Reeduce: Startup stellt Lärmschutzwände aus Schilf, Lehm und Thermoholz her
Sie stehen an Autobahnen und Bahngleisen, manchmal auch in Wohngebieten. Mit ihnen sind die Autos und vorbeifahrenden Züge nicht ganz so laut, sie schlucken den Lärm und sorgen für mehr Ruhe: Lärmschutzwände stehen dort, wo es für Menschen im Umfeld sonst zu laut wird. An sich eine sinnvolle Erfindung. Besonders ökologisch sind konventionelle Lärmschutzwände jedoch nicht. Meist bestehen sie aus Beton oder Aluminium – Materialien, die sich nur schlecht abbauen lassen, und deren Herstellung für die Umwelt enorm schädlich ist.
Häufig werden die Wände deshalb mit Pflanzen begrünt, um die Wände aufzubessern. Ein Wiener Startup hat sich entschieden, aufs Ganze zu gehen und stellt Lärmschutzwände komplett aus natürlichen Materialien her, nämlich aus Thermoholz, Lehm und Schilf. Mit ihrem Startup Reeduce setzt die Gründerin Birgit van Duyvenbode fort, was eigentlich vor vielen Jahren mit einer Familiengeschichte begann.
Familie entwickelte Pilotprojekt
Gründerin van Duyvenbode stammt aus einer Familie, die in Oberösterreich früher ein kleines Sägewerk betrieb. Hier entstand schon vor mittlerweile 15 Jahren die Idee einer ökologischen Lärmschutzwand aus Thermoholz, Schilf und Lehm, die dann im Rahmen eines internationalen EU-Forschungsprojektes entwickelt wurde. In Kooperation mit der Asfinag stellte das Familienunternehmen entlang der Autobahn A22 testweise eine solche Wand auf.
Doch seitdem wurde die Idee nicht mehr weiter verfolgt, das Pilotprojekt blieb eine einmalige Sache. „Damals war die Zeit noch nicht reif für eine ökologische Lärmschutzwand“, sagt Gründerin van Duyvenbode im Gespräch mit Tech & Nature. „Man hat nicht geglaubt, das eine ökologische Wand genauso halten würde wie eine konventionelle.“
Doch erst kürzlich erfuhr die studierte Ökonomin und Umwelttechnologin von Expert:innen, dass an der Pilotstrecke Messungen durchgeführt wurden. Mit vielversprechenden Ergebnissen: Die Wand wies eine gute Haltbarkeit und Schalldämmung auf. „Da hat es Klick gemacht“, sagt van Duyvenbode. Sie beschloss, das Erbe ihres Familienunternehmens wieder aufzugreifen und das Produkt weiterzuentwickeln.
Schilf vom Neusiedlersee
Die Materialien für die ökologischen Lärmschutzwände stammen aus Österreich, das Schilf bezieht Reeduce etwa vom Neusiedlersee, laut WWF einem der größten Schilfgebiete Europas, wo das Startup mit einem Partner zusammenarbeitet. Das Schilf bietet sich laut der Gründerin sehr gut für Reeduce an, da es gute schalltechnische Eigenschaften aufweist und enorm langlebig ist. Zudem wachse es am Neusiedlersee zügig nach, eine Versorgung mit Schilf sei für Reeduce daher langfristig gesichert. Auch das Lehm wird aufgrund deines Dämmpotenzials eingesetzt. Zudem hält es die die anderen Materialien zusammen.
Mit dem Thermoholz, das Reeduce verwendet, entsteht laut Angaben von van Duyvenbode kein Sondermüll, wie es bei chemisch imprägnierten Holz der Fall wäre. Die natürlichen Komponenten sind biologisch abbaubar oder über die Kreislaufwirtschaft wiederzuverwerten. Auch in ihrer Produktion weist die Wand einen geringeren CO2-Abdruck auf als konventionelle Wände, die viel hier Energie beanspruchen. Als Insektenhotel leistet sie außerdem einen Beitrag zur Artenvielfalt. So will Reeduce einen Beitrag zur ökologischen „Lärmschutzwende“ leisten, wie das Startup auf seiner Website schreibt.
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Markteintritt für 2022 geplant
Eine Förderung konnte van Duyvenbode bereits einsammeln: Bei der sechsten Ausgabe der Greenstart-Initiative des österreichischen Klima- und Energiefonds erhielt ihr Startup in diesem Jahr insgesamt 30.000 Euro. Derzeit baut Reeduce seine Produktion auf sowie die Kooperationen mit Lieferant:innen und Partner:innen. Anfang nächsten Jahres will van Duyvenbode eine GmbH gründen.
Die Lärmschutzwände selbst befindet sich noch in der Marktzulassungsphase. Prototypen werden dabei anhand akustischer und mechanischer Normen geprüft. Die Normenmessung werde sich bis ins zweite Quartal 2022 ziehen, sagt van Duyvenbode. Für öffentliche Aufträge wird sich das Startup daher frühestens ab dem nächsten Halbjahr bewerben können. Für Privatpersonen und Unternehmen seien die Lärmschutzwände aber schon früher bereit, so die Gründerin.
Wieviel eine Wand pro Quadratmeter kosten wird, kann die Gründer noch nicht verraten. Es sei sehr abhängig vom Anwendungsfall. Im Vergleich zu konventionellen Wänden seien die ökologischen Lärmschutzwände jedoch wettbewerbsfähig. Ist das Produkt marktreif, sind als Anwendungsfelder laut Duyvenbode neben Autobahnen auch Bahngesellschaften, Flughäfen, Unternehmen, Supermärkte denkbar. Bis die Wände die Landschaft und Stadtgebiete prägen, dauert es noch eine Zeit lang. Doch setzt sich die Idee nachhaltiger Lärmschutzwende durch, könnten diese in Zukunft neben dem Lärmschutz auch für mehr Klima- und Artenschutz entlang von Autobahnen und Bahngleisen sorgen.