Šefčovič: „Politisch sensible Entscheidungen über Strompreiszonen wird die EU-Kommission treffen.“
„Handle lokal, denke global!“ Dies war die zentrale Botschaft der zweitägigen Strategic Energy Technology (SET) Plan 2016 Konferenz in Bratislava, die in der ersten Dezemberwoche über die Bühne gegangen ist. Bratislava wurde für zwei Tage „Energiehauptstadt Europas“, wie EU Energie-Kommissar Maroš Šefčovič in seiner Eröffnungsrede sagte. Zahlreiche im Energiebereich tätige Experten, Politiker, Firmen und Forscher diskutierten Zukunftsszenarien und Trends im europäischen und globalen Energiemarkt. Die Hauptthemen? Strom und Gas.
Beim oft umstrittenen Thema Elektrizität brachten Diskussionsrunden Entscheidungsträger und Betroffene der Energiewende an einen Tisch. „Die Bürger sind keine Energie-Experten, sondern ganz normale Menschen“, erklärte Torbjorn Digernes, Vorsitzender der Europäischen Vereinigung der Universitäten im Bereich Energieforschung und Ausbildung. Die Energiewenden müsse den Menschen erklärt werden. „Die Leute werden keine grüne Energie kaufen, bloß weil sie grün ist“, ergänzte John Loughhead, leitender wissenschaftlicher Berater beim britischen Ministerium für Energie und Kimawandel.
Eine Bürger-Energiewende
Genau dadurch öffnet sich laut vielen Experten aber auch einmalige Gelegenheit für Startups. Innovative Energieunternehmen könnten neue Apps und Werkzeuge entwickeln, die den Konsumenten dabei helfen Energie zu sparen, Strom effizienter einzusetzen und das Energiesystem besser zu verstehen. Zukünftig könnten mit dem Smartphone dann nicht nur mehr den eigenen Energieverbrauch kontrolliert, sondern auch selbsterzeugten Solarstrom unkompliziert mit den Nachbarn gehandelt werden.
„Microgrids sind die Zukunft der Energieerzeugung für Haushalte“, erklärte Vít Lichtenstein, unabhängiger Energieexperte und Consultant mit Sitz in Wien. „Energieerzeugung muss man sich zunehmend zweigeteilt vorstellen: Zentralisierte Großkraftwerke decken Grundlast und springen bei Bedarf ein, werden aber zunehmend mit einer Vielzahl an dezentralisierten Mikroenergieproduzenten ergänzt – die Kombination macht das System stabiler und nachhaltiger. Die größten Herausforderungen sind allerdings immer noch ausreichende Speicherkapazitäten, eine innovative Finanzierung von lokalen Energieprojekten sowie der Effizienzgrad von Solarpanels oder kleinen Windrädern.“ Es seien jedoch genau solche praktischen Projekte, die das Interesse der Bürger wecken und sie dadurch zu aktiven Teilnehmern der Energiewende machen würde.
Hoffnung für österreichische Stromkunden
Genau dies möchte auch die EU-Kommission mit ihrem neuen, von Energie-Kommissar Šefčovič vorgestellten Winterpaket erreichen, dessen Titel „Saubere Energie für alle Europäer“ Programm ist. Zwei Milliarden sollen in vier Kernbereiche fließen: Dekarbonisierung von Gebäuden, Integration von Erneuerbaren Energiequellen in das Energienetz, E-Mobilität und öffentlicher Verkehr, sowie verbesserte Energiespeicherung. Trotz Lobes für viele Maßnahmen wurde die Kommission jedoch auch bereits wegen Änderungen bei der Einspeisung von Ökostrom scharf kritisiert.
Das Thema welches österreichische Stromkunden gerade besonders bewegt – die eventuelle Trennung der deutschen und österreichischen Strompreiszone mit potenziell massiven Preissteigerungen für österreichische Kunden, wie von der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) kürzlich empfohlen – kam natürlich auch zur Sprache. Šefčovič betonte zwar, dass es sogar kleine Länder gäbe die mehrere Preiszonen hätten, etwa Norwegen, und dies daher nicht per se ein Problem darstelle. Im konkreten Fall macht er Österreich aber dennoch Hoffnung: „ACER verfügt über exzellente technische Expertise. Politische sensible Entscheidungen wie diese wird jedoch die Europäische Kommission treffen.“
Zwei Gasrevolutionen für die Welt
Das zweite zentrale Thema war die Zukunft von Gas in Europa. Da es ein traditioneller Rohstoff ist, könnte man leicht den Eindruck haben, dass sich im Vergleich zum rasanten Wandel der Elektrizitätserzeugung in der Gas-Welt nur wenig tut. Diese These verneint Fatih Birol, Generaldirektor der Internationalen Energieagentur (IEA) jedoch energisch bei der Präsentation des World Energy Outlooks 2016. „Wir erleben gerade eine zweite Gasrevolution“, zeigte sich Birol überzeugt. „Nach der ersten Revolution mit Schiefergas und Fracking sehen wir nun einen rapiden Anstieg der Produktion von Flüssigerdgas (LNG), welches die zweitwichtigste Energiequelle nach Erneuerbaren werden könnte.“
Wie wird nun also die Energiezukunft der Welt aussehen? Bedeutet „elektrisch“ immer zwangsläufig sauber und gut? So einfach ist es sicherlich nicht. „Elektroautos sind nicht automatisch sauber; es kommt darauf welche Energiequelle den Strom herstellt.“ erklärte Fatih Birol. Das zeigt die Komplexität dieses dynamischen Energiewandels, der jedoch Unternehmen auch große Chancen bietet, wenn sie mit den Herausforderungen zurechtkommen. Der Energiemarkt bleibt für Startups ein vielversprechender Sektor, in welche sie wirklich etwas verändern können – nicht nur dadurch, dass sie unsere Häuser smarter machen, sondern indem sie unsere Städte und Gesellschaften effizient und umwelttauglich für zukünftige Generationen machen.
In Kooperation mit Vít Lichtenstein