100 Gesetze, 270 Behörden: Wie die EU ihre Tech-Industrie zu Tode reguliert
Wer sich das Strategiepapier des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi zur Rettung der EU-Wirtschaft durchliest, dem könnte schon schwummrig werden. Denn da sieht man auf etwa 70 Seiten sehr kompakt, wie sehr Europa hinter den USA und China zurückfällt, dass es wirklich schnelle Reformen und ein Umdenken braucht – und dass viel Eigenverschulden ist, was Europa in Rückstand bringt.
Neben dem fragmentierten Markt, geringen öffentlichen Ausgaben für R&D, zu wenigen Weltklasse-Forschungsinstituten und mangelnder Finanzierung sieht Draghi ein großes Problem in der Regulierung. „Regulatorische Hindernisse für eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit sind im Technologiesektor besonders schwerwiegend, vor allem für junge Unternehmen“, heißt es in dem Strategiepapier. Komplexe und kostspielige Verfahren in fragmentierten nationalen Systemen würden Erfinder:innen abhalten, Rechte an geistigem Eigentum anzumelden, und hindern junge Unternehmen daran, den Binnenmarkt zu nutzen.
Womit sich etwa Startups in Europa herumschlagen müssen, hat der Brüsseler Thinktank Bruegel in einer Grafik zusammengefasst. MiCA, DMA, DSA, AI Act, GDPR, NIS 2, Chips Act, sogar eine „.eu top-level domain Regulation“, und so weiter und so fort: In der EU gibt es derzeit rund 100 Tech-orientierte Gesetze und über 270 Regulierungsbehörden, die in allen Mitgliedstaaten in digitalen Netzen tätig sind. Hier Überblicke über die EU-Gesetze sowie die EU-Behörden, die im Bereich Tech und Digitalisierung zum Tragen kommen:
Als plakatives Beispiel führt Draghi den AI Act an, dessen eigener Architekt zuletzt sogar selbst zugab, dass die EU damit übers Ziel hinausgeschossen sei und die Hürde (vor allem für die eigenen AI-Unternehmen) zu hoch gelegt habe (Trending Topics berichtete).
Big Tech kann es sich leisten, Startups nicht
„Diese Zersplitterung benachteiligt die EU-Unternehmen gegenüber den USA, die sich beim Aufbau umfangreicher Datensätze auf den privaten Sektor verlassen, und China, das seine zentralen Einrichtungen für die Datenaggregation nutzen kann. Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der EU möglicherweise die Zusammenarbeit innerhalb der Branche behindert“, heißt es in Draghis Papier.
Und weiter: „Schließlich verursachen die vielen unterschiedlichen nationalen Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen hohe laufende Kosten für Cloud-Anbieter. Der Nettoeffekt dieser Regulierungslast ist, dass nur größere Unternehmen – die oft nicht in der EU ansässig sind – die finanziellen Möglichkeiten und den Anreiz haben, die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften zu tragen. Junge innovative Technologieunternehmen entscheiden sich möglicherweise dafür, überhaupt nicht in der EU tätig zu werden.“
Architekt des AI Act meint, dass die „regulatorische Latte zu hoch“ gelegt wurde