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Regeln für „grünen“ Wasserstoff mit Hintertürchen für Atomstrom und E-Fuels

Wasserstoff. © Canva Pro
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Stahlproduktion, Züge, Flugzeuge, Autos, Schiffe und sogar die Heizung zu Hause: Wasserstoff gilt als einer der wesentlichen Energieträger einer CO2-freien Zukunft. Deswegen hat sich die EU im Rahmen des Programms „REPowerEU“ das Ziel gesetzt, bis 2030 10 Mio. Tonnen so genannter RFNBO (erneuerbarer Brenn- bzw. Kraftstoff nicht biogenen Ursprungs) produzieren zu können und weitere 10 Mio. Tonnen importieren zu wollen. Damit das auch funktioniert, hat noch eine grundlegende Definition für erneuerbaren, also grünen Wasserstoff gefehlt – und die ist jetzt da.

Bisher wird in der Industrie bereits Wasserstoff eingesetzt, aber der ist nicht „grün“, sondern „grau“ – stammt also als Abfallprodukt aus der Verarbeitung von Erdöl und Erdgas. Grüner Wasserstoff wird hingegen per Elektrolyse erzeugt, also durch die Aufspaltung des Wassermoleküls in Sauerstoff und das begehrte H2. Und dafür braucht es Strom, und der kommt im Optimalfall aus Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft. Um das Ziel von 10 Mio. H2-Tonnen 2030 zu erreichen, sind enorme Mengen an Strom notwendig: Laut EU-Kommission werden etwa 500 bis 550 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen benötigt werden, das entspricht 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU.

Eine Stunde Zeit von Strom bis H2

Wie können Wasserstoff-Produzenten nun beweisen, dass der erzeugte Energieträger wirklich „grün“ ist? Wenn eine Produktionsanlage direkt an eine Anlage zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen (z.B. Windpark) angeschlossen ist, dann ist die Sache klar. Aber wenn eine Wasserstoffanlage Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht, dann muss auch sie beweisen können, dass die Energie erneuerbar ist.

Deswegen soll es zeitliche Grenzen geben. Das soll garantieren, dass H2 dann produziert wird, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Da soll folgende Regel gelten: Der erneuerbare Strom für die Produktion des Wasserstoffs muss in derselben Stunde produziert werden wie der Wasserstoff selbst. Das soll garantieren, dass es zeitliche und regionale Nähe bei der „Verwandlung“ von Strom in H2 gibt, und dass H2 nur zu Zeiten und Orten erzeugt wird, an denen genügend erneuerbare Energie zur Verfügung. Das soll verhindern, dass dann nicht zusätzlich Strom aus anderen Quellen (Kohle, Gas) zugeschaltet wird, weil die H2-Fabriken gerade den Sonnenstrom wegsaugen. Ursprünglich wollte die EU-Kommission den rahmen mit 15 Minuten sehr eng stecken, Industrievertreter:innen forderten bis zu drei Monate.

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Ein Plätzchen für Atomstrom im Strom-Mix

Was allerdings vielen bitter aufstößt, ist, dass die EU-Kommission es unter bestimmten Umständen möglich machen will, dass grüner Wasserstoff auch mit Atomstrom produziert werden darf bzw. ein grünes Label bekommen kann. Denn es soll auch folgende Regel geben: Wenn H2 mit Strom aus dem örtlichen Stromnetz erzeugt wird, das unter einem vorgegebenen Grenzwert von CO2-Emissionen bleibt, dann kann der produzierte Wasserstoff „grün“ sein. Das bedeutet konkret, dass Atomstrom zugemischt werden kann, weil der auch sehr CO2-arm ist. Eigentlich wird Atomstrom-Wasserstoff in der Branche als „rot“ bezeichnet. Seitens EU-Kommission heißt es dazu:

„Die von uns vorgeschlagenen Vorschriften enthalten spezifische Kriterien, anhand derer Wasserstofferzeuger, sowohl für den Fall, dass ihre Produktionsanlage direkt an eine Anlage zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen angeschlossen ist, als auch für den Fall, dass der Strom aus dem Netz entnommen wird, nachweisen können, dass der von ihnen genutzte Strom erneuerbar ist.  Für Letztere sieht der delegierte Rechtsakt verschiedene Möglichkeiten vor, die Herkunft des verwendeten Stroms aus erneuerbaren Quellen nachzuweisen, auch wenn die Nachfrage verringert wird und wenn eine bestimmte Gebotszone einen Anteil von 90 % erneuerbaren Stroms am Strommix erreicht oder die Emissionsintensität des Stroms unter einem bestimmten Schwellenwert liegt.“

Diese Ausnahmeregel für grüngefärbten „roten“ Wasserstoff birgt Streitpotenzial zwischen dem Kernkraft-freundlichen Frankreich und dem Kernkraft-ablehnenden Deutschland. Die beiden Länder wollen eigentlich eine Wasserstoff-Pipeline von Spanien über Frankreich bis nach Deutschland bauen. Und da geht es darum, welcher Wasserstoff unter welchen Bedingungen eingespeist wird. Paris beruft sich darauf, dass Atomkraft durch die EU-Taxonomie ohnehin schon (unter Voraussetzungen) als „grün“ gilt, während Berlin lieber nur Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen beziehen würde. Die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament haben jetzt jedenfalls zwei Monate Zeit, die Rechtsakte der EU-Kommission zu prüfen – und dann entweder anzunehmen oder abzulehnen.

E-Fuels kann auch als „erneuerbarer Kraftstoff“ gelten

Interessant ist auch, dass auch flüssige Brenn- bzw. Kraftstoffe wie Ammoniak, Methanol oder die umstrittenen E-Fuels als RFNBO (erneuerbarer Brenn- bzw. Kraftstoff nicht biogenen Ursprungs) gelten sollen, wenn sie aus erneuerbarem Wasserstoff hergestellt werden. Erneuerbarer Wasserstoff, der aus Biomasse (z. B. Biogas) hergestellt wird, gilt hingegen nicht als RFNBO. Ob die E-Fuels es in der Praxis in die Definition hineinschaffen, bleibt abzuwarten. „RFNBO werden nur dann auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien angerechnet, wenn sie im Vergleich zu fossilen Brennstoffen Treibhausgaseinsparungen von mehr als 70 % erzielen, was dem gleichen Standard entspricht wie für erneuerbaren Wasserstoff aus Biomasse“, heißt es seitens EU-Kommission.

EU: „Grüner“ Wasserstoff muss gar nicht wirklich grün sein

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