Ridepooling kann PKW-Anzahl senken ohne Öffis zu schaden
Direkt von der Haustüre zum Ziel, ohne nervenraubendes Parkplatz suchen und dabei sogar noch CO2 sparen? Das scheint dringend angebracht zu sein. Immerhin wurde zwischen 1990 bis 2019 laut dem österreichischen Umweltbundesamt eine Zunahme der Treibhausgase um rund 74,4% im Verkehrssektor verzeichnet. Auch heute noch bezeichnet die österreichische Verkehrsministerin Leonore Gewessler ( Grüne) den Verkehr wiederholt als „Sorgenkind“. Problem dabei vor allem: der Individualverkehr.
Obwohl viele Nachbarn einen ähnlichen Weg zur Arbeit haben oder andersherum viele Arbeitskollegen auf ihrem Heimweg an der Straße des Kollegens vorbei kommen, sitzen die meisten noch alleine in ihrem Fahrzeug. Dies wollen Ridepooling-Anbieter ändern. Mit Hilfe eines smarten Algorithmus, verbinden sie Menschen, die einen ähnlichen Weg zurücklegen wollen. Anstatt das private Auto zu nehmen, sollen die Nutzer:innen sich ein Fahrzeug teilen. Dabei können die Fahrgäste, flexibel unterwegs zu- und aussteigen. Wer mitfahren will, ordert die Fahrt per Handy-App, welche dann von einem Algorithmus geplant und optimiert wird. Dies soll die Flexibilität eines eigenen Autos bewahren, während die Ressourcenschonung des Öffentlichen Nahverkehrs genutzt wird.
In Metropolen wie San Francisco oder Paris ist solches Ridepooling bereits Alltag, hierzulande ist das Modell eine Nische – noch.
Ridepooling: Durch Algorithmus mehr Mitfahrgelegenheiten ermöglichen
Verkehrssimulation beweist Potential
Das soll sich nun jedoch ändern. So war Ridepooling zuletzt Bestandteil einer Untersuchung eines deutschen Forschungsteams. Dazu haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer aufwendigen Verkehrssimulation dieses On-Demand-Verkehrsangebot anhand der Stadt Hamburg getestet.
Martin Kagerbauer vom Institut für Verkehrswesen (IfV) des KIT hat zusammen mit seinem Team und der TU München über einen Zeitraum von zwei Jahren unabhängig erforscht, welche Auswirkungen die Ridepooling-Angebote von MOIA auf das Verkehrssystem in Deutschlands zweitgrößter Stadt haben könnten. MOIA ist das Mobilitätsunternehmen des Volkswagen-Konzern.
Das Fazit dieser Untersuchung war zukunftsweisend. Laut dem Forschungsteam kann Ridepooling helfen, den Autoverkehr in der Stadt zu reduzieren. Besonders, wenn es weniger attraktiv wird, in der Stadt das eigene Auto zu benutzen. Dies könnte beispielsweise durch “zusätzlich Regelungen für den motorisierten Individualverkehr “ geschehen, so Kagerbauer.
In dem Verkehrswendeszenario der Simulation gingen die Forschenden von einer flächendeckenden Verfügbarkeit von autonom fahrenden Ridepooling-Angeboten mit vielen Fahrzeugen, einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz und gleichzeitigen Einschränkungen für den Autoverkehr aus. Laut dem Institut ließe sich der Autoverkehr in Hamburg unter diesen Voraussetzungen um acht Prozentpunkte reduzieren.
„Der Rückgang der Fahrzeugkilometer um etwa 15 Millionen Kilometer pro Woche wäre beachtlich. Die Hamburger Mobilität würde dadurch nachhaltiger und grüner“, so Kagerbauer
ÖPNV durch Ridepooling Dienste gefördert
Um dieses Szenario realitätsnah durchspielen zu können, wurde am KIT eine eigene Software entwickelt.
„Das Tool bildet die Mobilität der gesamten Hamburger Bevölkerung und aller dorthin Reisenden im Verlauf einer Woche ab. Abgebildet werden dabei auf die Minute genau und räumlich hoch aufgelöst sämtliche Wege zu allen Aktivitäten wie Arbeit, Einkauf oder Freizeit“, erläutert Kagerbauer. „Dass dabei neben den konventionellen Verkehrsmitteln auch neue Mobilitätsformen wie beispielsweise Ridepooling, Car- und Bikesharing oder E-Scooter-Sharing detailliert berücksichtigt werden, ist die Neuheit an unserem Tool.“
Ridepooling: Wie in ländlichen Regionen Mitfahrgelegenheiten boomen könnten
Diese neue Zwischenlösung zwischen ÖPNV und Taxi ist bei uns bisher weitgehend unbekannt. Trotzdem wurden bereits jetzt schon Befürchtungen laut, die neuen Anbieter könnten den Öffentlichen Nahverkehr verdrängen. Die Expert:innen des Karlsruher Institut entwarnten jedoch: „Wenn neue Verkehrsmittel hinzukommen, werden zwar Wege von den bereits vorhandenen Verkehrsmitteln auf das neue Mobilitätsangebot verlagert, aber durch den sogenannten Toureneffekt und die bessere Erreichbarkeit von Haltestellen profitiert der Öffentliche Verkehr durch Ridepooling“, sagt Gabriel Wilkes vom IfV. „Wenn zum Beispiel jemand von zu Hause ins Kino und wieder zurück fährt, wird auf dieser Tour mit zwei Wegen oft nur einer mit Ridepooling zurückgelegt, der andere Weg fast immer mit dem ÖV“, erläutert Wilkes den Toureneffekt.
Somit würde der Öffentliche Nahverkehr durch die Ridepooling Angebote am Ende sogar eher gefördert werden.