Ridepooling – oder warum Uber am Land noch nicht funktioniert
„Faulheit sticht die Gewohnheit.“ Das ist der Leitsatz, den sich manche Mobilitätsexperten zu den Methoden aufgeschrieben haben, wenn es um die Frage geht: Wie bekommt man Menschen bloß davon ab, mit dem eigenen Auto zu fahren? Die Logik dahinter: Wenn ein Angebot noch einfacher ist, als hinunter zum Wagen zu gehen und mit ihm zur Arbeit zu fahren, dann werden sie dieses Angebot auch nutzen.
„Es muss so einfach und günstig sein, dass man sich keinen Privat-PKW mehr kaufen muss“, sagt Uber-Österreich-Chef Martin Essl zu Trending Topics. Ein Teil auch seiner Mission ist es, mehr Menschen zum Verzicht auf das eigene Auto zu bringen. Das mag in der aktuellen Diskussion rund um Gelegenheitsverkehrsgesetz, Taxischein und Preisspannen untergehen, aber im Hintergrund gibt es sehr wohl Ideen und Pläne, auch einmal so genanntes Ridepooling in Österreich zu ermöglichen.
Dann könnten nicht nur in Wien, sondern auch am Land (gerade dort, wo sonst nur ab und zu der Bus vorbeikommt) Fahrten geteilt werden. „Wenn es viel Leute gibt, die ähnliche Start- und Zielbereiche haben, dann gibt es die Möglichkeit, diese Fahrten zu aggregieren“, so Essl. „Wir können ein Matching eines Nutzers mit einer Fahrroute machen.“In Metropolen wie San Francisco oder Paris ist solches Ridepooling (man könnte auch Sammeltaxi dazu sagen) bereits gang und gäbe, hierzulande ist das Modell eine Nische – noch.
Großes Potenzial in ländlichen Regionen
Es gibt aber bereits eine Reihe von Startups, die solche Mitfahrgelegenheiten zur Reduktion der benötigten Autos digitalisieren. Carployee zum Beispiel, eine Mitfahr-App für Pendler. Sie ist noch wenig bekannt, konnte 2020 aber durch Ridepooling immerhin 16.000 Fahrten eingesparen, umgerechnet etwa 125 Tonnen CO2.
„Das Potenzial für effizientere Mobilität ist am Land, da dort der öffentliche Verkehr nicht gut ausgebaut ist und 70 Prozent und mehr ständig mit dem Auto unterwegs sind“, sagt Albert Vogl-Bader, CEO von Carployee. „Für städtische Bereiche sind vor allem Einpendler-Strecken relevant, aber im Vergleich zur U-Bahn ist Ridepooling ineffizient.“
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In Österreich gibt es zwar Bestrebungen der Regierung, Ridepooling zu vereinfachen, seit der Präsentation des Regierungsprogramms hat sich diesbezüglich aber nicht viel getan. Darin heißt es etwa:
„Rein privates Car- und Ridesharing ohne Verdienstabsicht durch Überprüfung und nötigenfalls Änderung von Steuer- und Gewerberecht vereinfachen durch Anreize für Ride-Sharing: Erhöhung des PKW-Besetzungsgrads (z.B. mögliche Anhebung der Gewerblichkeitsgrenze von 5 auf 25 Cent).“
Derzeit erlaubt ist in Österreich PKW-Lenkern, die eine Fahrgemeinschaft bilden und somit eine Mobilitätsleistung erbringen, erlaubt, als Abgeltung fünf Cent pro Kilometer von jedem Mitfahrer zu verlangen. Eine Anhebung der Gewerblichkeitsgrenze auf 25 Cent würde in der Praxis bedeuten, dass man fünf Mal so viel wie bisher verdienen könnte. Theoretisch würde dass die Folge haben, dass viel mehr Menschen (einmal abgesehen von Corona) bereit sind, andere mitzunehmen, weil sie eben auch viel mehr Geld dafür bekommen.
Vogl-Bader von Carployee begrüßt das zwar prinzipiell, sagt aber auch: „Meine Meinung ist jedoch, dass die Gewerblichkeitsgrenze nicht das Problem ist, sondern es Anreize benötigt, um durch Ridepooling zu profitieren, und zwar nicht nur als Fahrer, sondern auch als Mitfahrer.“ Die Umstellung vom „selber Fahren“ zum „Mitfahren“ sei größer als wenn man als Fahrer jemanden mitnimmt. In seiner App gebe es deswegen Anreize: Mittels Gamification können Punkte gesammelt werden, die man bei Unternehmen für Goodies einlösen kann.
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„Gesetze beschneiden Ridepooling enorm“
Auch steuerliche Anreize seitens des Staates können laut Vogl-Bader als Anreize wirken, mehr Menschen zum Ridepooling zu bewegen. In Frankreich, der Heimat von BlaBlaCar (größte Mitfahrzentrale Europas), gibt es für Unternehmen gesetzliche Maßnahmen, die sich positiv auf die Nutzung von Ridepooling und Ridesharing auswirken – und es gibt auch mehr Anbieter als etwa in Österreich. In Entwicklungs- und Schwellenländern haben sich Sammelbusse auch ohne Digitalisierung vielerorts seit Jahrzehnten durchgesetzt – wenn auch meist nicht aus ökologischen, sondern wirtschaftlichen Gründen bzw. fehlender öffentlicher Infrastruktur.
Während Vogl-Bader die aktuelle Gesetzeslage in Österreich als nicht unbedingt förderlich für Ridepooling hält, findet sie Gregor-Alexander Petri vom Linzer Startup Triply (Software zum Management von Besucherströmen und Öffentlichen verkehrsmitteln) sogar hinderlich. „Die Gesetze der Verbundsbusse beschneiden Ridepooling in Österreich enorm“, sagt Petri. „Es werden die Routenführungen und Zubringermöglichkeiten stark eingeschränkt. Die Ridepooling-Busse müssen immer den bestehenden Verbundsbussen zuführen. Das heißt in der Praxis, dass die Passagiere nie von Tür zu Tür gebracht werden können.“
Ridepooling in der Stadt sei einfacher umzusetzen, sagt Petri – klar, denn dort gibt es schneller eine kritische Masse von Fahrern und Mitfahrern, die ähnliche Strecken zurücklegen wollen und gematcht werden können. Allerdings sind gerade in Österreich und insbesondere Wien die Öffis gut ausgebaut. „Aufgrund der hohen Dichte bekommt so ein System in der Stadt bestimmt sehr schnell Kunden. Es kannibalisiert jedoch das bestehende Öffi-Netz“, sagt Petri. „Am Land wäre der gesamtsystemische Mehrwert am größten, ist dort jedoch auch am schwersten nachhaltig umzusetzen.“
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Uber am Land
Zwar hat das Thema Ridepooling aufgrund der Gesetzeslage aktuell Priorität bei Uber, aber prinzipiell denken Essl und sein Team schon über die Möglichkeit nach, in den ländlichen Raum zu gehen. Vielleicht zuerst nicht mit Ridepooling, aber dafür in Zusammenarbeite mit Taxiunternehmen in kleineren Städten. Dass Uber in Graz und Salzburg starten will, ist bereits durchgesickert, aber auch noch kleinere Städte sind nicht ausgeschlossen. Essl: „Alle Regionen sind interessant. Es ist nur die Frage, wie es operativ vereinfacht werden kann, dass auch kleinere Städte ohne Probleme onboarden auf der Plattform.“
Wie so oft liegt der Ball aber derzeit bei den Landeshauptleuten – denn die müssen auf Basis des reformierten Gelegenheitsverkehrsgesetzes entscheiden, wie sie die lokalen Tarifverordnungen gestalten. Erst dann kann man bei Uber entscheiden, ob ein Start im ländlichen Raum Sinn macht. Bis dato gibt es einen Taxitarif, der Preisspannen erlaubt nur in Wien.
„Wenn Taxiunternehmer lokal entscheiden, ihre Services lokal anzubieten und die Gemeinde sagt, dass sie Uber als Plattform verwenden, anstatt selbst etwas zu bauen, dann sollte das möglich sein“, meint Essl. Betont aber auch: „Es ist keine geschäftliche Marktlücke, die super interessant ist, sondern eher eine visionäre Marktlücke.“