refurbed-CEO Windischhofer: „Wir sind sowohl günstiger als auch nachhaltiger“
Refurbed bereitet Smartphones und andere elektronische Geräte, mittlerweile aber auch Sportkleidung und Fahrräder, wieder auf und verkauft sie über die eigene Plattform weiter. Damit konnte man zuletzt die Grenze von einer Milliarde Euro Außenumsatz knacken. Im Interview mit CEO Peter Windischhofer erklärt er, warum Nachhaltigkeit im Trend ist, was weltweit noch falsch läuft und wo Politik und Wirtschaft ansetzen müss(t)en.
Dieses Interview stammt aus unserem Magazin GoGreen 2023. Das rund 80-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.
Trending Topics: Refurbed hat im Juni eine Milliarde Euro Außenumsatz vermeldet. Zeigt das, dass die Nachfrage nach gebrauchten Geräten nachhaltig wächst oder ist es einfach eine logische Folge, wenn man lang genug am Markt ist?
Peter Windischhofer: Beides in beide Richtungen eigentlich (lacht). Natürlich merken wir bei unseren Kund:innen, dass Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Das ist ein sehr langfristiger Trend: Als wir gestartet haben, waren es nur zehn bis zwanzig Prozent unserer Kund:innen, die meinten, sie wollen unsere Produkte wegen des Nachhaltigkeitsaspekts kaufen. Jetzt sind wir bei 40 bis 50 Prozent.
Wir sehen einen massiven Trend in die Richtung, was uns natürlich freut. Wir sehen uns aber auch selbst in der Position, das Ganze noch weiter anzufachen. Vor allem setzen wir die Schwelle so extrem niedrig: Jede:r, der oder die etwas Nachhaltiges kaufen will, kann das bei uns machen. Auch umgekehrt kauft jede:r, der oder die ein günstiges Handy bei uns kaufen will, automatisch nachhaltig. Dadurch sehen wir uns auch in der Rolle, das ganze Thema zu pushen – und das über unsere Firma hinaus.
Unabhängig vom Nachhaltigkeitsgedanken, warum kaufen die Leute bei refurbed?
Es ist immer die Kombination aus Preis, Nachhaltigkeit und Qualität und der Convenience-Faktor, der gegeben ist. Bei uns kann man das Produkt online kaufen, man bekommt immer den besten Preis auf der Website, wir kümmern uns um die Qualitätskontrolle und am Ende können sich Kund:innen darauf verlassen, dass die Produkte passen. Und wenn etwas nicht passen sollte, haben wir einen guten Service, der weiterhilft.
Dadurch haben wir eine Brand aufgebaut, die die Leute super finden, die sie spannend finden, der sie vertrauen. Die Leute wollen schlichtweg die Kombination aus Preis, Qualität und Nachhaltigkeit haben.
Ausgehend von eurem Portfolio, welche Produkte und Produktgruppen sind denn stark nachgefordert?
Natürlich Smartphones. Das war unsere erste Produktkategorie.
Nach wie vor? Der Markt insgesamt entwickelt sich ja leicht rückläufig.
Die Frage ist, warum der Neumarkt zurückgeht. Unser Markt für wiederaufbereitete Smartphones steigt extrem. Selbst Smartphones wachsen bei uns immer noch enorm, alle anderen Kategorien wachsen aber sogar schneller. Das heißt, der Anteil von Smartphones wird immer kleiner, aber wir verkaufen immer mehr Laptops, immer mehr Tablets, aber auch Küchengeräte bzw. Haushaltsgeräte wie Staubsauger oder Kaffeemaschinen. Was wir jetzt auch gestartet haben ist Sports – wir verkaufen E-Bikes und ‚normale‘ Räder – und das funktioniert echt super.
Wie sehr spürt ihr die hoch inflationären Zeiten bzw. die Wirtschaftskrise?
Es ist für uns eher schwer zu sagen, wie sich das auswirkt. Die Lage ist eher positiv für uns, weil Menschen versuchen, noch günstigere Preise zu bekommen. Da haben wir natürlich den großen Vorteil, dass wir sowohl günstiger sind als auch nachhaltiger. Die Kombi macht es am Ende für uns aus.
Es wird aber nach wie vor für Luxusprodukte Geld ausgegeben, auch bei euch.
Spannendes Thema. Es gibt ja die Maslow‘sche Bedürfnispyramide und da ist die Frage, wo Smartphones aktuell liegen. Wir haben das diskutiert, viele meinen eher in der Mitte, ich denke ganz unten. Smartphones sind eines der letzten Dinge, wo Leute zu sparen beginnen.
Es ist sehr spannend, dass, obwohl Inflation zu einer massiven Leistbarkeitskrise führt, wir davon nicht betroffen sind, sondern eher dadurch profitieren. Die Menschen wollen mehr sparen wollen und gute Preise bekommen. Natürlich passiert das Ganze in einer Phase, wo wir als Marke und als Firma immer bekannter werden.
Du hast einmal in einem Interview erwähnt, dass die Leute auch stolz darauf sind, ein wiederaufbereitetes Gerät zu kaufen. Wo stößt dieser Stolz noch an Grenzen? Wenn man das umlegen würde auf alle anderen Bereiche, dann müsste ich ja eigentlich alles nach der Möglichkeit nachhaltig wiederaufbereitet kaufen. Das passiert aber nicht.
Der große Unterschied ist, dass wir es für die Leute sehr einfach und günstig machen. Du kannst natürlich alles, das wir anbieten, auch auf anderen Plattformen gebraucht kaufen, aber eben nicht so einfach. Es ist mühsam, weil du irgendwo hinfahren musst. Dann musst du mit der Person verhandeln, dann schaut das Produkt vielleicht anders aus. Außerdem hast du keinen Kundenservice, keine Garantie und keine Rechnung. Bei uns ist das anders: Du gehst auf die Plattform, klickst auf einen Button und das Produkt wird dir nach Hause geschickt – gratis noch dazu. Wenn es nicht passt, schickst du es gratis zurück und du hast absolut kein Risiko.
Dazu kommt, dass der Preis bei uns viel niedriger ist als bei vielen anderen nachhaltigen Produkten. Wenn man ein Elektroauto kauft, ist es viel teurer, als wenn man ein normales Auto kauft. Das führt dazu, dass Leute die Story bei uns cool finden, weil sie den Nachteil nicht haben und wir das aus einer emotionalen Sicht auch sehr positiv formulieren. Man hat den Konsument:innen die letzten 50 Jahre erzählt, dass man eigentlich nichts reparieren kann. Auf die Art: Wenn ein elektronisches Gerät kaputt ist, ist es kaputt und dann muss man es nicht reparieren. Wir kommen sehr stark von einer anderen Schiene und sind damit erfolgreich. Das finden die Leute cool.
Kreislaufwirtschaft zieht darauf ab, weniger Rohstoff zu verbrauchen, Produkte und Materialien länger im Kreislauf zu halten. Du hast gesagt, früher hat man die Dinge einfach weggeschmissen, aber noch früher hat man die Dinge dann sehr wohl wieder repariert. Ist das eine zyklische Bewegung?
Wenn man unsere Gesellschaft aus einer historischen Sichtweise betrachtet, sieht man, dass alles immer in Zyklen geschieht. Das sieht man bei der Mode, das sieht man bei der Musik und das sieht man auch daran, dass die Verbundenheit zur Natur früher viel, viel wichtiger war. Der Konsumwahn passierte dann in den 80ern oder 90ern und jetzt dreht sich das wieder. Das ist auch einfach ein gesellschaftlicher Zyklus, der natürlich durch die massiven Klimakatastrophen, in die wir reinstürzen, auch nochmal angefacht wird. Dadurch ist die Bereitschaft von Leuten, sich zu ändern, viel, viel größer als früher.
Dazu kommt: Es gab früher auch nicht die Möglichkeit, Dinge einfach zu reparieren, weil es diese Industrie gar nicht gab. Das befruchtet sich alles gegenseitig. Menschen wollen Dinge repariert haben, also entstehen mehr Unternehmen, die das anbieten. Dadurch gibt es auch Firmen wie uns. Und weil es uns gibt, gibt es wiederum Menschen, die darauf zurückgreifen.
Die Menge an produzierter Kleidung soll in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren ungefähr ums Doppelte steigen. Man kann einen Teil wieder aufbereiten, aber es gibt ja durchaus noch Bereiche oder Länder, wo dieser Nachhaltigkeitsgedanken noch nicht ganz so durchgedrungen ist. Ist das, was wir in Europa machen, manchmal nicht mehr so ein Tropfen auf den heißen Stein, ganz kritisch gefragt?
Ich verstehe die Frage, aber es gibt überhaupt keine Entwicklung in unserer Welt, die nicht von einer ganz kleinen Gruppe irgendwann angestoßen worden ist. Es gibt nichts, das wir aktuell als ‚normal‘ sehen, was nicht irgendwann von irgendeiner kleinen Gruppe angestoßen worden ist und dann immer größer und größer und größer wurde.
Das Flugzeug haben die Wright Brothers alleine erfunden, damals dachte keiner an das Fliegen. Als das Auto erfunden wurde, haben viele gesagt, sie wollen eigentlich schnellere Pferde. Es gibt viele Innovationen, viele Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die immer nur von einer kleinen Gruppe kommen. Und jetzt sind wir in Europa, in Österreich eine relativ kleine Gruppe, im Vergleich zum globalen Bevölkerungswachstum. Aber wenn es wir nicht machen, macht es keiner und wenn es keiner macht, dann wird es für unsere Welt tragisch enden.
Auch in der Politik heißt es oft, Österreich alleine könne nichts ausrichten. Können refurbed und andere nachhaltige Unternehmen dahingehend auch eine Vorreiterrolle einnehmen?
Absolut, das ist extrem wichtig und diese Verantwortung nehmen wir auch wahr. Vor einigen Wochen war etwa Bundesministerin Gewessler bei uns, die sich anschauen wollte, was wir machen. Sie hat uns da auch ermutigt und gemeint, die Politik brauche Unternehmen wie uns, damit wir zeigen können, wie man es anders – oder vielleicht besser – machen kann. Viele Unternehmen haben auch Angst vor der Kreislaufwirtschaft, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Betriebe umstellen können. Das ist auch sehr verständlich, wenn man in den letzten 50 Jahren etwas anderes gemacht hat, aber da sind wir sehr gerne bereit, als Vorzeigemodell zu fungieren und auch zu helfen und zu beraten, um die gesamte Wirtschaft in die Richtung zu treiben.
Hast du ein konkretes Beispiel?
Wir arbeiten mit großen Herstellern zusammen, etwa De‘Longhi und Kärcher, die direkt über uns ihre Refurbished-Produkte verkaufen. Früher haben sie neue Produkte produziert und sie dann an Distributoren verkauft. Die wiederum haben die Geräte dann an die Endkund:innen verkauft. Jetzt ist es so, dass diese Unternehmen selbst Produkte wieder aufbereiten und direkt über uns an Endkund:innen verkaufen. Das heißt, da ist ein massiver Shift, sowohl im Business-Modell als auch in der Art, wie sie die Produkte bauen. Es ändert sich nämlich auch das Design der Produkte, damit sie einfacher zu reparieren sind.
Es gibt einen massiven Shift in der gesamten Branche und wir sind der Katalysator dafür. Wir ermöglichen es diesen Firmen, wirklich die Endkund:innen zu erreichen und durch uns in die Kreislaufwirtschaft einzusteigen.
Das heißt, ihr seid quasi der entscheidende Hebel, dass das Ganze dann auch funktioniert? Im Prinzip hätten Hersteller auch vor 50 Jahren anfangen können, die Produkte reparierbar zu machen. Eine Kostenfrage?
Das Thema ist extrem vernetzt. Man braucht die Nachfrage von den Kund:innen, dann braucht man die Mittel für den Shift und letztlich auch die Partner dafür, um das umzusetzen. All das sind einzelne Puzzlestücke. Wir sind ja nicht die Einzigen, sondern wir sind ein Puzzlestück im ganz großen Bild. All diese Puzzlestücke müssen zusammenkommen, nur dann können wir unsere Wirtschaft wirklich umbauen, hin zur Kreislaufwirtschaft. Und darum ist es auch so wichtig, dass viele dieser Puzzlestücke in die gleiche Richtung gehen.
50 % der globalen Treibhausgasemissionen und mehr als 90 % des Biodiversitätsverlustes und Wasserstresses entstehen durch die Gewinnung und Weiterarbeitung von Rohstoffen. Glaubst du, dass der klassische Konsumentenmarkt alleine einen tatsächlichen Hebel schaffen kann?
Ich bin der Meinung, dass es nur passieren kann, wenn jede Konsumentin, jeder Konsument das will und das fordert. Erst dann werden sich die Industrien umstellen, erst dann wird sich die Politik umstellen. Wenn wir die Lage einfach akzeptieren, wird sich nichts ändern, weil dann die großen Industrien und die Politik keine Incentives haben, um irgendwas zu verändern.
Es muss Veränderungen in allen Bereichen geben. Das heißt, Konsum muss sich verändern, es muss sich die Industrie verändern und es muss sich die Politik verändern. Und die Politik muss natürlich die Rahmenbedingungen für die Industrie festlegen. Die wird das aber nur machen, wenn die Wähler:innen das fordern. Und das ist wiederum ein Kreislauf, der extrem schwer ist.
Das setzt aber immer zum gewissen Grad mündige Bürger:innen voraus. Siehst du das momentan?
In gewissen Bereichen schon, in anderen nicht. Wie immer gibt es Strömungen und Gegenströmungen und das sehen wir leider auch, wenn es um das Klima geht.
Ich glaube aber, dass da ein größeres Erwachen kommen wird in den nächsten Jahren. Es wird schwierig, aber es ist auf jeden Fall machbar. Ich glaube, dass es die Menschheit schaffen wird. Dafür braucht es aber wirklich das aktive Zutun von jedem und jeder Einzelnen. Wenn jede Person, die jetzt dafür ist, dass wir das Klima schützen, eine andere überzeugen würde, wären wir schon fast da. Man muss nicht immer große Unternehmen gründen, oft reicht es, wenn man ein, zwei andere Personen überzeugt.
Das meistverkaufte refurbished-Gerät ist ein iPhone. Das zeigt trotzdem, dass es ein Spannungsverhältnis gibt zwischen Nachhaltigkeit, Qualität und der Emotion, die mit einem iPhone einhergeht. Bei einem 150-Euro-Gerät ist das tendenziell anders.
Konsument:innen wollen immer alles haben. Sie wollen ein Top-Produkt, sich gut dabei fühlen, etwas Nachhaltiges machen und einen guten Preis haben. Und das funktioniert mit dem iPhone natürlich super. Das passt bei manchen Android-Geräten auch, bei sehr günstigen Android-Geräten aber leider nicht.
Hilft eine Pflicht zur (möglichen) Reparatur? Die ist ja angedacht.
Es gibt das Right-to-Repair-Movement, was extrem wichtig ist. Da gibt es schon die ersten Sachen, die umgesetzt werden.in guter erster Schritt, aber da muss man noch drauf aufbauen.
Man muss noch viel stärker die Hersteller in die Pflicht nehmen, die Produkte wirklich reparierbar zu gestalten. Das muss von der Politik angetrieben werden. Man wird nicht alles über den Markt lösen können, selbst wenn Konsument:innen extrem aufs Klima schauen wollen, werden sie nicht unterscheiden können, ob ein Produkt reparierbar ist oder nicht. Ich hoffe, dass wir da noch große Schritte machen können in der Zukunft.
Wäre sowas wie eine Art Nutri-Score für die Reparierbarkeit denkbar?
Das gibt es schon in Frankreich. Wenn man online Elektronik kauft, gibt es einen Reparaturscore. Es wird angezeigt, wie einfach ist, ein bestimmtes Produkt zu reparieren.
Das ist natürlich super, weil das einfach ein zusätzliches Entscheidungsmerkmal ist für Konsument:innen. Eigentlich ein recht einfaches Instrument, ohne große Verpflichtungen. Es geht um mehr Informationen für Konsument:innen. Dadurch werden sich auch die Hersteller in die Richtung bewegen. Das System ist auch farblich abgestimmt. Die Skala geht von eins bis zehn, glaube ich. Über acht ist sie grün und unter 8 ist gelb, alles darunter bekommt dann einen roten Aufdruck. Wenn man dann auf einer Produktseite einen riesigen roten Balken hat, ist das schlecht für den Verkauf.
Die EU hat mit dem Green Deal einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Kritik hat nicht lange auf sich warten lassen, reale Reduktionsziele sind in der zweiten Auflage nicht mehr vorhanden. Ein Zeichen unserer Zeit – ja, wir wollen, aber machen wir der Wirtschaft nicht zu viel Druck?
Es ist extrem traurig, dass es immer extrem coole Initiativen gibt, die sehr ambitioniert starten, dann aber durch den ganzen Prozess in der EU, aber auch auf nationaler Ebene, am Ende aber nicht das rauskommt, was unser Planet wirklich brauchen würde. Das heißt, viele dieser Ziele sind einfach zu niedrig gesetzt und zu wenig ambitioniert und dadurch werden sie nicht das erreichen, was wir eigentlich brauchen. Da sprechen die großen Konzerne und verschiedenste Parteien aus verschiedenen Ländern mit, die alle unterschiedlichste Motive haben und oft ihre nationalen, innenpolitischen Interessen vor die globalen Interessen stellen.
Dieses Interview stammt aus unserem Magazin GoGreen 2023. Das rund 80-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.