Rückblick auf 2022: Das waren die zehn größten „Wins“ des Jahres
„Win“ ist vermutlich nicht unbedingt das erste Wort, das bei einem Rückblick auf das Jahr 2022 in den Sinn kommt. Immerhin waren die letzten zwölf Monate mit ihren vielen Krisen – Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise, Klimawandel – sehr turbulent. Auch in der Startup-Szene war es für viele nicht gerade einfach. Trotz dieser vielen Schwierigkeiten gab es tatsächlich auch gute Neuigkeiten im ausgehenden Jahr. Wir zeigen in unserem Rückblick die zehn größten „Wins“ des Jahres.
1. Der neue Speedinvest-Fonds: 500 Millionen Euro für die Startup-Szene
Es wurde lange spekuliert, doch im Dezember war es dann klar: Der Wiener VC Speedinvest hat seinen vierten Fonds präsentiert, und er ist stolze 500 Millionen Euro schwer. Damit ist der Risikokapitalgeber rund um CEO Oliver Holle endgültig in der Oberliga der europäischen Investorenbranche angelangt, und beweist, dass kontinuierliche Arbeit über viele Jahre mit einem eigenständigen Modell sich international durchsetzen kann. wird Speedinvest sowohl in neue Pre-Seed- und Seed-Tech-Startups als auch bestehende Portfoliounternehmen in Österreich und im Ausland investieren. Somit könnte die heimische Startup-Szene für das neue Jahr einen kräftigen Impuls bekommen.
2. Österreichs Startup-Finanzierungen: Milliardengrenze erreicht
Auch in diesem Jahr kann die heimische Startup-Szene trotz der vielen Krisen immer noch eine beeindruckende Bilanz vorweisen. Im vergangenen Jahr kamen die Finanzierungen für Jungfirmen und Scale-ups auf etwa 1,2 Milliarden Euro. Diesen Wert konnte die Szene im ausgehenden Jahr leider nicht ganz erreichen, doch unseren Berechnungen zufolge kommen sie immer noch auf etwa eine Milliarden Euro. In einem so turbulenten Jahr wie 2022 ist das auf alle Fälle sehr beachtlich.
Investments in österreichische Startups & Scale-ups sollten 2022 Milliardengrenze schaffen
3. Energie-Innovationen: Windkraft, Solar und Kernfusion auf dem Vormarsch
Das Thema Energie war im Jahr 2022 extrem zwiespältig. Vor allem die explodierenden Preise angesichts des Ukraine-Kriegs werden vielen noch lange in Erinnerung bleiben. Die Abhängigkeit von russischem fossilen Gas kam besonders Europa teuer zu stehen. Doch es gibt in diesem Feld auch viel Zukunftshoffnung. Eine Menge innovative, klimafreundliche Innovationen befanden sich 2022 auf dem Vormarsch.
So hat erst kürzlich das Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) mit Solarzellen einen Rekord-Wirkungsgrad von 32,5 Prozent geschafft. Ein spannendes Experiment fand im Oktober in Griechenland statt. Hier wurde für etwa fünf Stunden das gesamte Land zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgt. Die krönende Entwicklung des Jahres war jedoch eindeutig der Durchbruch von US-Forschenden im Bereich der Kernfusion. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Zukunftstechnologie wurde mehr Energie freigesetzt, als für die Kernfusion nötig war.
Meilenstein der Kernfusion: US-Labor schafft erstmals positive Energiegewinnung
4. Energiekrise: Aufwind für fossile Brennstoffe endlich vorbei
Mit dem Ukraine-Krieg wurde nicht nur in Europa endlich klar, dass es Zeit ist, sich aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien. Zwar ist die Nachfrage derzeit immer noch sehr hoch, doch sie könnte in der derzeitigen Situation endgültig ihren historischen Höhepunkt erreicht haben. Laut dem World Energy Outlook (WEO), dem jährlichen Bericht der Internationalen Energieagentur, sollte die globale Nachfrage künftig nur noch sinken. Damit ist möglicherweise bald endlich der Moment gekommen, in dem Erneuerbare Energien übernehmen könnten.
Energiekrise: Nachfrage nach fossilen Brennstoffen hat Zenit erreicht
5. E-Mobilität: Elektroautos weiter im Kommen
Mit dem Thema Energiewende geht auch ein großer Wandel in der Mobilität einher. Schon seit mehreren Jahren befinden sich E-Fahrzeuge konstant im Aufwind. Das war auch im Jahr 2022 nicht anders. In Österreich hat sich die Anzahl der zugelassenen E-Autos im Vergleich zu 2021 laut dem Bundesverband Elektromobilität um fast 30.000 Fahrzeuge erhöht. Zwar war das Jahr aufgrund der hohen Strompreise turbulent, doch es zeigt sich immer wieder, wie sehr die Technologie den Mainstream erobert hat. Besonders bedeutsam in diesem Jahr war der Ausbau der Infrastruktur für E-Autos.
So hat der österreichische Straßenbetreiber Asfinag kürzlich einen Plan für die künftige Versorgung der Autobahnen mit Ladestellen präsentiert. Vorgesehen ist, dass ab dem Jahr 2030 auf den Autobahnen alle 25 Kilometer eine Ladestation zum Standard werden soll. Eine Studie der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company hat außerdem gezeigt, dass es sich bei der Ladeinfrastruktur mittlerweile um einen echten Milliardenmarkt handelt.
Neben Pkw gab es auch viele Erfolge bei anderen elektrisch betriebenen Fahrzeugen. So hat ein E-Lkw von Tesla erstmals mit einer einzigen Ladung eine Strecke von 800 Kilometer zurückgelegt. In Kalifornien wurde darüber hinaus ein Rekord-Testflug mit einem E-Helikopter erreicht. Auch bei E-Flugzeugen gibt es Fortschritte zu vermerken, darunter ein erfolgreicher Erstflug des bayerischen Jungunternehmens Elektra Solar.
Asfinag: E-Ladestationen alle 25 Kilometer auf Autobahnen geplant
6. Der Ethereum-Merge: Lichtblick im Krypto-Winter
Über Kryptowährungen gab es in diesem Jahr wenig Positives zu berichten. Der Absturz von Terra/LUNA, der völlige Kollaps der Exchange FTX und immer wieder starke Verluste bei den Kursen – es war in Summe ein echtes Annus Horribilis für Bitcoin und Co. Doch einen Lichtblick gab es mit dem lange erwarteten Ethereum-Merge. Die Währung hat damit ihr größtes und wichtigstes Upgrade bekommen, die Mining-Ära verlassen und ist zum größten Player bei Proof of Stake aufgestiegen. Der Übergang von PoW und PoS fand ohne technische Probleme statt – ein echter Erfolg für Vitalik Buterin und die Ethereum-Community.
Proof of Stake gilt für viele als die Zukunft der Krypto-Welt. Anders als beim altgedienten Proof of Work sind es nicht mehr Miner, die das Netzwerk durch Energie ergo Rechen-Power stützen, sondern die Einlagen („Stakes“) der Community. Wer einen Block verifizieren darf, bestimmt künftig eine Zufallsauswahl auf Basis des eingebrachten Vermögens. Diese Form der Verifizierung gilt als wesentlich energieeffizienter und damit auch nachhaltiger als Mining.
7. KI-Kunst: Der Aufstieg von Midjourney und Co
Große Fortschritte gab es in diesem Jahr auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Besonders viel Aufsehen erregten Deep Learning-Algorithmen, die automatisiert künstlerische Bilder herstellen können. Programme wie Dall-E 2, Midjourney und Imagen haben einen massiven Hype ausgelöst – und dabei auch für Kontroversen in der Kunstszene gesorgt. So gab es einen Aufschrei, als bei einem US-Wettbewerb ein Werk zum Sieger gekürt wurde, das Midjourney erschaffen hatte. Doch kontrovers oder nicht, die Fortschritte bei KI-Bildern sind definitiv beeindruckend und zeigen, wie schnell sich Deep Learning-Technologie weiterentwickelt.
Midjourney, Dall-E & Imagen: Der unaufhaltsame Aufstieg der AI-Bilder
8. COP15: Sieg für die Biodiversität
Für Umweltschützer:innen war die diesjährige UN-Klimakonferenz COP27 eine herbe Enttäuschung. Viel mehr Hoffnung machte dagegen die Weltnaturschutzkonferenz COP15, die im Dezember in Kanada stattfand. Die dort vereinbarten Ziele sollen den Verlust der Biodiversität bis 2030 stoppen. Die beiden wichtigsten der 22 vereinbarten Ziele: Die Wiederherstellung von mindestens 30 Prozent der für die Biodiversität wichtigen Gebiete an Land, sowie die Erklärung von 30 Prozent der Landflächen und Meere als Schutzgebiete. Zwar hätten sich viele Klimaschützer:innen schärfere Regeln gewünscht, dennoch sehen viele die COP15 als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Bis 2030 sollen 30% der Landfläche und Meere unter Schutz stehen
9. Crispr/Cas9: Die große Hoffnung der Medizin
Die sogenannte Gen-Schere ist durch Diskussionen über Designer-Babys und Super-Soldat:innen berühmt und berüchtigt geworden. Doch mittlerweile gilt Crispr/Cas9 als eine Technologie, die eine Revolution der Medizin bringen könne. Gegen verschiedene schwere Krankheiten, darunter Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie, soll sie erstmals eine effektive Behandlung darstellen.
Erst kürzlich zeigte sich laut t3n ein echter Durchbruch in London. Hier hat die neuartige Methode „Base Editing“ eine scheinbar unheilbare Leukämie bei einem 13-jährigen Mädchen erfolgreich bekämpft. Durch modifizierte gesunde Zellen war es möglich, kranke Zellen gezielt anzugreifen. Danach zeigten die Untersuchungen unbedenkliche Ergebnisse, weswegen das Mädchen nun als geheilt gilt.
Nicht nur in der Praxis, auch im kommerziellen Bereich könnte Crispr bald einen Meilenstein erreichen. Das US-Biotech Vertex und die Schweizer Biotechfirma Crispr Therapeutics werden das erste auf der Technologie basierende Produkt bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA einreichen. Außerdem rechnen die beiden Unternehmen damit, dass die Fertigstellung der Einreichung bei der US-Behörde FDA im ersten Quartal 2023 erfolgt. Geben beide Behörden grünes Licht, wäre das der kommerzielle Durchbruch für die erste Crispr-Anwendung.
Crispr/Cas9: Die Gen-Schere bahnt sich ihren Weg in den Medizin-Mainstream
10. Future Food: Immer mehr nachhaltige Alternativen
Klimafreundliche Alternativen zu Fleisch und anderen tierischen Produkten haben zugegebenermaßen in diesem Jahr einen Dämpfer erlitten, vor allem weil die neuartigen Erzeugnisse vielen in der Inflation zu teuer sind. Dennoch zeigte sich 2022 immer wieder, wie innovativ die Ideen vieler Jungfirmen in diesem Bereich sind. Auch haben Imvestor:innen immer noch viel Geld in Future Food-Startups gesteckt.
So hat das Schweizer FoodTech Planted, das biostrukturiertes Fleisch aus alternativen Proteinen wie Erbsen herstellt, in einer Finanzierungsrunde satte 70 Millionen Euro eingesammelt. Die Berliner Jungfirma Neggst, die eine pflanzliche Ei-Alternative bietet, hat eine Seed-Finanzierung von fünf Millionen Euro abgeschlossen. Währenddessen hat ein weiteres Berliner Startup, Bluu Seafood, erstmals pflanzliche Fischstäbchen kreiert. Auch in Österreich konnte etwa Die Pflanzerei mit dem veganen Leberkäse „Gustl“ punkten. All diese Produkte sollen wesentlich weniger CO2-Emissionen erzeugen als die Herstellung der „echten“ Pendants.
Planted: Mitgründer Christoph Jenny über das Millioneninvestment in veganes Fleisch