Gastkommentar

Romy Sigl über die Bro Culture: „Wir müssen mit dem Thema behutsam umgehen“

Romy Sigl. © Werner Haring / CoworkingSalzburg
Romy Sigl. © Werner Haring / CoworkingSalzburg
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Romy Sigl ist die Gründerin von Coworking Salzburg und der Büro-Sharing-Plattform Yellowdesks. In diesem Gastkommentar macht sie sich im Zuge der Debatte über Sexismus in der Startup-Szene Gedanken über die Auswirkungen der „Bro Culture“:

  • Das Bro-Culture-Thema ist ein sensibles Thema. Wenn wir damit nicht behutsam, sondern polarisierend umgehen, führt es zur Spaltung und zu Aggressionen. Das sollten wir verhindern.
  • „No Drama“, aber auch keine Schleimerei: Ich werde in diesem Erlebnisbericht zwar Beispiele, aber keine Namen nennen, da ich persönliche Angelegenheiten lieber unter vier Augen regle.
  • Welches Ziel ich mit diesem Beitrag verfolge: Bewusstseinsschaffung auf beiden Seiten (Männer & Frauen), was ist nicht ok, und wie kann man damit umgehen.

Hintergrund: Ich komme aus einem Drei-Mäderl-Haus und habe in der HTL Salzburg (Höhere Technische Bundeslehranstalt für die Altersgruppe von 14-19 mit einem Mädchenanteil von ca. fünf Prozent) schnell gelernt, mich auf eine männerdominierte Welt einzustellen. Wenn man eine Prüfungsfrage an der Tafel nicht beantworten kann, ist man als Schülerin schon mal mit Sätzen wie: „Wozu hast du denn deinen hübschen Kopf, damit es oben nicht rein regnet?“ konfrontiert, und das vor der ganzen Klasse. Ein tolles Vorbild, wie man eine Frau erniedrigt für alle anderen Männer im Raum.

Zum Glück wusste ich immer, dass hübsch sein nicht meine Lebensaufgabe ist und ich auch nicht auf alle Prüfungsfragen eine Antwort haben muss. Was ich aber gelernt habe, ist, solche Aussagen (die mich länger beschäftigt haben, sonst würde ich mich kaum an den genauen Wortlaut erinnern), als Antrieb zu nehmen.

Leider passieren Erniedrigungen immer wieder, und bis heute verwende ich sie als Antrieb. Das ist nicht immer einfach, man muss darauf achten, dass man dabei nicht aggressiv oder unfair wird. Ich analysiere daher jede Situation in der ich mich ungerecht behandelt fühle, folgendermaßen:

  1. War es mein Fehler? Gibt es eine Vorgeschichte?
  2. Habe ich heute einen schlechten Tag, reagiere ich über oder verstehe ich da was falsch?
  3. Reflektiere die Situation mit möglichst unterschiedlichen Menschen.
  4. Überlege, was ich daraus lernen kann und wie ich beim nächsten Mal reagieren werde.
  5. Verwandle die negative Energie in den Leitsatz „du wirst schon sehen, dass ich mich sicher nicht kleinkriegen lasse“. Im Endeffekt stärkt mich ungerechte Behandlung sogar, da ich vom Charakter eine Rebellin bin.

Unlängst hat zum Beispiel jemand auf einem Startup Event zu mir gesagt: „Gell, du bist keine, die man auf ein Foto zum ‚Aufhübschen‘ mit nimmt“. Darüber musste ich erst ein paar Tage, anhand der angeführten 5 Punkte reflektieren, bis ich es als das beste Kompliment überhaupt annehmen konnte.

Sexismus und Belästigung: „Bro Culture“ auch in der österreichischen Startup-Szene ein Problem

Drei Beispiele aus meinem Startup-Leben, in der mir eine Bro-Kultur aufgefallen ist:

  1. Wenn man mir meine Zeit stiehlt, indem man mich für blöd verkauft. Es ist mir mehrmals passiert, dass ich mit Männern über eine Kooperation verhandle und ich dann nach etlichen Kennenlern-Gesprächen (die sich über Monate ziehen und bei dem sie meistens nur erklären, wie toll sie sind), ein Angebot auf den Tisch bekomme, das so lächerlich schlecht ist, dass ich meistens einfach nur sprachlos bin. Ich kenne harte Verhandlungen aus der Baubranche. Die Erlebnisse, die ich hier meine, hatten in keinem Fall etwas mit Pokern zu tun, sondern mit Respektlosigkeit. Als Frau in der Sharing Economy ist man damit doppelt stark konfrontiert – weil es sehr lieblich wirkt (jeder hilft jedem usw.). Auf dieses Problem habe ich leider noch keine wirkliche Lösung gefunden, da ich niemandem mit Vorurteilen begegnen möchte. Ich habe nur gelernt, wirkliche Kooperationen, nämlich jene auf Augenhöhe, mehr zu schätzen.
  2. Wenn man mich für Verdienste auszeichnet und man mich nur für diesen einen Moment auf der Bühne respektvoll behandelt, da man es mir als Frau (denn persönlich kennen mich Menschen in diesen Situationen ja nicht), entweder aus Neid nicht gönnt oder es nicht ehrlich gemeint ist. Das ist auch erniedrigend und ausschließend. Da fühlt man sich als PR-Gag, obwohl es der Sache, dem Bild der Frau in der Gesellschaft dient.
  3. Auf die Spitze, was Reaktionen betrifft, kann man das Thema treiben, wenn man hochschwanger als Sachexpertin zu einem Vortrag oder in ein Podium zur Diskussion geladen ist. Noch nie wurde ich derart angestarrt oder mir die Rolle als mich wichtig machen wollende Person vermittelt (in einer kürzlich aufgenommenen Videoaufzeichnung ganz schön zu sehen) wie in den letzten Wochen. Vielfach herrscht wohl noch das Rollenbild, auch wenn es unterbewusst ist: Eine Frau mit Kind gehört nicht an so einen Platz – sie soll sich um andere Dinge kümmern.

Was das alles mit der Startup-Welt zu tun hat? Mein selbstständiges, unternehmerisches Leben, das zu 100 Prozent auf meine eigenen Leistungen beruht, hat es mir erst ermöglicht, dass ich mich in diesen teilweise exponierten Situationen wiederfinde. Es bedeutet auch, dass ich in jeder Sekunde meines Lebens unabhängig sagen kann, was ich denke, da ich die Konsequenzen selbst trage und mit ihnen sehr gut leben kann – dafür bin ich dankbar. Liebe Frauen da draußen, das sind gute News – traut euch!

Fazit: Wenn wir lernen, uns gegenseitig respektvolles Feedback zu geben, anstatt Machtspielchen auszuüben und Feindbilder aufzubauen, weil wir die gemeinsame Reflexion als Potenzial für gegenseitiges Wachstum erkennen, dann können wir alle von unseren Unterschiedlichkeiten profitieren und menschenwürdiger zusammenleben.

Call to Action!

Liebe Frauen: Weniger Nachdenken darüber, dass wir nicht klug, hübsch, tough, erfolgreich, beliebt,… genug sind für was auch immer. Jede von uns kann alles erreichen – wenn sie wirklich will und sich nicht so viele Sorgen macht, was andere denken.

Liebe Männer und Frauen: Wenn vor euch ein Mensch (egal ob Frau oder Mann) erniedrigt wird (wie in meinem Beispiel oben mit dem hübschen Kopf) und sich in der Situation nicht selbst verteidigen kann, habt die Zivilcourage, es anzusprechen. Das spricht für wahre Größe.

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