Qualizyme Diagnostics: “Manche haben gesagt, dass zwei Forscherinnen das nicht können”
“Unsere Intention war gar nicht, von der Uni wegzugehen.” Als Eva Sigl und Andrea Heinzle 2006 im Rahmen eines EU-Projekts zum Thema chronische Wunden zu forschen begannen, war noch überhaupt nicht absehbar, was aus dieser Keimzelle werden sollte. Die beiden Wissenschaftlerinnen gehören heute zu den ganz wenigen Frauen in Österreich, die erfolgreich ein universitäres Spin-off gegründet haben. Kürzlich wurden die beiden, die das MedTech-Startup Qualizyme Diagnostics gemeinsam mit Co-Founder Michael Burnet ins Leben riefen, mit dem Phönix Gründerpreis ausgezeichnet (Trending Topics berichtete).
Damit gehört Qualizyme zu den vielversprechendsten MedTech-Startups des Landes. “Der Weg in der Medizintechnik ist ein langer”, sagt Eva Sigl im Gespräch mit Trending Topics. Sigl und Heinzle haben viele Jahre in die Erforschung von bakteriellen Infektionen chronischer Wunden investiert, um schließlich nächstes Jahr das erste Produkt auf den Markt zu bringen. Dabei geht es um Schnelltests zur Früherkennung von Wundinfektionen entwickelt, mit denen ganz spezifische Kombinationen von Enzymen im Körper nachgewiesen werden können. Der Schnelltest liefert in rund vier Minuten ein Ergebnis.
Frühwarnsystem für Wundinfektionen
Dieses „Frühwarnsystem“ soll etwa Ärzten in Krankenhäusern dabei helfen, um Infektionen frühzeitig mit Spezialverbänden zu behandeln oder antiseptisch den Ausbruch zu verhindern, anstatt den Patienten später mit Antibiotika vollzupumpen. Vor allem alte Menschen sind von solchen chronischen Wunden betroffen. Künftig soll die Behandlung mit Hilfe von Qualizyme verbessert werden.
2020 sollen nun die Schnelltests auf den Markt kommen. “Für uns als Startup wär es unmöglich, im Alleingang ein Medizinprodukt auf den Markt zu bringen”, sagt Sigl. Deswegen hat man sich mit dem Industriepartner ConvaTec (ein auf Wundversorgung spezialisiertes Unternehmen) aus England zusammen getan, um das Produkt auf den Markt zu bringen. “Unsere Kernkompetenz ist Forschung und Entwicklung”, sagt Sigl.
„Wir haben an die Technologie geglaubt”
Zu Unternehmerinnen werden, das war für Sigl und Heinzle nie der Plan. Doch während ihrer Forschungszeit an der Uni wurden sie quasi dazu gezwungen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, als ihr damaliger Chef den Posten wechselte. Die Forschung stand vor dem aus, aber „wir haben an die Technologie geglaubt.” 2010 wurde die Technologie patentiert, 2012 gab es die erste Förderung, 2014 zogen die beiden ins Zentrum für Wissenstransfer der Meduni ein. “Das war wirklich der große Schritt in die Selbstständigkeit”, sagt Sigl. Schließlich wurde das Duo als erstes Frauenteam in den Science Park Graz aufgenommen.
“Manche haben gesagt, dass zwei Forscherinnen das nicht können”, sagt Sigl. Doch sie haben das Gegenteil bewiesen. “Zum Glück haben wir die Zeit gehabt, um das richtig zu lernen. Wenn es von 0 auf 100 gegangen wäre, ich weiß nicht ob wir es geschafft hätten.” Mittlerweile wird bereits am zweiten Produkt gearbeitet, bei dem es um die Umlegung der eigenen Technologie auf andere Körperflüssigkeiten geht. Ein neuer Prototyp für Nachweis bakterieller Gelenksinfektionen wurde bereits patentiert – er könnte sich in einigen Jahren als nützliches Tool etwa für Tierärzte erweisen.
Besonderes Arbeitsklima
Besonders ist Qualizyme, wo mittlerweile vier Angestellte arbeiten, auch aus einem anderen Grund. Die steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat die Grazer Firma kürzlich mit dem „Wert!Geschätzt“-Preis 2019. Denn Qualizyme sticht nicht nur im Medizinbereich hervor, sondern auch bei der Work-Life-Balance, die Mitarbeitern geboten wird. So ist unter anderem auch eine 4-Tage-Woche und die Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten möglich.