„DeepSeek zwingt die etablierten Player, ihre Preismodelle zu überdenken“
DeepSeek hält die Welt in Atem – zumindest die AI-Welt. Da kommt auch Richard Watson, Global Head of Cybersecurity Services bei EY, eigentlich auf Europa-Tour in Sachen digitaler KI-Sicherheit unterwegs, nicht umhin, über das chinesische AI-Startup und die mögliche Disruption der bestehenden „AI-Ordnung“ zwischen den Big Techs aus dem Silicon Valley zu sprechen.
Denn DeepSeek, das mit sehr günstigen APIs und kostenlosen „Open Source“-Modellen unter MIT-Lizenz lockt, sorgt einmal mehr dafür: Im Bereich der Large Language Models (LLMs) stehen Unternehmen vor der Wahl zwischen proprietären API-Lösungen wie OpenAI und Google oder Open-Source-Modellen. Das chinesische Modell DeepSeek sorgt dabei für Aufsehen, da es sehr sehr viel günstiger ist – bei ähnlicher Qualität, wie sie Top-Modelle wie OpenAI o1 oder Gemini 2.0 liefern.
„Das setzt die etablierten Anbieter unter Druck und zwingt sie, ihre Preismodelle zu überdenken“, analysiert Watson im Gespräch mit Trending Topics. Die Preismodelle für KI-Dienste seien noch im Fluss. „Microsoft und andere suchen noch nach dem richtigen Ansatz“, so Watson. „Der Druck durch Open-Source-Alternativen wird zu Anpassungen führen.“
Hier gibt es auch einen direkten Vergleich der Preismodelle der wichtigsten KIs. Man sieht, dass DeepSeek die Konkurrenz um das 10- bis 20-Fache unterbietet:
API-Preise der Top-Modelle im Vergleich:
Schlanke KI-Modelle
Provider | Model | US-Cents pro 1M Token input | US-Cents pro 1M Token Output |
DeepSeek | DeepSeek-V3 | 1.4 | 28 |
OpenAI | GPT-4o Mini | 15 | 60 |
Anthropic | Claude 3 Haiku | 25 | 125 |
Anthropic | Claude 3.5 Haiku | 100 | 500 |
Gemini 1.5 Flash-8B | 3.75 | 15 | |
Gemini 1.5 Flash | 7.5 | 30 | |
Amazon | Nova Micro | 3.5 | 14 |
Amazon | Nova Lite | 6 | 24 |
Mistral AI | Small | 20 | 60 |
Top-AI-Modelle
Provider | Model | US-Cents pro 1M Token Input | US-Cents pro 1M Token Output |
DeepSeek | DeepSeek-R1 | 14 | 219 |
OpenAI | GPT-4o | 250 | 1000 |
OpenAI | o1-mini | 300 | 1200 |
OpenAI | o1-preview | 1500 | 6000 |
Anthropic | Claude 3.5 Sonnet | 300 | 1500 |
Anthropic | Claude 3 Opus | 1500 | 7500 |
Gemini 1.5 Pro | 125 | 500 | |
Amazon | Nova Pro | 80 | 320 |
xAI | Grok | 500 | 1500 |
Mistral AI | Large | 200 | 600 |
„Enterprise-Organisationen haben Bedenken gegenüber Open Source“
Was der Australier aber nicht sieht, ist, dass nun Heerscharen von Unternehmen von den etablierten US-Anbietern weggehen und sich komplett auf DeepSeek und Konsorten stürzen. „Die meisten Unternehmen setzen KI über etablierte Software-Partner wie Microsoft Copilot ein“, sagt Watson. Und das werde bis auf Weiteres auch so bleiben. Er sieht Open Source zwar als wichtigen Innovationstreiber, glaubt aber nicht an eine Dominanz: „Enterprise-Organisationen haben Bedenken gegenüber Open Source, weil es schwierig ist, sein Geschäft von etwas abhängig zu machen, das fundamental verändert werden kann.“
Jedenfalls aber gerate die Preispolitik der großen Tech-Konzerne durch Open-Source-Anbieter unter Druck. „Man sieht eine Evolution von einem reinen Lizenzmodell hin zu einer Produktverbesserungsstrategie“, analysiert Watson. Abspenstig könne ein chinesisches AI-Modell, sei es noch so gut und billig, Microsoft seine Kunden aber nicht so schnell nicht machen. Trotz der Kostenvorteile von Open Source sieht Watson diese nicht als dominierend im Enterprise-Markt: „Unternehmen haben Bedenken, sich von schwer kontrollierbaren Open-Source-Lösungen abhängig zu machen. Sie werden weiterhin auf etablierte kommerzielle Anbieter setzen.“
GenAI-Push für Cyber-Security
Nun aber zum eigentlichen Thema, das sich Watson auf seiner Europa-Tour – nach Wien geht es nach Budapest und Warschau – auf die Fahnen geschrieben hat: Cybersecurity in Zeiten von KI. Er sieht generative KI als neuen Treiber für Security-Investitionen: „Nach einer Plateau-Phase könnte dies der Anlass sein, wieder verstärkt in Cybersicherheit zu investieren – diesmal mit Fokus auf Wertsteigerung statt reiner Risikovermeidung.“
Generative AI bietet Angreifern viele neue Möglichkeiten – von Deepfakes über noch mehr Automatisierung bei Phishing-Mails bis hin zu gefälschten Webseiten und fingierten Anrufen. „Die Bedrohungsakteure haben sich durch KI nicht fundamental verändert. Es sind weiterhin staatliche Akteure, finanziell motivierte Cyber-Kriminelle und Hacktivisten. Was sich jedoch dramatisch verändert hat, ist die technologische Angriffsfläche, die wir durch KI, Cloud und Quantencomputing schützen müssen“, so Watson. Was sich aber ändere, seien die überproportional steigenden Möglichkeiten der Angreifer.
AI Act: „Europa hat einen Goldstandard geschaffen“
Stichwort Compliance: Da haben Unternehmen, die in der EU aktiv sind, mit dem AI Act sehr vielfältige KI-Gesetze bekommen, an die sie sich halten müssen. Während viele Unternehmer den AI Act als Innovationsbremse verteufeln, sieht Watson die positive Seite. Die EU nehme mit dem AI Act eine Vorreiterrolle in der KI-Regulierung ein.
„Europa hat hier sehr gute Arbeit geleistet und einen Goldstandard geschaffen, an dem sich andere Länder orientieren – ähnlich wie damals bei der DSGVO“, lobt Watson. Fraglich ist, ob andere Regionen diesem Goldstandard nacheifern – zuletzt hat der neue US-Präsident Donald Trump die unter Biden eingeführten AI-Regeln wieder gekübelt, um der US-Industrie durch Deregulierung wirtschaftlich zu helfen (Trending Topics berichtete).
Doch an komplette Deregulierung von AI etwa in den USA glaubt Watson mittelfristig nicht. „KI kann nicht einfach dem freien Markt überlassen werden. Die Risiken sind zu groß, um sie allein durch kommerzielle Kräfte zu steuern. Es braucht einen ausgewogenen Ansatz. KI kann nicht völlig unreguliert bleiben, aber zu strenge Vorgaben könnten Innovationen hemmen.“
Denn egal ob EU, China oder USA: Durch den Anbruch des AI-Agenten-Zeitalters würde es nun die Möglichkeit geben, dass agentenbasierte KI-Systeme autonome Entscheidungen treffen. „Das birgt neue Risiken, gerade im Bereich der nationalen Sicherheit. Wer überwacht die KI, wenn sie eigenständig agiert?“