwickeln und Know-how aufsaugen können. Dann wäre es auch möglich, immer bessere Produkte immer schneller auf den Markt zu werfen.
„Primed Mind“, eine Coaching-App mit aktuell mehr als 40.000 Downloads (mehr als 12.000 aktive Nutzer), ist der erste Streich, weitere Apps sollen folgen. Mit der Primed Crypto GmbH hat Holz eine eigene Tochter eingerichtet, die sich mit Kryptowährungen beschäftigt. Als Geschäftsführer hat er Wolfgang Fallmann geholt, der derzeit an eigenen Mining-Rigs bastelt, die man später Endnutzern als Dienstleistung zur Verfügung stellen könnte. Fallmann ist in der Startup-Szene kein Unbekannter: Er hat mit Stabylizr (Trending Topics berichtete) ein Gadget für ruckelfreie Go-Pro-Videos entworfen und eine erfolgreiche Crwodfunding-Kampagne durchgeführt.
Die Pläne von Holz, der derzeit rund ein Dutzend Mitarbeiter in Wien um sich geschart hat, gehen weiter. Auch von einem Co-Living-Space ist die Rede – also einem Ort, an dem die Welt des Arbeitens und die Welt des Privatlebens miteinander verschmelzen. Im Interview mit Trending Topics gibt Holz Einblicke in die Primed Proup.
Trending Topics: Sie sind einer der erfolgreichsten Poker-Spieler der Welt. Warum wollen Sie jetzt in die Startup-Branche?
Fedor Holz: Ich habe 2016 ein sehr erfolgreiches Jahr gehabt. Aber das Gefühl, das ich hatte, hat nicht mit dem übereingestimmt, was ich mir erwartet hatte. Das war ein klares Zeichen für mich, dass ich etwas ändern muss. Die Befriedigung, die Erfüllung, die ich gesucht habe, war nicht gegeben.
Was hätten Sie sich erwartet? Das Geld und Erfolg glücklich machen?
Das pauschal zu sagen, ist schwierig, aber ich hätte mir ein positiveres Gefühl erwartet. Du stellst dir dieses Ziel, und eigentlich ist es der Weg dorthin, der relevant ist. Die fünf Jahre bis dahin waren der coole Teil, am Ende dazustehen und Erfolg gehabt zu haben und Geld zu haben, das ist gar nicht der wichtige Teil. Vorher dachte ich: wenn ich da ankomme, dann hat sich das alles gelohnt. Aber das war überhaupt nicht so. Es ist ein spannender Moment, wenn man Sachen in Frage stellt, obwohl man gerade sehr erfolgreich ist. Ich hab dann mal einen Monat komplett mit dem Pokern aufgehört. Und ich habe schnell gemerkt, dass das Pokern nicht das ist, wo es mich hin zurück zieht. Jetzt mache ich es nebenbei.
Warum haben Sie sich gerade für die Startup-Szene entschieden?
Es ist gar nicht spezifisch eine Richtung, die mich interessiert. Die Vision, die ich habe, ist, eine Infrastruktur zu bauen, mit der man Ideen so schnell wie möglich umsetzen kann. Das ist der Spirit, den ich verstärken will. Ich will mich weiterentwickeln, und ich will, dass sich auch andere Leute hier weiter entwickeln. Mir geht es da stark um den Ausbildungsbereich.
Wie funktioniert die Primed Group?
Das Wichtigste ist der Cultural Fit. Im Auswahlprozess geben wir der Person ein Projekt bzw. ein Ziel, das sehr schwer zu erreichen ist. Dann schauen wir uns an, wie der Weg genommen wurde, was das Resultat ist und wie es präsentiert wird. Wie stellt sich die Person dar? Wie geht sie damit um, das Ziel nur zu 70 Prozent erreicht zu haben? Da kommt mein Poker-Hintergrund zu Tragen.
Können Sie das näher ausführen?
Menschenkenntnis ist ein ganz wichtiger Punkt bei der Auswahl der Mitarbeiter. HR ist für mich nichts anderes als herauszufinden, wer am besten passt. Darin sehe ich meine Rolle hier ganz stark. Wenn man am Anfang zu schnell zu viele Team-Mitglieder hinzufügt, dann gibt es für sie oft nicht viel, woran sie sich orientieren können. Da gibt es keine Kultur, keine Routine. Das haben wir realisiert, dass man da Zeit investieren muss. Außerdem wichtig: die Testphase. Die Leute müssen bereit sein, etwas zu investieren, sie können nicht einfach sagen: Ich will das und das. Wenn sie nicht investieren, dann bin ich auch nicht bereit zu investieren.
Welche Firmenkultur ist entstanden? Unterscheidet sie sich von anderen Startup-Firmen?
Wir wollen uns nicht aktiv von anderen Firmen unterscheiden, sondern so sein, dass wir uns wohl fühlen. Ich würde sagen, dass es hier sehr individuell und frei ist. Gemeinsam haben wir wohl, dass wir uns alle weiter entwickeln wollen. Erst kürzlich hat ein Mitarbeiter anlässlich des Nobelpreis für die Entdecker der Gravitationswellen einen Vortrag für alle anderen gemacht. Das sind Dinge, die man vielleicht in seiner Freizeit machen würde. Wir wollen das Wort „Arbeit“ auflösen. Wir sind sehr flexibel mit den Arbeitszeiten, jeder weiß für sich selbst, wann und wie er am produktivsten ist. Das wollen wir unterstützen.
Das wichtigste Produkt derzeit ist die Coaching-App „Primed Mind“ (für iPhone und Android). Was bietet die den Nutzern?
Mein Coach Elliot Roe, der viel mit erfolgreichen Poker-Spielern und Unternehmern zusammen gearbeitet hat, hat mir wirklich extrem weiter geholfen. Beim Pokern gibt es zehn bis 15 Tage pro Jahr, die viel wichtiger sind als die anderen Tage. Bei Turnieren musst du dich 12, 14 Stunden durchgehend konzentrieren können. Da nochmal fünf, zehn Prozent mehr aus dir herauszuholen, ist ein riesiger Vorteil. Roe macht sein Coaching nur privat in Face-to-Face-Sessions, und wenn wir uns nicht treffen konnten, hat er mir Tapes aufgenommen. Da kam mir der Gedanke: Warum machen wir das nicht für alle Situationen für verschiedene Leute? Daraus ist die App entstanden. Wir haben jetzt über 100 verschiedene Audio-Mitschnitte zu unterschiedlichsten Lebenssituationen, etwa vor Prüfungen, Einstellungsgesprächen, Wettbewerben oder einfach nur vor dem Einschlafen.
Wie gut kann eine Coaching-App einen echten Coach ersetzen? Am Ende fehlt ja doch der persönliche Kontakt.
Klar ist es so, dass eine One-on-One-Session nochmal intensiver und individueller ist. Ich glaube aber, dass wir es sehr gut hingekriegt haben, eine 90-Prozent-Version einer echten Session. Der Content ist etwa für jemanden, der ein Vorstellungsgespräch hat, genau zugeschnitten. Was nicht funktionieren würde, ist eine universelle Lösung für alles. Deswegen bin ich auch kein Fan von Meditations-Apps, da fehlt mir das Zielgerichtete.
Der zweite wichtige Bereich bei der Primed Group neben der App-Entwicklung ist Krypto-Mining. Welche Erwartungen haben Sie von diesem neuen Segment?
Zum heutigen Zeitpunkt ist es schwer zu sagen, wie sich das entwickeln wird, weil sich der Markt stetig entwickelt. Wir sind sehr interessiert daran und haben einige Pläne dazu.
Ein Plan ist, Mining als Dienstleistung für Laien anzubieten.
Das ist eine Sache, die wir cool fanden: Leuten den Zugang zu einer neuen Technologie zu geben, das Thema verständlicher zu machen. Das ist sicher ein anderer Ansatz als andere Firmen, über die Unwissenheit von Menschen zu monetarisieren. Für uns ist es spannend, etwas für den Endnutzer anzubieten.
Sie sind aus Deutschland. Warum haben Sie sich für den Standort Wien entschieden?
Ich lebe seit fünf Jahren in Wien, bin hier superglücklich. Die Infrastruktur ist hervorragend. Ich glaube, dass man von hier aus einiges bewegen kann. Ich denke, dass wir in ein, zwei Jahren an einen Punkt kommen, der für sehr viel Aufsehen sorgen wird.
Was wird das sein?
In der Szene hier passiert sehr wenig. Man kennt die Leute schnell, es gibt nicht sehr viele Startups. Wenn ich mir so unsere Pläne anschaue, dann weiß ich, dass da noch einiges passieren wird. Wenn ich mir viele andere ankucke, dann glaube ich, dass unser Konzept das meiste Potenzial hat. Wir fokussieren nicht auf ein bestimmtes Produkt oder eine Nische, sondern auf die Infrastruktur.
Können Sie das konkretisieren, greifbar machen?
Mein Produkt ist die Infrastruktur, die wir aufbauen. Wenn das funktioniert, ist es extrem skalierbar. Eine App ist halt eine App. Aber wenn man den Prozess einmal durchlaufen hat, dann wird die zweite App viel schneller viel besser. In diesem Iterations-Prozess lernt jeder ständig dazu.
Sie werden also viele verschiedene Produkte mit dem selben Team machen?
Ja, das ist momentan der Fall.